Hamburg. Call-by-Call-Tarife aus dem Festnetz werden abgeschafft. Verbraucherzentrale warnt vor teuren Neuverträgen. Was Telefonkunden wissen müssen.

Die Tarifwelt des Festnetztelefons ist bisher bunt. Eine Vorwahl bietet Ferngespräche zwischen 7 und 8 Uhr morgens für 1,17 Euro pro Minute an, bei einer anderen Vorwahl sind es 1,64 Euro. Nach Brasilien telefoniert man unter der 01086 am günstigsten, nach Österreich unter der Vorwahl 01078.

Seit der Libe­rali­sie­rung des Fest­netzes der Deutschen Telekom Ende der 1990er-Jahre können Kunden die teuren Telekom-Tarife umgehen, indem sie vor der eigentlichen Einwahl auf Sparvorwahlen anderer Anbieter ausweichen. 50 Prozent und mehr können Telekom-Kunden nach Angaben von Verivox mit solchen Sparvorwahlen einsparen.

Jahrelang schnitten sich preisbewusste Leser aus dem Abendblatt die am Wochenanfang erscheinenden Tabellen für günstigere Telefonate aus und legten sie sich neben ihr Telefon. Doch damit ist bald Schluss. Ab Anfang 2025 stellt die Telekom die Durchleitung zu den sogenannten Call-by-Call-Tarifen ein. Es gibt dann keine Telefontabellen mehr, die das Abendblatt drucken könnte.

Telekom streicht günstige Telefonvorwahlen

Doch warum kommt jetzt das Ende der Sparvorwahlen? Laut Bundesnetzagentur, die als Regulierungsbehörde den Telekommunikationsmarkt überwacht, gibt es keine gesetzliche Verpflichtung mehr, die Sparvorwahlen anzubieten. „Call-by-Call war der Telekom Deutschland GmbH durch die Bundesnetzagentur im Jahr 1998 als Verpflichtung nach dem Telekommunikationsgesetz auferlegt worden, um den Markt rasch und für die Kunden einfach für Angebote von Wettbewerbern zu öffnen“, sagt Fiete Wulff von der Überwachungsbehörde. Im Jahre 2021 sei die gesetzliche Grundlage im Telekommunikationsgesetz gestrichen worden.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn der Anstoß zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes ist von Brüssel ausgegangen: Die Bundesnetzagentur habe dem Druck der EU-Kommission nachgegeben, sagt Frederic Ufer, Geschäftsführer des Verbands für Telekommunikation und Mehrwertdienste, VATM. Die Kommission hatte eine Empfehlung abgegeben, welche Bereiche des Tele­kommunikations­marktes nach wie vor reguliert und welche dem freien Wettbewerb überlassen werden sollten. 

Keine Verlängerung für günstige Sparvorwahlen

Der Verband hatte damals aber Bedenken gegen das abrupte Ende hinsichtlich der Wettbewerbsbedingungen im Telekommunikationsmarkt gehabt. „Aufgrund dieser Problematik ist der VATM auf die Telekom zugegangen, um gemeinsam eine konstruktive Lösung zu finden, die sowohl den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch den Anforderungen des Marktes gerecht wurde.“ Die von VATM und Telekom vereinbarte Verlängerung dieses Marktmodells bis zum Jahresbeginn 2025 habe zumindest einen langsamen Ausstieg mit einer langen Übergangszeit für Bürgerinnen und Bürger wie für Unternehmen ermöglicht.

Dr. jur. Frederik Ufer
Frederic Ufer ist Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM). © VATM | VATM

Eine weitere Verlängerung habe die Telekom nicht gewollt „Für die Telekom waren wirtschaftliche Gründe entscheidend, diese Sparvorwahl-Tarife nicht länger anzubieten“, sagt Ufer. Die Telekom hingegen sagt, dass sich die Sparvorwahlen ohnehin überholt hätten, weil die meisten Menschen inzwischen Tarife mit Flatrates für Festnetztelefonate hätten.

Telekom schafft Sparvorwahlnummern ab

Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen, dass das Interesse an „Call-by-Call“ tatsächlich stark nachgelassen hat. Im Jahr 2013 wurden 163 Milliarden Minuten in deutschen Festnetzen telefoniert, davon 6,8 Milliarden Minuten über eine Sparvorwahl. Das war ein Anteil von 4,2 Prozent. Im vergangenen Jahr – also zehn Jahre später – wurden nur noch 64 Milliarden Minuten im Festnetz telefoniert. In einer Milliarde der Gesprächsminuten wurde der Call-by-Call-Service genutzt, das sind nur noch 1,6 Prozent.

„Die praktische Bedeutung von Call-by-Call hat sehr stark abgenommen und ist mittlerweile gering. Für günstige Gespräche ins In- und Ausland gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten, zum Beispiel Flatrates oder internetbasierte Angebote“, sagt Wulff. Nur einmal noch war der Anteil der Call-by-Call-Anrufe geringfügig gewachsen: Das war 2021 während der Corona-Pandemie.

Kunden müssen sich neue Tarife suchen

Zudem hat es auch Fälle von Missbrauch durch Anbieter gegeben, die nach dem Gespräch einen anderen Tarif abrechneten als zuvor angegeben. Auch die Verbraucherzentrale Hamburg hatte solche Fälle. „In letzter Zeit hat es aber keine Beschwerden mehr gegeben“, sagte Verbraucherschutzexpertin Julia Rehberg.

Der VATM bedauert den Schritt dennoch: Mit dem Wegfall dieser Tarife entstehe gerade für günstige Auslandsanrufe eine Lücke. Dennoch gäbe es nach wie vor Möglichkeiten, preiswert ins Ausland zu telefonieren. „Dazu gehören Messenger-Dienste, die seit einigen Jahren immer stärker genutzt werden. Zudem offerieren viele große Anbieter spezielle Auslandsflatrates. Diese Alternativen bieten Verbraucherinnen und Verbraucher auch weiterhin kosteneffiziente Optionen, auch wenn sie den seit Jahren bekannten und erprobten Auslandsanruf via Call-by-Call nur schwer ersetzen“, sagt Verbandsgeschäftsführer Ufer.

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Er rät Telefonkunden „proaktiv auf ihre Anbieter zuzugehen“ und sich direkt nach Auslandsflatrates sowie nach Tarifen zu erkundigen, die günstige Auslandstelefonie ermöglichen. „Viele Anbieter haben spezielle Angebote, die auf internationale Anrufe zugeschnitten sind.“

Die Verbraucherzentrale Hamburg warnt vor allem ältere Kunden, sich dabei nicht über den Tisch ziehen zu lassen. „Unterschreiben Sie nicht in einem Telefonshop irgendwelche Tarife, ohne die noch einmal geprüft zu haben“, rät Julia Rehberg. Der Verbraucherschützerin zufolge würden dabei Kunden immer wieder irgendwelche Zusatzleistungen angedreht, die das ganze verteuerten.