Stapelfeld. 700 Mitglieder, ausgelastete Halle, aber keiner will Vorsitzender werden: Stapelfelds Schwimmverein ist wohl bald handlungsunfähig.

Peter Frodeno und seine Sportsfreunde haben sich an diesem Morgen in der Schwimmhalle in Stapelfeld versammelt. Der Ort, an dem die meisten Rentner aus der Gruppe seit mehr als 30 Jahren aktiv sind und sich fit halten. Sie gehören dem Verein Schwimmfreunde an, der 1980 gegründet wurde und rund 700 Mitglieder zählt. Die Senioren sorgen sich um die Zukunft der Organisation. Womöglich können sie demnächst hier nicht mehr ihre Bahnen ziehen. Der Verein steht vor dem Aus.

Es ist eine verzwickte Situation. Rückblick: Auf der Jahreshauptversammlung am 21. September treten die Vorsitzende Susanne Stricker und ihre Stellvertreterin nicht zur Wiederwahl an. Nachfolger? Fehlanzeige. 31 Personen sind anwesend. Es gibt zwar nach wie vor einen Schriftführer sowie einen Kassenwart. Allerdings bedarf es eines Vorsitzenden oder Stellvertreters, um handlungsfähig zu bleiben. Die beiden Frauen sind nur noch kommissarisch im Amt bis 31. Dezember dieses Jahres. Der Vorstand wurde übrigens entlastet.

MVA-Betreiber zahlt jedes Jahr für Instandhaltung

Die Schwimmhalle befindet sich auf dem Gelände der Müllverbrennungsanlage (MVA), Teile des Gebäudes sind im Eigentum der Gemeinde, die das vormals betriebseigene Freibad vor vielen Jahren für 600.000 Mark zum Hallenbad gemacht hat. MVA-Betreiber EEW Energy from Waste hat einen Kontrakt mit der Kommune bis Ende 2023, beide zahlen sich gegenseitig 18.500 Euro im Jahr, darüber hinaus stellt das Unternehmen per anno 10.000 Euro für die Instandhaltung bereit, hat nach eigenen Angaben von 2019 bis jetzt 60.700 Euro beigesteuert. Stapelfeld wiederum hat einen Nutzungskontrakt mit dem Verein, der für Neuerungen am Gebäude wie zum Beispiel ein besseres Dach zuständig ist. Es gibt einen erheblichen Sanierungsstau.

Das Hallenbad auf dem Gelände der Müllverbrennungsanlage ist sanierungsbedürftig. 
Das Hallenbad auf dem Gelände der Müllverbrennungsanlage ist sanierungsbedürftig.  © Unbekannt | René Soukup

Die nötige Renovierung können die Schwimmfreunde nicht finanzieren. Rücklagen sind nahezu aufgebraucht. Nach Information unserer Redaktion haben sich Verbindlichkeiten von mehr als 20.000 Euro angehäuft. Ehrenamtliche Vorstände haften persönlich. Der Verein ist vor Kurzem an die Gemeinde herangetreten, will aus dem Vertrag Ende Dezember raus. Es wäre das Ende.

Peter Frodeno ist entsetzt. Der 71-Jährige lebt in der 1800 Einwohner zählenden Gemeinde, sagt: „Es geht um unsere Beweglichkeit, viele haben Rückenbeschwerden. Der große Vorteil ist, dass das Wasser 29 Grad hat.“ So sieht es auch Hilde Geart (81), die vor Corona täglich von 7 bis 8 Uhr geschwommen ist. Derzeit dürfen die Senioren erst am Nachmittag ins Bad. Sie sagen, so früh am Morgen könne der Verein keine Aufsicht stellen, die Hygiene-Regeln kontrolliere. Stapelfelder zahlen pro Jahr 120 Euro Beitrag, Mitglieder aus anderen Stormarner Kommunen oder Hamburg 150 Euro.

In der Pandemie sind die Einnahmen weniger geworden, auch wegen des Ausfalls von Kursen. Und vor zwei Jahren waren es noch 100 Mitglieder mehr. Susanne Stricker sagt im Rückblick auf die Geschehnisse seit dem ersten Quartal 2020: „Ich habe die schlimmste Zeit meines Lebens gehabt.“ Sie berichtet von Anfeindungen, Mitglieder hätten die 55-Jährige bepöbelt. Sie sei sogar angespuckt worden. Solche Vorgänge haben Stricker dazu bewogen, nicht weiter zu machen als Vorsitzende des Vereins, den sie seit nunmehr 18 Jahren führt. Grund für den Frust von Mitgliedern sind nach ihrer Ansicht die wiederholten Schließungen der Einrichtung. Stricker habe das Gefühl, manch einer mache sie dafür verantwortlich. Seit Juli 2021 ist wieder geöffnet.

Die Rentnergruppe um Frodeno bescheinigt ihr, eine exzellente Schwimmlehrerin zu sein. Elf Stunden pro Woche unterrichtet Stricker Kinder, dazu kommen Einheiten mit Erwachsenen im Wasser. Auch Personal von Zoll und Feuerwehr gehört dazu. Die Triathleten aus Bargteheide nutzen das Bad genauso wie die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG).

Auf 30 bis 40 Stunden beziffert Stricker ihr ehrenamtliches Engagement pro Woche, dafür gibt es eine Aufwandsentschädigung von etwas mehr als 400 Euro im Monat. „Wir sind voll ausgelastet. Schulen aus Großhansdorf und Hoisdorf wollten hier ebenfalls schwimmen, es fehlen die Kapazitäten“, so Stricker. Sieben Übungsleiter stehen ihr zur Seite, 35 Angestellte in Teilzeit für zum Beispiel Technik und Reinigung hat der Verein laut der Vorsitzenden. Das seien vornehmlich Rentner.

Derzeit schwimmen 190 Kinder in Stapelfeld, 300 stehen auf der Warteliste, sagt Stricker. „Für sie wäre es besonders schlimm, wenn es nicht weitergeht.“ Sie fühlt sich im Stich gelassen, hätte sich mehr Unterstützung von Mitgliedern gewünscht. „Und die Zusammenarbeit mit EEW und der Gemeinde ist sehr kräfteraubend.“ Stricker erzählt von Mängellisten, die sie weitergereicht habe und die dann in Schubladen verschwunden seien. Sie sieht die Gemeinde mehr in der Verantwortung. Man merkt ihr während des Gesprächs an, dass sie ihre Aufgaben mit jeder Menge Herzblut erfüllt. Nicht nur einmal fällt der Satz „Warum kann mir nicht mal jemand zur Seite stehen“.

Gemeindevertreter sind geteilter Meinung

In der jüngsten Gemeindevertretersitzung waren Schwimmverein und Hallenverträge Thema im nicht öffentlichen Teil. Wie Stapelfelds Politiker konkret damit umgehen wollen, wissen sie offenbar noch nicht so recht. Einige sollen sich dahingehend geäußert haben, dass es ihnen egal ist, wenn der Verein abgewickelt wird. Andere wollen eine Form von Hilfestellung leisten, berichten verlässliche Quellen. Bürgermeister Jürgen Westphal von der örtlichen Wählergemeinschaft soll mächtig angefressen sein ob der Lage bei den Schwimmfreunden. Er sagt: „Die Verträge werden nicht gekündigt. Alles andere ist Sache des Vereins.“ Konkret heißt das: Der Bürgermeister hofft, dass sich noch in diesem Monat eine Person findet, die sich zum Vorsitzenden oder Stellvertreter wählen lässt. Sonst sieht es düster aus. Für Peter Frodeno und seine Freunde ist es ausgeschlossen, solch einen Posten zu übernehmen. Dazu haben sie nicht mehr die Kraft, sagen die Senioren unisono.