Grosshansdorf. Fachkrankenhaus in Großhansdorf baut für 81,4 Millionen Euro Bettenhaus und Forschungszentrum. Der „Turm“ wird abgerissen.

Die LungenClinic Großhansdorf wird für die nächsten vier Jahre zur Großbaustelle. Das einzige Lungenzentrum Schleswig-Holsteins wird für rund 81,4 Millionen Euro nach modernsten Vorgaben von Grund auf umgebaut – bei uneingeschränkt laufendem Betrieb. Voraussichtlich 69 Millionen Euro zahlt das Land Schleswig-Holstein. „Der Zeitplan ist sportlich, aber realistisch“, sagt die Kaufmännische Geschäftsführerin Susanne Quante.

Die international anerkannte Fachklinik für sämtliche Erkrankungen der Lunge und Atemwege versorgt jährlich rund 12.000 Patienten, davon etwa 6500 stationär. „In der Bauphase wird es viel Lärm und Staub geben“, sagt der Ärztliche Direktor Prof. Klaus F. Rabe. „Unser Ehrgeiz wird sein, dass wir trotzdem niemanden abweisen müssen.“

Weitere Pandemien sind für Professor sehr wahrscheinlich

Das Lungenzentrum sei für vernetzte Medizin im Norden zuständig. „Unsere fachliche Expertise wird durch neue technische Möglichkeiten ergänzt werden“, sagt Rabe. Die Klinik biete zusätzliche telemedizinische Leistungen, digitale Zugänge auch für Patienten und moderne Medizintechnik. Davon profitierten alle Fachabteilungen. „Die Krankenhaus-Landschaft wird sich in den nächsten Jahren bis 2030 stark verändern“, so Klaus F. Rabe.

Im Park der LungenClinic Großhansdorf (v. l.): Architekt Markus Kasper (Generalplaner Henke + Partner), Ute Golbach (Gesundheitsministerium), Prof. Klaus F. Rabe (medizinischer Geschäftsführer), Susanne Quante (kaufmännische Geschäftsführerin), Bürgermeister Janhinnerk Voß, Landrat Henning Görtz.
Im Park der LungenClinic Großhansdorf (v. l.): Architekt Markus Kasper (Generalplaner Henke + Partner), Ute Golbach (Gesundheitsministerium), Prof. Klaus F. Rabe (medizinischer Geschäftsführer), Susanne Quante (kaufmännische Geschäftsführerin), Bürgermeister Janhinnerk Voß, Landrat Henning Görtz. © Harald Klix | Harald Klix

Er sei „froh und dankbar“, dass das Landesgesundheitsministerium die finanzielle Förderung beschlossen habe. „Durch Corona ist unser Fach noch einmal stark in den Mittelpunkt gerückt“, so Rabe. „Und es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die letzte Pandemie sein, die wir alle miterleben.“ Es sei der einzig richtige Entschluss, das Ende der 1950er-Jahre errichtete alte Gebäude zu ersetzen.

Zahl der Betten soll um circa 20 Prozent steigen

Zu den aktuell 179 Planbetten sollen noch einmal circa 20 Prozent hinzukommen. Corona hat auch in diesem Punkt die Entwürfe kurzfristig beeinflusst. „Wir kümmern uns noch stärker um Intensiv- und Infektionsbetten“, sagt Susanne Quante. „Zusätzlich werden wir einen eigenen Bereich für unsere Forschungstätigkeiten schaffen.“ Viel Wert werde auf umweltgerechtes Bauen gelegt. Zudem sind Ladestationen für E-Autos und -Räder geplant sowie E-Car- und -Bike-Sharing für Mitarbeiter.

Nach schon vor Jahren gestellten Anträgen und einigen Verzögerungen haben jetzt die Vorarbeiten begonnen. So wurden 69 Tonnen Röntgenbilder in fünf Lastwagen verladen, die noch im Hof stehen. „Als Nächstes werden die Keller geräumt“, sagt Quante. Ab Oktober folgt der Umzug von Mitarbeitern aus den Gebäuden, die abgerissen werden. Die Bagger rücken Mitte Januar 2022 an, um unter anderem den Vortragssaal (das frühere Kino) und den aktuell als Impfzentrum genutzten Trakt abzutragen.

Bettenhaus hat nur noch fünf statt jetzt elf Stockwerke

Im Mittelpunkt des Projektes steht das neue Bettenhaus, das auf dem hinteren Teil des Waldgrundstücks an der Straße Wöhrendamm errichtet wird. Statt ursprünglich 80 müssen dafür nur noch 59 Bäume gefällt werden, für die an anderer Stelle Ersatz gepflanzt wird. Der fünfstöckige Neubau ist deutlich niedriger als der mehr als 60 Jahre alte „Turm“ mit seinen elf Stockwerken. Dieser wird später komplett abgerissen.

Parallel arbeitet der Generalplaner Henke + Partner, der sich bei einer europaweiten Ausschreibung durchgesetzt hatte, an den nötigen Genehmigungen. Die Bauvoranfrage ist gestellt, Ende Oktober soll der Bauantrag fertig sein. Das Besondere sei die Verbindung mit der „unglaublich schönen Parklandschaft und dem Mühlenteich“, sagt Architekt Markus Kasper. „So greifen wir im mittleren Bereich das Segel-Luft-Thema auf.“ Cafeteria und Vortragssaal bieten einen offenen Bereich mit Sitztreppe zum Garten mit den großen Laubbäumen.

Mit rund 450 Beschäftigten der größte Arbeitgeber im Ort

Mit rund 450 Beschäftigten ist die LungenClinic der mit Abstand größte Arbeitgeber in Großhansdorf. Bürgermeister Janhinnerk Voß hebt hervor, dass auch die Gemeindevertretung für das größte Bauprojekt seit Jahrzehnten „in kerniger Arbeit“ viel geleistet habe. In der Waldgemeinde heiße die Klinik gerade bei Älteren nur „die Lunge“. Mit Blick auf die nächsten Jahre sagt Voß: „Die Lunge hat kräftig eingeatmet, jetzt muss sie noch ausatmen und den Neubau auf den Weg bringen.“

Im Zuge der Gespräche habe er sich immer wieder dabei ertappt, dass er die Wir-Form verwendete, obwohl die Gemeinde am eigentlichen Bau überhaupt nicht beteiligt ist. „Dies zeigt die besondere Verbundenheit zwischen Klinik und Gemeinde, die seit Jahrzehnten besteht und ständig gelebt wird“, sagt Voß.

Landrat spricht vom „Leuchtturm“ für den Kreis Stormarn

Auch Landrat Henning Görtz betont die gute Kooperation der Beteiligten auf allen Ebenen. Die Krankenhausleitung habe mit ihrem Engagement alle Stellen von dem vorbildlichen Projekt überzeugt. „Das ist für den Kreis Stormarn ein echter Leuchtturm“, so Görtz.

Ute Golbach, Referatsleiterin im Gesundheitsministerium, überbrachte die Grüße von ihrem Minister Heiner Garg (FDP). „Die hohe Bedeutung der LungenClinic ist in der Pandemie noch gewachsen“, so Golbach. So gehört Prof. Rabe zum Expertengremium, das die Landesregierung zu Corona berät.

Vorläufer der LungenClinic war eine im Dezember 1900 eingeweihte Lungenheilanstalt. Um Tuberkulosekranke mit viel frischer Luft zu behandeln, hatte die Landesversicherungsanstalt (LVA) der Hansestädte ein Teichgrundstück am Wöhrendamm gekauft und ein Genesungsheim mit 50 Betten gebaut. Weil der Andrang groß war, wurde schon kurz nach der Eröffnung des vierstöckigen Hauses eine weitere Station mit 70 Betten errichtet. Nur ein Jahr später folgte am Eilbergweg ein Invalidenheim für erkrankte Männer.

Zunächst betreuten Ärzte aus der Gemeinde die Patienten. Erst 1911 übernahm ein hauptamtlicher Arzt diese Aufgabe.

1917 wurde aus dem Krankenhaus ein Genesungsheim für Kinder. 1938 ging der erste OP-Saal in Betrieb, und damit wurden auch wieder Erwachsene behandelt. Die Kinder zogen an den Eilbergweg um, wo es sogar eine Schule gab.

Tuberkulose wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht konsequent mit Medikamenten kuriert. Die bis zu 165 Kinder, die im Durchschnitt neun Monate blieben, mussten im Bett liegen, um ihre Lungen zu schonen. Einmal am Tag durften sie für eine Stunde Unterricht aufstehen. Schule und Kinderabteilung wurden erst 1970 geschlossen.

Der rasant steigende Tabakkonsum hatte immer mehr Lungenkrebskranke zur Folge. Zwischen 1958 und 1961 errichtete die LVA Hamburg, die 2005 in den heutigen Träger Deutsche Rentenversicherung Nord aufging, die modernste Lungen-Fachklinik Norddeutschlands mit dem weithin sichtbaren elfgeschossigen Bettenhaus. Es wurde von 1990 bis 1992 modernisiert und 2001/2002 noch einmal saniert. 2014 kam ein Trakt mit neuen Operationssälen hinzu.