Bargteheide. SPD-Fraktionschef aus Bargteheide will Justizminister Claussen das Direktmandat im Wahlkreis Stormarn Nord streitig machen.
Die SPD, die mit Olaf Scholz den nächsten Bundeskanzler stellen will, dümpelt in den Umfragen weiter zwischen 15 und 17 Prozent herum. Mit der Neuaufstellung an der Parteispitze durch Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind viele Sozialdemokraten nur bedingt zufrieden. So ist nicht selten zu hören, es fehle an jungen, hoffnungsvollen Polittalenten, die der alten Volkspartei neuen Schwung und ein frisches Image verleihen könnten. Einen solchen Auf- und Umbruch hat die SPD Bargteheide längst gewagt. Jetzt schickt sich deren Fraktionschef Mehmet Dalkilinc sogar an, in höhere Sphären vorzustoßen: Gerade hat der 35-Jährige verkündet, bei der nächsten Landtagswahl im Frühjahr nächsten Jahres um das Direktmandat im Wahlkreis Stormarn-Nord kämpfen zu wollen.
Parlament bildet Diversität des Landes nicht ab
„Ich will, dass die Interessen des Kreises in Kiel noch engagierter vertreten werden und er dort noch sichtbarer wird“, sagt Dalkilinc, der in Bad Oldesloe geboren und in Bargteheide aufgewachsen ist. Außerdem sei es an der Zeit, dass seine Generation im Parlament stärker repräsentiert werde. Es müsse insgesamt breiter aufgestellt sein, um die Bevölkerung Schleswig-Holsteins in ihrer ganzen Diversität besser abbilden zu können.
„Natürlich ist Erfahrung in der Politik wichtig, zumal auf dieser Ebene“, sagt Dalkilinc. Dennoch sollte das Parlament jünger und weiblicher werden. Und dort auch Menschen mit Behinderung stärker Gehör finden, von denen es zwischen Flensburg und Lauenburg mehr als eine halbe Million gebe. Nicht zuletzt sollten sich mehr Menschen mit Migrationshintergrund einbringen können, die diese Gesellschaft mit ihrem Wissen, ihrem Können und ihren Ideen auf vielfältige Weise bereicherten, so Dalkilinc, dessen Mutter aus der Nähe Istanbuls und dessen Vater aus der Nähe von Antalya stammen.
Viele Einwohner im Wahlkreis haben ihn ermuntert
„Eine gute Mischung aus verschiedenen Programmen, Sichtweisen und Visionen ist für das Parlament wichtig, damit es mit seinen Beschlüssen allen Bewohnern des Landes Chancen und Perspektiven bietet. Und sie andererseits motiviert sind, sich selbst zu engagieren und für positive Veränderungen einzusetzen“, erklärt Dalkilinc.
Der Entschluss, für den Landtag zu kandidieren, sei Ende des vergangenen Jahres gereift, nachdem ihn viele Einwohner des Wahlkreises ermuntert hätten, zu dem auch die Städte Bad Oldesloe und Reinfeld zählen. „Ich denke, dass ich sie durch meine Arbeit als Fraktionsvorsitzender in Bargteheide und meinen Einsatz für eine soziale, gerechte Politik vor Ort überzeugt habe“, sagt Dalkilinc.
Jüngster Fraktionsvorstand in ganz Stormarn
Der Versicherungskaufmann beim Konzern Generali, der dort auch Betriebsrat ist, hatte den Fraktionsvorsitz im August 2019 von Jürgen Weingärtner (68) übernommen, der diese Funktion mit einer kurzen Unterbrechung 19 Jahre ausübte. Gemeinsam mit Gerrit Kronenberg und Peter Beckendorf (beide 37) hatten die Bargteheider Sozialdemokraten den jüngsten Fraktionsvorstand in ganz Stormarn gewählt.
„Wir wollten damit bewusst ein Zeichen setzen und zeigen, dass Vertreter unserer Generation trotz beruflicher und familiärer Verpflichtungen Verantwortung für die Gestaltung unserer Stadt und deren Zukunft übernehmen“, sagt Dalkilinc.
Ortsvereinsvorsitzender ist erst 20 Jahre alt
Mitte März dieses Jahres folgte die nächste spektakuläre Berufung. Bei der Jahresversammlung des SPD-Ortsvereins war der erst 20 Jahre alte Aaron Bedey einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt worden. Er folgte auf Dalkilinc, der kurz zuvor seine Kandidatur für den Kreisvorsitz bekanntgegeben hatte, als Doppelspitze mit der Barsbüttelerin Marion Meyer.
Dalkilinc weiß, dass die Partei diese Verjüngungskur braucht. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren etwa 60 Mitglieder verloren. Die Mehrzahl zwar aus Altersgründen, doch gerade die Überalterung ist ein Problem. Die Partei muss unbedingt jünger werden, wollen wir den Abwärtstrend stoppen“, sagt Dalkilinc.
Direktmandat ist seit 20 Jahren fest in CDU-Hand
Dass sein Wahlkampf um das Direktmandat für Stormarn-Nord kein Selbstgänger wird, ist dem Vater zweier Kinder wohl bewusst. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist es fest in der Hand der CDU. Erst holte es Rainer Wiegard, später auch Finanz- und Innenminister des Landes, zuletzt Claus Christian Claussen, inzwischen zum Justizminister im Kabinett von Ministerpräsident Daniel Günther aufgestiegen.
„Klar boxt Claussen durch sein Amt und seine Erfahrung gewissermaßen in einer anderen Liga. Doch Bangemachen gilt nicht. Wer erst gar nicht antritt, kann auch nicht gewinnen“, sagt Dalkilinc. Immerhin könnte sein Alter schon mal ein Vorteil sein, nachdem zuvor Parteifreundin Susanne Danhier (64) bei drei Anläufen gescheitert ist.
Jusos schicken eine Gegenkandidatin ins Rennen
Es entbehrt indes nicht einer gewissen Ironie, dass jüngst mit der Kreistagsabgeordneten Franziska Eggen aus Bargfeld-Stegen eine Rivalin aufgetaucht ist, die mit 26 Jahren noch deutlich jünger ist als Dalkilinc. „Dass die Stormarner Jusos im Süden niemanden gegen den faktisch gesetzten Martin Habersaat aufstellen wollen, kann ich sehr gut nachvollziehen“, so Dalkilinc. Eigentlich hätten sie deshalb jemanden in Stormarn- Mitte ins Rennen schicken wollen, wo bislang der Trittauer Thies Grothe (42) kandidiert. „Nun haben sie sich also für Stormarn-Nord entschieden. Mal sehen, wem die SPD-Mitglieder im Wahlkreis eher zutrauen, gegen Claussen anzutreten“, bleibt Mehmet Dalkilinc gelassen. Die Entscheidung fällt Ende des Jahres.