Bargteheide. Bei der Wiederaufforstung des Areals am Südring werden 1300 Jungbäume für eine „ökologische Vorzeigefläche“ gesetzt.

„Wir sollten endlich aufhören, nach Schuldigen zu suchen, nach vorn schauen und uns auf ein schönes neues Stück Natur mitten in Bargteheide freuen.“ Was Michael Schröer, Stadtvertreter der Grünen, am Rande eines Ortstermins zur Aufforstung des Kahlschlags am Südring von sich gab, hatte etwas von einem Stoßgebet. Erhört wurde er allerdings nicht. Neben Karl Dziomba vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) waren auch Mitglieder der Bürgerinitiative Basta der Ansicht, dass es zu früh sei, den ganzen Vorgang zu den Akten zu legen. „Dazu sind noch immer allzu viele Fragen unbeantwortet“, sagte Dziomba.

Bürgermeisterin Birte Kruse-Gobrecht nutzte den Termin vor Ort hingegen zu einem erneuten Rundumschlag gegen ihre säumigen Vorgänger, kritische Kommunalpolitiker und die anklagende Berichterstattung in den Medien. „Notwendige Pflegemaßnahmen sind in den letzten 20 Jahren nicht erfolgt. Diese Versäumnisse mussten wegen der Pflicht zur Verkehrssicherung aufgearbeitet werden“, wiederholte die Verwaltungschefin. Und verurteilte einmal mehr die öffentlichen Anfeindungen gegen sie und ihre Mitarbeiter.

Eine Verkettung unglücklicher Umstände

Von einer wie auch immer gearteten persönlichen Verantwortung war indes nichts zu hören. Stattdessen wiederholte Kruse-Gobrecht ihr Narrativ von einer Verkettung unglücklicher Umstände, Fehleinschätzungen und zwingend erforderlichen Eingriffen.

„Doch wann ist ein Wald ein Wald?“, fragte Kruse-Gobrecht. Diese Frage sei nicht nur für die Stadt Bargteheide zu einem Problem geworden, sondern landesweit in vielen Kommunen. „Wir haben jedenfalls die Lehre gezogen, dass wir künftig bei allen größeren Fällmaßnahmen die Forstbehörde einbeziehen werden“, so die Bürgermeisterin. Und, ja, dieser Kahlschlag hätte nicht passieren dürfen, er sei aber auch nie beabsichtigt gewesen.

Klare Verbindung zum Projekt Stadtgärtnern

Auch eine Verbindung zum Projekt „urban gardening“ (Stadtgärtnern) dementierte die Verwaltungschefin erneut vehement. Das Kahlschlagsareal am Südring sei nur eine von mehreren infrage kommenden Flächen gewesen. Wirklich?

Dem Abendblatt liegt die Bewerbung der Stadt für den Bundeswettbewerb „Naturstadt – Kommunen schaffen Vielfalt“ vor. Darin wird das Projekt auf zehn Seiten detailliert vorgestellt. „Im zentralen Bereich plant die Stadt eine Umnutzung des öffentlichen Raums zu einem lebendigen Treffpunkt und einem Garten des Lernens und Staunens“, heißt es dort wörtlich.

Nie und nirgends alternative Flächen benannt

Mehr noch ist die vorgesehene Fläche klar und eindeutig definiert. Der Auszug einer Fachdatenkarte offenbart nicht nur die Lage des Areals am Südring. Eine weitere Grafik zeigt, wie die Fläche konkret aufgeteilt werden sollte; in Bereiche für einen Lehrpfad, eine Streuobstwiese und Gemüseanbau.

Alternative Flächen für das Projekt an anderen Standorten der Stadt werden in der Bewerbung hingegen nicht genannt. Dafür findet sich aber an mehreren Stellen der Hinweis, dass zur Umsetzung des Projekts am Südring eine Rodung „notwendig“ sei. In der Kostenaufstellung ist sogar schon der finanzielle Aufwand in Höhe von 5900 Euro für den Einsatz von Personal, Maschinen und Geräten prognostiziert worden.

Bürgermeisterin hat Bewerbung unterschrieben

Dass die Bürgermeisterin frühzeitig mit dem Vorgang vertraut war, beweist unter anderem ihre Unterschrift unter der genannten Bewerbung, für die am 31. Mai 2020 Einsendeschluss war. Bestätigt wurde ihre Unterschrift zudem durch eine interne Mail, die unserer Redaktion ebenfalls vorliegt. Hat sie vielleicht nicht gelesen, was sie da unterschrieben hat? Oder kann sie sich nur nicht mehr daran erinnern?

Zu hinterfragen wäre auch, warum zwei Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung (Namen sind der Redaktion bekannt), die in die Konzeption des Projekts, die Bewerbung und den Kahlschlag involviert waren, das Rathaus inzwischen verlassen haben. Auf Nachfrage teilte Stadtsprecher Alexander Wagner lediglich mit, dass sich die Stadt zu internen Personalangelegenheiten „grundsätzlich öffentlich nicht äußert“.

Aufforstung kostet die Stadt 10.000 Euro

Laut Kreisverwaltung soll das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Stadt wegen des rechtswidrigen Kahlschlags noch vor dem Jahreswechsel abgeschlossen sein. Über die Höhe des Bußgelds wollte man sich noch nicht äußern. Im Raum steht aber eine Summe von bis zu 50.000 Euro.

Auf Gesamtkosten von 10.000 Euro taxierte der Planungschef des Rathauses, Jürgen Engfer, unterdessen die Wiederaufforstungsmaßnahmen, die am Dienstag mit der Neupflanzung von 1300 Jungbäumen, darunter Hainbuche, Bergahorn, Stileiche und Vogelkirsche fortgesetzt worden sind. Von einer „ökologischen Vorzeigefläche“, schwärmte die Bürgermeisterin, der Klimaschutz nach eigenem Bekunden „sehr wichtig“ ist.