Bad Oldesloe. 23 Betreiber dürfen grünen Strom weder selbst verbrauchen noch ins Netz einspeisen. Amazon-Lager verzichtete ganz auf Installation.

Seit einem Jahr scheint die Sonne auf die neue Fotovoltaikanlage von Christian Herzmann aus Bad Oldesloe. Energie produziert haben die Solarmodule auf seinem Dach noch nicht, obwohl die Anlage technisch einwandfrei funktioniert. Der Arzt darf den grünen Strom weder selbst verbrauchen noch ins Netz einspeisen. Der Grund ist das Umspannwerk, dass die Netzschwankungen offenbar nicht verträgt.

Christian Herzmann ist einer von 23 Anlagenbetreibern in der Stadt, die sich im Vorjahr Solarmodule angeschafft haben und ihren Strom trotzdem noch teuer einkaufen müssen. Der Betreiber des Umspannwerks hat ein Betriebsverbot für Neuanlagen ausgesprochen.

Hausbesitzer haben Interessengemeinschaft gegründet

Die 23 Hausbesitzer haben inzwischen die Interessengemeinschaft Fotovoltaik Bad Oldesloe gegründet. Sie sehen einen Verstoß gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz, nach dem Strom aus regenerativen Quellen vorrangig eingespeist werden muss. Das passiert in der Kreisstadt derzeit offenbar nicht.

„Mit dem Betriebsverbot verstößt die Vereinigte Stadtwerke GmbH gegen das geltende Gesetz, das den Ausbau erneuerbarer Energien fördern soll“, sagt Christian Herzmann. Die Betroffenen hatten ihre Anlagen in dem Glauben in­stallieren lassen, dass das veraltete Umspannwerk rechtzeitig ertüchtigt wird. Doch das ist nicht passiert. Seit Juli 2020 wird das Umspannwerk von der TraveNetz AG betrieben, zuvor von der Schleswig-Holstein Netz AG.

Problem ist offenbar seit 2018 bekannt

„Es ist seit mindestens 2018 bekannt, dass zusätzliche Kapazitäten benötigt werden“, sagt Christian Herzmann. Damals seien Oldesloer Windkraft-Vorranggebiete im Regionalplan des Landes ausgewiesen worden. Dort planen die Stadtwerke einen Windpark, der ebenfalls über das Umspannwerk laufen soll. Auch das Logistikzentrum von Amazon sollte eine große Fotovoltaikanlage erhalten, die jedoch nicht errichtet wurde, weil das Umspannwerk nicht bereit war.

Mit öffentlichen Geldern wurden zudem Gebäude wie das der Klaus-Groth-Schule mit Solarmodulen ausgestattet, die derzeit nicht genutzt werden können. Zunächst hatte die Interessengemeinschaft Kontakt mit der TraveNetz AG aufgenommen. Das Unternehmen verwies an die Vereinigten Stadtwerke als Vertragspartner. Der Energieversorger ist seitdem in Gesprächen. „Das Unternehmen hat zwar die Zahlung der entgangenen Einspeisevergütung angeboten, der Schaden ist jedoch viel größer“, sagt Herzmann, der gerade einmal 30 bis 40 Euro erhalten würde.

Unternehmen schieben sich Verantwortung gegenseitig zu

Das Problem sei, dass die Anlagen seit einem Jahr ungenutzt seien. Dadurch liefen vor allem die Energiespeicher Gefahr, an Leistung zu verlieren. Für sein Gerät zahlte Herzmann rund 20.000 Euro. Ob der große Akku Schaden genommen hat, ist noch nicht zu sagen. Auf die Ausgleichszahlung verzichtete Herzmann, da dann Schadensersatzansprüche nicht mehr möglich wären.

Die Vereinigten Stadtwerke sehen die Verantwortung für das Problem bei der TraveNetz AG und dem vorigen Betreiber des Umspannwerks, der Schleswig-Holstein Netz AG. „Die Vereinigte Stadtwerke Netz GmbH hat sich um eine bestmögliche Lösung im Sinne der 23 Kunden bemüht“, sagt Unternehmenssprecherin Sabine Sager. Zehn der betroffenen Anlagenbetreiber haben die freiwillige Entschädigung bereits in Anspruch genommen.

Das Angebot sei gemacht worden, „obwohl die Verursacher der Misere auf Seiten der Schleswig-Holstein Netz AG sowie der TraveNetz GmbH, als vorgelagerter Netzbetreiber, zu finden sind“, so Sager. Wenn jemand der Meinung sei, dass das Angebot nicht ausreiche, bleibe der Rechtsweg offen – dann jedoch gegenüber den Verursachern. Auf mehrfache Nachfrage habe TraveNetz den Stadtwerken eigenen Angaben zufolge mitgeteilt, dass eine Einspeisung ab dem 30. Juni 2021 möglich ist, nachdem das Umspannwerk ertüchtigt wurde.