Barbüttel. Vorwerker Diakonie verliert Pflegekräfte und beendet Verträge mit 30 Kunden. Seniorenbeirat übt Kritik und hat Sorge um Projekt.

Bei Christine König, Margarete Hoffmann und Monika Lontke herrscht blankes Entsetzen. Die drei Damen gehören dem Seniorenbeirat an, fungieren als Sprachrohr für 3964 Barsbütteler, die älter als 60 Jahre sind. Ihr Groll zielt auf die Vorwerker Diakonie, dem Betreiber der Sozialstation. Die gemeinnützige GmbH mit Hauptsitz in Lübeck hat den Umfang der ambulanten Pflege in der Gemeinde reduziert, Kunden wurde gekündigt. Menschen in den Ortsteilen Stellau, Willinghusen und Stemwarde werden derzeit nicht mehr bedient. Zudem sind Bürozeiten heruntergefahren.

Zuerst hat sich König des Themas angenommen. Die 73-Jährige ist seit 2018 im Seniorenbeirat. Sie sagt: „Ich wurde darauf aufmerksam durch einen Hinweis aus Stellau. Vor der Hauseingangstür älterer Leute hatte sich das Essen eines Lieferdienstes gestapelt. Da bin ich der Sache nachgegangen.“ Sie kontaktierte die in Barsbüttel aktiven Pflegedienste. Auf ihrer Liste sind acht vermerkt, sie kommen auch aus Hamburg. Die Ehrenamtlerin habe versucht, Verantwortliche der Vorwerker in der Sozialstation am Waldenburger Weg anzutreffen. Das Büro sei jedoch unbesetzt gewesen. Per Telefon sei sie dann erfolgreich gewesen. Man habe ihr Kündigungen bestätigt.

Inzwischen sind nur noch vier Pflegefachkräfte im Einsatz

So wirbt die Vorwerker Diakonie auf ihren Fahrzeugen um neue Mitarbeiter in Barsbüttel.
So wirbt die Vorwerker Diakonie auf ihren Fahrzeugen um neue Mitarbeiter in Barsbüttel. © Unbekannt | René Soukup

Daraufhin setzte die zweite stellvertretende Vorsitzende des Beirats die Fraktionsspitzen sowie die Verwaltung in Kenntnis. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man es stillschweigend so hinnimmt.“ König berichtet, sie habe aber nur eine Rückmeldung auf ihre Rundmail bekommen mit den Worten „Vielen Dank für die Information“. Bürgermeister Thomas Schreitmüller sagt auf Anfrage dieser Redaktion: „Ich werde nachfragen. Aber letztlich ist es eine unternehmerische Entscheidung.“

In der Tat haben Verwaltung und Politik keine Möglichkeit der Einflussnahme. Was König aber auch ärgert, schildert sie so: „Andere Pflegedienste hätten eine Übergabe mit Absprachen gemacht. Ich habe sie alle abgefragt.“ Soll heißen: Die Vorwerker Diakonie hätte sich ihrer Meinung nach um Ersatz für die Gekündigten kümmern sollen. Margarete Hoffmann erzählt wiederum von Menschen, die mit der Betreuung unzufrieden gewesen seien. „Einige haben von sich aus den Anbieter gewechselt. Der Ruf der Sozialstation hat jedenfalls gelitten.“

Laut Vorwerker sind Verträge mit 30 Personen in Barsbüttel gekündigt worden. Als Gründe nennt die Diakonie Fachkräftemangel und Personalverlust. „Vor einiger Zeit haben Mitarbeitende das Beschäftigungsverhältnis beendet. Das war ein Schlag für uns“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Früher seien 14 Kräfte inklusive Leitung vor Ort gewesen, inzwischen nur noch vier. Jüngst konnte das Unternehmen eine weitere Pflegespezialistin gewinnen, die in Kürze ihren Job antreten wird. „Es ist unser Ziel, in Barsbüttel wieder aufzubauen und Menschen in allen Ortsteilen zu helfen“, so die Sprecherin.

Kirche gab Trägerschaft 2018 ab und vermietet Räume

Das Büro der Sozialstation am Waldenburger Weg ist meistens geschlossen.
Das Büro der Sozialstation am Waldenburger Weg ist meistens geschlossen. © René Soukup | René Soukup

Im Zuge der Umstrukturierung ist Barsbüttel jetzt der Sozialstation Kröppelshagen-Fahrendorf zugeordnet. Man versteht sich als eine Einrichtung mit zwei Standorten. Die Leiterin hält sich vornehmlich im Kreis Herzogtum Lauenburg auf, hat einen festen Tag in der Woche, an dem sie im Barsbütteler Büro Besuchszeit hat. Außerdem ist nach Vorwerker-Angaben täglich von 11 bis 12 Uhr eine Fachkraft am Waldenburger Weg anzutreffen. Die Räume hat das Unternehmen von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde gemietet.

Jene hatte den Betrieb der Sozialstation 1985 aufgenommen, betreute mehr als 120 Menschen. Am 1. April 2018 gab man die Trägerschaft ab. „Als Kirchengemeinderat müssen wir uns eingestehen, dass es für uns immer schwerer wird, die Verantwortung für den Betrieb des Pflegedienstes so professionell zu gewährleisten, wie es der Markt verlangt“, sagte der damalige Pastor Dino Steinbrink.

Die Diakonie lässt nichts unversucht bei der Personalrekrutierung, sucht mithilfe von Online-Portalen nach Fachkräften und wirbt auf den eigenen Autos. Sie hat in Barsbüttel noch Großes vor – in Kooperation mit der Sparkasse Holstein. Wie berichtet, will das Geldinstitut seine Filiale neben dem Rathaus aufstocken. Den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan hat die Politik gefasst. In dem Gebäude sollen 31 Wohnungen entstehen mit Betreuung der Mieter. Diese Aufgabe übernimmt die Vorwerker Diakonie. Genau das bereitet dem Seniorenbeirat Sorge. Er fürchtet identische Probleme wie bei der Sozialstation. „Deshalb wäre es gut, sich bei dem Projekt auch nach anderen Pflegediensten umzugucken“, sagt Hoffmann. Sie pocht darauf, dass nur Senioren mieten und die Einheiten nicht irgendwann zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden.