Hamburg. Junge Menschen können bei Jobsuche wählerisch sein und müssen keine unbezahlten Überstunden machen. Stichwort: „Work-Life-Balance“.

Roland Mack hat große Probleme, neues Personal für seinen Europa-Park in Rust zu finden. Kürzlich schimpfte der 72 Jahre alte Chef des Freizeitparks in der „Basler Zeitung“, dass jüngere Bewerber heutzutage zu hohe Ansprüche hätten. Das Wort „Work-Life-Balance“ bereite ihm Sorgen. Er sagt: „Da kommen 25-Jährige und wollen nur drei Tage arbeiten – dabei haben die das ganze Leben noch vor sich, könnten hier etwas werden, Verantwortung übernehmen, Karriere machen.“

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist dramatisch. In etlichen Branchen fehlen Arbeitskräfte. Die Suche nach Personal lässt so manchen Firmenchef wie Roland Mack verzweifeln. Das verstehe ich. Dennoch ist sein Verständnis von Arbeit nicht mehr zeitgemäß. Der Generation Z – dazu zählen die ab 1997 Geborenen – eilt der Ruf voraus, sich am allermeisten um eine ausgewogene Balance von Arbeit und Leben zu sorgen. Abfällig wird ihr nachgesagt, faul zu sein und am liebsten nur noch in Teilzeit arbeiten zu wollen, um abends den Yogakurs nicht zu verpassen. Wochenendarbeit lehnt sie ab. Homeoffice sollte Normalität sein.

Arbeitsmarkt: Junge Menschen kennen ihren Wert

Mit fast 30 gehöre ich dieser ganz jungen Generation nicht mehr an. Jugendforscher bezeichnen mich als „Millennial“. Ich bin Mitglied der sinnsuchenden Generation Y, die überfordert von den ganzen Auswahlmöglichkeiten dieser Welt ist. Keine Generation lässt sich geschlossen in eine Schublade stecken. Dennoch glaube ich, dass die Jüngsten, die gerade frisch auf den Arbeitsmarkt drängen, vieles besser machen als wir Millennials. Denn sie kennen ihren Wert.

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Viele meiner Generation in meinem Umfeld waren einfach nur froh, einen Job gefunden zu haben, nachdem sie ihr Studium oder ihre Ausbildung abgeschlossen hatten. Sie unterschrieben mies bezahlte Verträge – und waren auch noch dankbar. Hauptsache, sie wurden eingestellt – wenn auch nur befristet. Ohne mit der Wimper zu zucken, nahmen sie unbezahlte Überstunden in Kauf. Sie haben gelernt, dass es für Mehrarbeit nicht zwangsläufig mehr Anerkennung gibt. Überstunden werden in vielen Berufen vorausgesetzt. Dort fallen Mitarbeiter negativ auf, wenn sie ihre 40-Stunden-Woche einhalten.

Eine Arbeitsmoral die krank macht

In meinem Freundeskreis gibt es Menschen, die noch nicht einmal 30 und schon ausgebrannt sind. Diagnose: Burn-out. Nächster Aufenthalt: Klinik. Die Generation Z hat von Anfang an erkannt, dass die Arbeitsmoral, die seit Jahrzehnten gelebt wird, krank machen kann. Der akute Fachkräftemangel spielt ihr in die Karten. Sie muss sich nicht mehr alles bieten lassen und darf sich erlauben, anspruchsvoll zu sein. Natürlich sollten die Vorstellungen nicht ins Unrealistische abdriften. Wer drei Tage arbeitet, verdient in der Regel nicht das Gehalt eines Topmanagers. Aber sein Privatleben genauso zu priorisieren wie seinen Job sollte heutzutage in Bewerbungsgesprächen kein Ausschlusskriterium mehr sein. Das Leben fängt nicht erst mit Beginn der Rente an.

Immer mehr Unternehmen ist bewusst, dass sie ihre Attraktivität steigern müssen, um neue Arbeitskräfte für sich zu begeistern. Einige experimentieren zum Beispiel mit einer Viertagewoche bei gleicher Bezahlung. Viele stellen dabei fest, dass ihre Mitarbeiter nicht nur zufriedener, sondern auch produktiver sind. Sie leisten mehr, obwohl sie weniger arbeiten. Teilzeit bedeutet nicht gleich Faulheit.

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Belgiens Regierung hat beschlossen, dass sich Angestellte ihre Arbeitszeit auf vier oder fünf Tage flexibel aufteilen können. Wer also bei einer 40-Stunden-Woche nur vier Tage arbeiten möchte, leistet täglich zehn Stunden ab. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv fänden es 71 Prozent der Befragten gut, wenn Deutschland das „belgische Modell“ übernehmen würde. Längst sind es nicht mehr nur die Jungen, die auf eine Work-Life-Balance gesteigerten Wert legen.

Natürlich: Bei den steigenden Kosten können es sich die wenigsten leisten, nur drei Tage zu arbeiten. Eine sinnvolle Lösung könnte sein: sich einen Job zu suchen, der einen so erfüllt, dass Arbeit sich nicht wie verschwendete Zeit anfühlt. Zumindest damit stimmt Europa-Park-Chef Roland Mack überein. Er sagt, dass sein Park wie eine „halbe Droge“ für ihn sei. Er habe sein ganzes Leben keine Hobbys aufgebaut, weil sein Hobby seine Arbeit sei.