Hamburg. Die Hamburgerin Noma Noha Akugue verliert das Rothenbaum-Finale gegen Arantxa Rus, aber gewinnt die Herzen der Fans - und an Erfahrung.
Am Ende ihrer Traumreise blieb für Noma Noha Akugue eine wichtige Erkenntnis. "Ich weiß jetzt, dass ich das Zeug habe, oben mitzuhalten. Ich habe das Talent dafür und richtig was drauf", sagte die Bundesligaspielerin vom Club an der Alster, nachdem ihr am Sonnabendnachmittag auf dem ausverkauften Center-Court am Rothenbaum, in ihrem Heimatverein, das Happy-End verwehrt geblieben war.
Mit 0:6 und 6:7 (3:7) hatte Akugue das Endspiel der Hamburg European Open gegen die an Position 60 der Weltrangliste geführte Niederländerin Arantxa Rus verloren. 17.590 Euro Preisgeld und 180 Punkte für die Weltrangliste, die sie in der kommenden Woche von Position 207 unter die besten 150 katapultieren werden, waren ihr Lohn. Letzte deutsche Siegerin am Rothenbaum bleibt damit Steffi Graf, die vor 31 Jahren zuletzt triumphierte.
Tennis am Rothenbaum: Erster Satz verkorkst
Es war, so ehrlich muss man sein, ein Finale auf mäßigem Niveau. Aber was hätte man auch mehr erwarten dürfen von einer 19-Jährigen, die inklusive zwei Doppelmatches mit zwölf Stunden Tennis auf für sie ungewohntem Level im Körper in ihr erstes Finale auf der WTA-Tour ging? Und von einer 32-Jährigen, die zwar im Herbst ihrer Karriere ihre beste Saison spielt, aber außer grundsolidem Tennis und der Erfahrung, in kritischen Momenten die Ruhe zu bewahren, keine besonderen Waffen vorzuweisen hat?
Nach einem nach 24 Minuten vollkommen verkorksten ersten Satz ließ Noma Noha Akugue im zweiten Durchgang immerhin ihr Kämpferherz schlagen. Doch in den Momenten, in denen eine Wende möglich schien, weil auch Rus zu fehlerbehaftet spielte, fehlten der Tochter nigerianischer Eltern Mut, Entschlossenheit und ja, auch die Kraft, um die Niederlage abzuwenden.
Akugue ohne Chance: Fünfter Matchball von Rus genutzt
Zwar wehrte sie beim Stand von 4:5 zwei Matchbälle ab, doch spätestens, als Rus im Tiebreak auf 6:1 davonzog, war der Titeltraum geplatzt. Mit ihrem fünften Matchball sicherte sich die Niederländerin, die zuvor noch kein Einzelfinale auf der WTA-Tour bestritten hatte, ihren Premierentitel, 250 Weltranglistenpunkte und ein Preisgeld von 29.760 Euro.
"Ich kann es noch nicht wirklich fassen, bin aber sehr glücklich, dass mir endlich mein erster Titel gelungen ist", sagte Arantxa Rus, die den Triumph ihrem vor vier Monaten verstorbenen Vater widmete. Sie sei den gesamten Tag über sehr aufgeregt gewesen, "weil ich eine gute Show bieten und ein tolles Match spielen wollte."
Die Atmosphäre habe sie, obwohl die Zuschauer bedingungslos hinter ihrer Lokalmatadorin standen, als "sehr fair mir gegenüber" erlebt, obwohl sie im Viertelfinale in Eva Lys (21/Nr. 167) eine weitere Hamburgerin ausgeschaltet hatte. Deshalb freue sie sich bereits auf die Rückkehr. Ihrer Finalrivalin bescheinigte sie "eine unglaubliche Woche und eine sehr gute Zukunft."
Akugue weist beim Turnier am Rothenbaum Potenzial nach
Welch großes Potenzial in ihr steckt, hat Noma Noha Akugue in dieser Woche zweifelsohne bewiesen. Die gebürtige Reinbekerin spielt mit viel Power von der Grundlinie, bewegt sich sehr gut und zeigte im Turnierverlauf mehrmals, dass sie sich von Rückschlägen innerhalb ihrer Matches erholen kann. Arbeiten muss sie, neben ihrem Aufschlag und den noch zu zögerlichen Netzattacken, vor allem an ihrer Konstanz.
In Phasen, in denen sich die Dinge nicht nach ihrem Gusto entwickeln, braucht sie noch mehr mentale Stabilität - ein Thema, das seit Monaten mithilfe eines professionellen Sportpsychologen bearbeitet wird. "Grundsätzlich haben heute vielleicht ein paar Körner gefehlt. Aber ich bin sehr stolz auf Noma, ihre Entwicklung ist großartig", sagte Chefbundestrainerin Barbara Rittner, die in Absprache mit der Spielerin den für kommende Woche geplanten Auftritt beim ITF-Sandplatzturnier in Hechingen (Baden-Württemberg) absagte.
Tennis am Rothenbaum: Petkovic lobt Shootingstar Akugue
Auch Turnierbotschafterin Andrea Petkovic (35/Darmstadt), die vor zwei Jahren am Rothenbaum noch selbst das Finale bestritt (und verlor), fand lobende Worte für Noma Noha Akugue. "Es hat mich nicht überrascht, dass sie diejenige war, die hier durchgestartet ist. Sie hat unheimliches Potenzial, entwickelt sich toll. Bei ihr kommt jetzt vieles zusammen", sagte sie.
Gern würde sie im kommenden Jahr einen neuen Anlauf nehmen, das Turnier zu gewinnen, hatte die Hamburgerin den Fans auf dem Center-Court über das Stadionmikrofon zugerufen. Ob und in welcher Form das möglich sein wird, steht allerdings noch in den Sternen. Da der Deutsche Tennis-Bund (DTB) als Lizenzinhaber bekanntlich die Ausrichtung des Herrenturniers von 2024 an der Agentur Tennium übertragen hat, ist ein kombiniertes Damen- und Herrenevent mit zwei unterschiedlichen Veranstaltern nicht mehr möglich.
Zukunft des Damenturniers am Rothenbaum unklar
Turnierdirektorin Sandra Reichel und ihr Vater Peter-Michael Reichel bekräftigten am Sonnabend zwar, das Damenturnier, dessen Lizenz ihnen gehört, in Hamburg halten zu wollen. Wie genau das funktionieren wird, steht allerdings noch nicht fest, auch weil es in 2024 die Besonderheit gibt, dass vom 26. Juli bis 11. August die Olympischen Sommerspiele in Paris anstehen. Zwischen dem Ende des Grand-Slam-Turniers in Wimbledon und dem Olympiastart liegen nur zwölf Tage.
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Der Termin für das ATP-Turnier steht für die Woche 15. bis 21. Juli direkt nach Wimbledon fest. Die Option, die Damenlizenz für ein Jahr an Tennium zu verpachten, um die Zeit bis 2025 zu überbrücken, wenn sowohl der WTA- als auch der ATP-Kalender neu geordnet werden, wollten die Reichels zumindest nicht ausschließen. "Wir sind für alles offen, lieber mache ich das Turnier aber selber", sagte Sandra Reichel. Gespräche mit Tennium sollen in den kommenden Wochen aufgenommen werden.
Turnier in Hamburg soll aufgewertet werden
Klar ist, dass die Österreicher sich um eine Aufwertung des Damenturniers vom 250er- auf den 500er-Status bemühen. Die Entscheidung darüber soll hoffentlich bis zu den US Open (28. August bis 10. September) fallen. "Das beste Produkt wäre ohne Zweifel ein kombiniertes Damen- und Herrenturnier mit beiden Turnieren auf 500er-Level", sagte Andrea Petkovic. Diese Option allerdings hat der DTB mit seiner Entscheidung pro Tennium zunächst verhindert. Am Sonntag soll es dazu auf einer weiteren Pressekonferenz Antworten geben.