Scharbeutz. Birgit Ruland hat im Scharbeutzer Bad als Aushilfe angefangen – und will es in der heiklen Phase nicht verlassen. Die Hintergründe.
Groß, schlank, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden – das Rentenalter ist Birgit Ruland nicht anzusehen. Doch seit Ende letzten Jahres wäre die 66-Jährige im Ruhestand. Wenn es den coronabedingten Lockdown nicht gegeben hätte. Und wenn sie nicht seit fast 25 Jahren mit sehr viel Herzblut in der Ostsee Therme arbeiten würde – davon 20 Jahre in der Leitungsebene und elf als Centermanagerin.
„Wer so intensiv an einem Projekt gearbeitet hat, will auch wissen, wie es weitergeht“, sagt Ruland, die den Wandel der Ostsee Therme vom Familienspaßbad zum Wohlfühltempel mit Wasser-, Sauna- und Fitnessbereich maßgeblich vorangetrieben hat. Im Lockdown in den Ruhestand zu gehen kam für sie daher nicht infrage. „Ich drehe lieber eine Ehrenrunde, um das Schiff wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen.“
Steiler Aufstieg bei Ostsee Therme
Dabei hatte sie von so einem Betrieb überhaupt keine Ahnung, als sie sich 1997 als Kassenaushilfe beworben hatte. Damals war das jüngste ihrer drei Kinder zehn – und die Schriftsetzerin, deren Vater in Ahrensburg das Abendblatt druckte und die vor der Familiengründung in der Travemünder Druckerei ihres Großvaters gearbeitet hatte, suchte einen Job.
Schnell gelangte sie von der Kasse ins Marketing, wo ihre Hauptaufgabe darin bestand, den Werbeflyer zu verteilen. Schon das tat sie mit vollem Engagement. „Weil die Zahl pro Jahr im sechsstelligen Bereich lag, bekam ich sogar ein Dienstauto.“ Nur drei Jahre später war sie stellvertretende Anlagenleiterin, 2009 stieg sie zur Chefin auf – unterstützt von der Familie Stork, der die Therme und das angegliederte Hotel Gran BelVeder gehören.
„Wir haben in den Corona-Zeiten viel investiert“
Mittlerweile beschäftigt Ruland 80 Mitarbeiter und rund 40 Aushilfen; geöffnet ist jeden Tag bis auf Heiligabend. Vor Corona kamen pro Jahr eine halbe Million Besucher, in der Hauptsaison durchschnittlich 2500 Besucher pro Tag. Seit der Wiedereröffnung am 1. Juli dürfen wegen der Coronabeschränkungen maximal 600 Gäste ins Bad. Die müssen die Abstands- und Hygieneregeln beachten, bekommen aber auch viel Neues geboten.
„Wir haben in den Corona-Zeiten viel investiert“, so Centermanagerin Ruland. So gibt es jetzt einen weiteren Ruheraum mit Ostseeblick und eine neue 95-Grad-Sauna für bis zu 70 Gäste, in der aktuell jedoch nur 19 erlaubt sind. Um möglichst vielen Menschen einen Besuch zu ermöglichen, wurde die Aufenthaltsdauer auf maximal vier Stunden gekürzt.
An die Wartenden werden Süßigkeiten verteilt
Die Besucher schreckt das nicht ab. Im Gegenteil. Jeden Tag bilden sich vor dem Eingangsbereich lange Schlangen. Damit die Abstände eingehalten werden, haben Ruland und ihr Team Markierungen auf den Asphalt gemalt – und Hüpfspiele für Kinder, damit sie sich nicht langweilen. „Außerdem verteilen wir Süßigkeiten, um die Wartezeit zu verkürzen“, sagt sie. Und wer noch keinen Corona-Test hat, kann ihn direkt vor Ort machen lassen: Die Ostsee Therme stellt dafür Räume und medizinisch geschulte Mitarbeiter zur Verfügung.
Nicht nur den Gästen – auch ihren Mitarbeitern ist Ruland extrem zugewandt. Während sie nach dem Gespräch in ihrem Büro durch die 14.000-Quadratmeter-Anlage führt, begrüßt sie jeden aus ihrem Team mit Namen und ein paar freundlichen Worten. „Menschen sind das Wichtigste in einem Unternehmen, das Service und Dienstleistungen anbietet“, sagt sie überzeugt. Durch die Devise „fördern und fordern“ hat sie im Kollegenkreis auch ihre Nachfolgerin gefunden, die – ähnlich wie sie selbst damals – nicht damit gerechnet hätte, mal Centermanagerin zu werden.
Ostsee Therme bewarb sich für Modellregion
Fast jeder Wasser- und Wellnessbereich, durch den wir gehen, wurde unter Rulands Ägide (um)gestaltet oder modernisiert: der Shop, in dem man von der Quietschente bis zum Bikini alles rund ums Schwimmen kaufen kann, das Fitnessstudio für die etwa 1000 Mitglieder, der Babybereich mit seinen Rutschen und der Dünenlandschaft, die MeerBar mit Rund-um-Blick auf der Galerie, das Salinarium mit behaglichem Ambiente, das Dünenhaus mit Panoramasauna, das Saunahaus mit Ruhe- und Loungebereich, der 2019 gestaltete luxuriöse SpaBereich mit Textilsauna und grandiosem Ostseeblick, und die Gastronomie, die statt der typischen Schwimmbadverpflegung heute auch vegetarische Speisen und Gerichte aus dem Wok anbietet.
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Besonders froh über die Wiedereröffnung ist Birgit Ruland, weil sich die Ostsee Therme im Mai vergeblich als Projekt für die Modellregion Lübecker Bucht beworben hatte. „Bäder und Saunen galten zunächst durch Aerosolaustausch als bedenklich, obwohl Experten sagen, dass Viren Wärme und Chlor nicht überleben“, sagt die Chefin.
Chefin verlässt Ostsee Therme Ende des Jahres
Wieder im Büro, zeigt sie einen Stapel mit Post-its gespickter Papiere: die aktuelle Corona-Verordnung von Schleswig-Holstein, die sie regelmäßig durcharbeitet, um notfalls ihr Konzept anzupassen. Und wann geht sie nun in Rente? „Ende des Jahres“, sagt sie. „Wenn alles gut geht und uns nicht eine Virusmutation dazwischengrätscht.“