Bei den Special Olympics in Berlin geht es nicht nur ums Siegen. Was man von behinderten Sportlern lernen kann.

„An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit“ – der Song von den Toten Hosen wurde schon auf etlichen Hochzeiten, Hauspartys oder zu später Stunde in Kiezkneipen gespielt und mitgegrölt. Für manche hat sich der Klassiker abgenutzt. Ich habe den Text selten so inbrünstig mitgesungen wie vor gut zwei Wochen bei der Eröffnungsfeier der Special Olympics im Stadion An der Alten Försterei in Berlin. In meinem Leben war ich schon bei vielen Sportveranstaltungen dabei – als Fan, Reporterin und Sportlerin. Aber die Emotionen, die ich bei den Nationalen Spielen fühlen durfte, sind mit keinem bisherigen Sporterlebnis vergleichbar.

Special Olympics ist die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Vor vier Jahren bin ich das erste Mal mit den Wettbewerben in Kontakt gekommen. Für das Abendblatt berichtete ich regelmäßig über die Athletinnen und Athleten der Norderstedter Werkstätten. Ihre unglaubliche Lebensfreude hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Damals fragte ich mich, warum ich als Sportfan noch nie zuvor etwas von den Special Olympics gehört hatte – obwohl die Organisation mit mehr als fünf Millionen Athleten weltweit in über 170   Ländern vertreten ist. Nun durfte ich den Geist der Spiele selbst als Sportlerin erleben. Die Veranstaltung vermittelt ein Lebensgefühl, das so bereichernd ist, dass ich es an dieser Stelle gerne teilen möchte.

Nach eineinhalb Jahren im Training nun das große Doppel

Für das Team Norderstedt bin ich mit meinem Tennispartner Christian im Unified Mixed Doppel in Berlin angetreten. Unified bedeutet einheitlich. Ein Mensch mit und ein Mensch ohne Behinderung bilden ein Team. Es wird streng darauf geachtet, dass beide Partner gleichwertig spielen. Ansonsten droht die Disquali­fikation. „Einzel mit Behinderung“ sind nicht gewollt. Eineinhalb Jahre haben Christian und ich auf dieses Ereignis hintrainiert. In dieser Zeit sind wir nicht nur als Doppelpartner zusammengewachsen. Wir sind Freunde
geworden. Wenn ich krank bin, ruft Christian mich jeden Tag an und erkundigt sich nach mir. Bei Punktspielen mit meiner Mädels-Mannschaft steht er am Rand und feuert uns an. Für uns war es das Allergrößte, gemeinsam zu den Special Olympics zu fahren.

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Zwar geht es wie bei allen Wettkämpfen auch hier ums Siegen. Jeder möchte gerne eine Medaille mit nach Hause bringen – aber ich habe noch nirgendwo eine so aufrichtige und ehrliche Freude füreinander erlebt. Das Team Norderstedt bestand aus 14 Sportlern aus den Bereichen Leichtathletik, Radfahren und Tennis. Jeden Abend kamen wir als Gruppe zusammen und berichteten von unserem Tag an den verschiedenen Sportstätten. Wenn ein Athlet sich über seine um zwei Sekunden verbesserte Zeit beim Radrennen freute, wurde die Leistung gemeinsam bejubelt. Ein fünfter Platz wurde genauso gefeiert wie eine Goldmedaille.

Gönnen zu können ist eine wunderbare Eigenschaft

Ich habe das Gefühl, dass es vielen Menschen ohne Behinderung oft schwerer fällt, sich von Herzen für andere zu freuen. Sie vergleichen sich, fühlen sich minderwertig, wenn andere etwas besser können als sie. Im „emotion Magazin“ habe ich neulich einen schönen Satz gelesen: „Wir müssen nicht das Licht anderer ausknipsen, um selbst stärker zu leuchten – im Gegenteil!“ Gönnen zu können ist eine wunderbare Eigenschaft, die man bei den Special Olympics erlernt.

Bei den Tennis-Wettbewerben haben jedenfalls die Unified Partner den ungesunden Ehrgeiz mit auf den Platz gebracht. Eine Mutter meckerte ihren geistig beeinträchtigten Sohn an, wenn er Bälle verschlug. Was für ein Geschenk es ist, gemeinsam mit ihm an so einer Veranstaltung teilnehmen zu können, hat sie in diesen Momenten wohl vergessen.

Ein ganz besonderer Augenblick war, als uns die Betreuerin der Leichtathleten auf der Tennisanlage anrief. Sie erzählte uns, dass Franz und Dieter von unserem Norderstedter Team Gold im Sprint geholt haben – was Christian und mir auch im Tennis glückte. Meinem Vater, der uns als Coach nach Berlin begleitete, und mir standen die Tränen in den Augen. Diese Menschen sind so besonders, schenken anderen so viel Lebensfreude, dass sie alles Glück dieser Welt verdient haben. Ich kann nur jedem empfehlen, Special Olympics zu erleben. Nächstes Jahr finden die Weltspiele in Berlin statt. 7000 Sportler aus knapp 200 Ländern werden erwartet.