Travenbrück. Die Experten werden etwa zur Personensuche angefordert. Der Kreis ist damit Vorreiter. Wie das Gerät die Arbeit der Retter erleichtert.
Das leise Surren der Rotoren wird langsam lauter, als die Drohne über den Übungsplatz in Travenbrück bei Bad Oldesloe heranschwebt. Niklas Scheld ist hochkonzentriert. In seinen Händen hält der 20-Jährige eine Fernbedienung, die ob ihrer beiden Joysticks entfernt an einen sehr großen Videospiele-Controller erinnert. Daran befestigt ist ein kleines Display, das es Scheld ermöglicht, in Echtzeit zu verfolgen, was die Kamera der Drohne gerade aufnimmt.
Stormarns Drohneneinheit trainiert in Travenbrück für den Einsatz
Einige Meter entfernt steht Patrick Ulka. Auch der 41-Jährige ist auf die Fernbedienung in seinen Händen fokussiert. Die beiden Männer müssen sich perfekt abstimmen. Denn während Ulka die Drohne fliegt, steuert Scheld die Kamera. „Da muss man schon gut zusammenarbeiten, damit im entscheidenden Moment nicht plötzlich ein Bein von der Drohne im Bild ist“, sagt Scheld.
Der Technischen Einsatzleitung gehören Mitglieder verschiedener Organisationen an
Die beiden Männer gehören der Technischen Einsatzleitung (TEL) des Kreises Stormarn an. Im Katastrophenfall und bei größeren Rettungseinsätzen wird die Einheit, die ihren Sitz beim Kreisfeuerwehrverband in Travenbrück hat, aber formell dem Katastrophenschutz untersteht, zusätzlich zu Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei alarmiert. Sie übernimmt dann die operative und taktische Führung der Einsatzkräfte vor Ort. „Der TEL gehören Kräfte verschiedener Rettungsorganisationen an“, sagt deren Leiter Stephan Korffmann, „etwa der Freiwilligen Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks, aber auch der DLRG und des Roten Kreuzes.“
Dieses Jahr wurde die Einheit bereits zehnmal angefordert
Seit mittlerweile zwei Jahren verfügt die TEL über eine eigene, 15 Personen starke Drohneneinheit und ist damit Vorreiter in der Region. Das Einsatzspektrum ist breit. „Wir nutzen die Drohne bei Personensuchen, bei Brandeinsätzen, aber auch bei der Höhenrettung, zur allgemeinen Lageerkundung im Krisenfall und zur Ausleuchtung eines Einsatzortes“, sagt Korffmann. Zehnmal wurde das Gerät in diesem Jahr bereits angefordert. Zuletzt half die Drohneneinheit Mitte Mai bei der Suche nach einem vermissten Hamburger im Sachsenwald. Bei einem Brand gehe es meist darum, verborgene Glutnester zu finden und Gebäude aus der Nähe zu erkunden, denen sich die Feuerwehrleute etwa wegen akuter Einsturzgefahr nicht nähern könnten. „Zum Beispiel waren wir im Mai 2020 vor Ort, als in Lauenburg bei der Chemiefirma Worlée ein Großfeuer ausgebrochen war“, sagt Korffmann. „Die Fabrik war so stark ausgebrannt, dass es nicht mehr möglich war, sie zu betreten.“
Die Drohne ist mit einer optischen und einer Wärmebildkamera ausgerüstet
Insgesamt verfügt die Technische Einsatzleitung über drei Drohnen: Zwei kleinere, wovon eine ausschließlich zu Übungszwecken genutzt wird, und ein großes Gerät. Bei letzterem handelt es sich um einen Quadrocopter des Typs DJI Matrice M210 V2, eines der besten Modelle auf dem Markt mit einem Wert von rund 9000 Euro. Die Drohne ist etwa 80 Zenitmeter bereit und 30 Zenitmeter hoch und mit zwei Akkus ausgestattet. Darüber hinaus verfügt das Gerät über zwei Kameras, eine optische mit dreißigfachem Zoom für die Sicht bei Tag und eine Wärmebildkamera für den Einsatz im Dunkeln sowie einen Scheinwerfer.
Um fliegen zu können, sind umfangreiche Schulungen nötig
Rund sechs Kilogramm bringt die DJI Matrice auf die Waage, erreicht dennoch Fluggeschwindigkeiten von mehr als 70 Stundenkilometern. Bis zu 24 Minuten kann sie ohne Unterbrechung in der Luft sein, dabei in Entfernungen von bis zu acht Kilometer vom Piloten operieren. „Dazu gibt es mehrere Akkus zum Wechseln, damit die Drohne dauerhaft einsatzbereit ist“, sagt Korffmann. Um das komplexe Gerät fliegen zu können, haben die Mitglieder der TEL umfangreiche Schulungen absolviert. „Alles zusammengerechnet waren das mehr als 1200 Mannstunden“, sagt der 48-Jährige.
Mindestens fünf Personen sind für einen Einsatz erforderlich
„Nach einem halben Jahr Lehrgang wurden wir direkt am ersten Tag, als wir einsatzbereit waren, angefordert“, erinnert sich der Chef der TEL. „Es war eine Personensuche in Trittau.“ Fünf Personen sind mindestens beteiligt, wenn die Drohne zum Einsatz kommt. „Ein Pilot und ein Kameraoperator, die die Drohne unmittelbar steuern“, erklärt Korffmann, „und dazu eine Person, die zur Koordination bei der Einsatzleitung ist, eine Person an der Einsatzstelle der Drohne und ein Techniker, etwa für den schnellen Austausch der Akkus.“ Ist gleichzeitig ein Hubschrauber am Einsatzort, gebe es zusätzlich einen Luftraumbeobachter, der im Blick habe, dass es zu keinen Kollisionen komme. Schließlich könne die DJI Matrice in einer Flughöhe von bis zu 120 Metern eingesetzt werden.
Die Piloten benötigen auch Kenntnisse im Luftfahrtrecht und in der Meteorologie
„Gute Absprache ist essenziell“, sagt Christian Kosbab, Gruppenführer der Drohneneinheit. Es gebe vieles zu beachten. „Die Ausbildung ist auch deshalb so umfangreich, weil es nicht ausreicht, wenn man das Gerät fliegen kann“, so der 40-Jährige. „Es gehört auch viel Theorie dazu, zum Beispiel Luftfahrtrecht, meteorologische Grundkenntnisse und technisches Know-how.“ Werde die Drohne zur Unterstützung angefordert, gelte es erstmal zu prüfen, ob ein Einsatz am Unglücksort überhaupt möglich sei. „Wir haben eine Checkliste zur Risikobewertung, die wir schon während der Anfahrt abarbeiten, damit es vor Ort schnell geht“, erklärt Kosbab.
Die Sonnenstrahlung kann den Kompass stören
Wie ist das Wetter? Gibt es Stromleitungen oder andere Flugobjekte, mit denen die Drohne Gefahr liefe, zu kollidieren? Befindet sich der Einsatzort in einer Einflugschneise des Hamburger Flughafens? All das gelte es vorab zu klären. „In letzterem Fall müssen wir Kontakt zum Tower aufnehmen und den Einsatz melden, sonst riskieren wir, den gesamten Luftverkehr lahmzulegen, wenn ein Pilot plötzlich die Drohne vor sich hat“, sagt der 40-Jährige. Beim Wetter komme es zum einen auf die Niederschlagsmenge an. „Bei leichtem Regen können wir fliegen, bei Starkregen auf keinen Fall.“ Der andere entscheidende Faktor sei der sogenannte Kp-Index, der die solare Teilchenstrahlung angebe, die von der Sonne auf die Erde treffe. „Er misst gewissermaßen die Sonnenstürme“, erklärt Kosbab. „Das ist so wichtig, weil ihre magnetische Wirkung den Kompass stören kann.“ Im schlimmsten Fall stürze die Drohne dann ab.
Die Aufnahmen werden in das Einsatzfahrzeug übertragen
Alle Bilder, die die DJI Matrice aufnimmt, kann der Gruppenleiter auf einem Monitor im Einsatzfahrzeug in Echtzeit verfolgen. „Dadurch kann ich den Einsatz koordinieren und die Erkenntnisse schnell an die anderen Kräfte vor Ort weitergeben“, sagt der 40-Jährige. Im Ernstfall tausche das Team die Positionen regelmäßig durch. „Wir machen zwei Akkuladungen je 24 Minuten, dann wechseln wir.“ Denn auch wenn es einfach aussehe, erfordere die Steuerung der Drohne höchste Konzentration. „Wenn man unaufmerksam wird, passieren schnell Fehler“, sagt Kosbab.
Die Einheit trainiert alle zwei Wochen zweieinhalb Stunden
Um in Übung zu bleiben, müssen die Mitglieder der Drohneneinheit alle zwei Wochen trainieren. „Meist sind es Übungseinheiten von zweieinhalb Stunden“, sagt Kosbab. Im Schnitt ist die DJI Matrice inzwischen zweimal im Monat im Einsatz, nicht nur in Stormarn, sondern auch im Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg und in Lübeck. „Interesse gibt es auch in Neumünster“, sagt Kosbab. Für Stormarn habe sich die Anschaffung in jedem Fall gelohnt und mache die Einsatzkräfte im Krisenfall an entscheidenden Stellen flexibler. „Und das macht es für uns alle ein Stück sicherer.“