Hamburg. Warum eine Hamburgerin auf einem Nonstop-Flug ihren aufgegebenen Koffer verlor und wie man in solchen Fällen am besten vorgehen sollte.
So hatte sich das Annika Mewes (Name geändert) nicht vorgestellt, als sie am vergangenen Montag am Flughafen in Madrid ihren Koffer aufgeben wollte, um mit Iberia nach Hamburg zu fliegen. Mit Ausweis und online eingecheckter Buchung in der Hand gab sie der Frau am Iberia-Schalter zu verstehen, dass es nun wieder nach Hause in die Hansestadt gehen würde, also nach „Hamburgo“. Doch als der Koffer dann übers Förderband verschwunden war, stand auf dem überreichten Gepäckschnipsel nicht HAM wie Hamburg, sondern BIO wie Bilbao.
Sofort machte Annika Mewes die Iberia-Mitarbeiterin am Schalter auf den Irrtum aufmerksam. Diese griff, etwas verdutzt ob ihres Missgeschicks, sogleich zum Hörer und erklärte danach, sie habe das Problem lösen können. In den Katakomben des Airports werde sich nun jemand darum kümmern, das Gepäckstück umlabeln und auf den Weg zur richtigen Maschine bringen. Zur Kontrolle habe Mewes ja eine Gepäckidentifikationsnummer bekommen, mit der man weltweit Koffer in den IT-Systemen aufspüren könne.
Hamburg Airport: Gepäck aus der Iberia-Maschine kam nicht an
Nach der Landung in Hamburg war schnell klar, dass genau dieses Umladen nicht geklappt hat. Während andere Passagiere ihre Taschen und Koffer vom Band holten, starrte Mewes frustriert ins Leere. Und wandte sich schließlich an einen Mitarbeiter des Flughafendienstleisters Global GSRM, der für Iberia das Gepäckhandling in Hamburg übernimmt. Der erklärte, man müsse nun erst mal nicht zu „Lost & Found“, sondern zu einem Global-Schalter in einem anderen Terminal. Dort wurde der Fall dann als Verlustanzeige notiert, eine Adresse für die häusliche Nachlieferung erfasst und um etwas Geduld gebeten.
Nach weiteren Telefonaten und Rückfragen sowie schließlich der Eingabe der Trackingnummer ins Iberia-Onlineformular bestätigte sich Mewes‘ Verdacht: Der Koffer war tatsächlich in Bilbao gelandet. Was durchaus ungewöhnlich ist, weil kein dazu passender Passagier mitgeflogen war. Aber immerhin: Bilbao ist nicht so weit von Hamburg entfernt wie etwa Kapstadt oder New York.
Iberia-Panne: zunächst Rätselraten, wie es mit dem Gepäck weitergeht
„Gut, dann sollte es wohl möglich sein, diesen Koffer binnen eines Tages nach Hamburg zu bringen“, dachte sich Mewes. Und wurde wieder enttäuscht. Der Dienstag verging mit verschiedenen Telefonaten, ohne die Sache lösen zu können. Auch die erneute Trackingabfrage am Mittwoch zeigte denselben Status an: „Gepäck gefunden, Angelegenheit wird bearbeitet“. Erst weitere Anrufe ergaben einen neuen Hinweis: „Wir rechnen jetzt mit einer Beladung der Madrid-Maschine am Mittwochnachmittag“, hieß es.
Und tatsächlich: Am Mittwoch kam per Mail (auf Spanisch) die Bestätigung, dass am Donnerstag ein Spediteur den Koffer ausliefern werde. Wann genau, stand da allerdings nicht. Für Mewes „ein gebrauchter Tag“, schließlich hatte sie eigentlich andere Pläne als zu Hause zu warten – um schließlich auf erneute Nachfrage zu hören, dass der Spediteur am Donnerstag rund 60 Gepäckstücke ausliefern müsse und es deshalb nun doch erst am Freitag schaffen werde.
Mewes findet es „interessant, warum man so schlecht informiert wird. Wenn man nicht selber immer nachfragt, hätte ich seit Montag nichts mehr von meinem Koffer gehört und erst jetzt eine Nachricht erhalten. Und dann noch in einer Sprache, die ich nicht beherrsche. Ältere, nicht Online-affine Menschen wären total aufgeschmissen. Die werden einfach abgehängt.“
Dass auf Flugreisen Gepäck vorübergehend verloren geht, ist beileibe kein Einzelfall. 2023 ging man weltweit von einer „misshandling rate“ von etwa 6,9 pro 1000 Gepäckstücken aus, so eine Studie des IT-Dienstleisters SITA, der jährlich einen Report namens „SITA Baggage IT Insights“ veröffentlicht. In Summe sind das laut SITA 36,1 Millionen Gepäckstücke gewesen, die im Vorjahr nicht zusammen mit dem Passagier ihr Ziel erreichten.
Koffer weg: 6,9 Gepäckstücke von 1000 kommen nicht am Ziel an
Auch wenn diese Zahlen erschreckend hoch klingen, ist die Verlustquote zuletzt geringer geworden. Das liegt dem Bericht zufolge auch daran, dass inzwischen zwei Drittel aller Airlines und 88 Prozent aller Flughäfen automatisierte Gepäckaufgaben nutzen, wie es sie zum Beispiel am Hamburg Airport gibt. Diese gelten im Vergleich zu Menschen am Schalter als weniger fehleranfällig, zumindest wenn es um das klassische „misshandling“ geht, wie es auch Annika Mewes erlebt hat. Dass man am Automaten manchmal deutlich länger braucht als gedacht, um den Koffer richtig zu platzieren, steht auf einem anderen Blatt.
Wie das Prozedere am Hamburger Airport ist, wenn Gepäck fehlt, beschreibt der Flughafen in Fuhlsbüttel auf seiner Website. Dort heißt es: „Passagiere sollten sich nach der Ankunft direkt an die Airline wenden, um den Verlust zu melden – entweder am Schalter im Flughafengebäude, über die Hotline oder die Website. Die Verlustmeldung wird in einem internationalen System verarbeitet, sodass der Standort des Gepäcks ermittelt werden kann. Von dort wird der Koffer mit dem nächstmöglichen Flugzeug zum eigentlichen Zielflughafen gebracht.“ Gepäckstücke, die nicht rechtzeitig oder in die falsche Maschine verladen wurden, könnten dann mit einem späteren Flieger zum Zielort gebracht werden.
Wenn der Koffer nicht ankommt
Geht auf einem Flug Gepäck verloren, besteht womöglich Anspruch auf Entschädigung. Dabei kommt es aber auch darauf an, ob es sich um einen Hin- oder einen Rückflug handelt. Der Höchstbetrag beträgt rund 1600 Euro pro Reisendem.
Fehlt der Koffer beim Hinflug, darf man sich Ersatzkleidung und Toilettenartikel kaufen. Die Kosten dafür muss die Airline erstatten, allerdings muss sich der Passagier auf das „wirklich Notwendige“ beschränken. In der Regel handelt es sich dabei um Dinge wie Unterwäsche, eine Badehose, T-Shirts und Hygieneartikel.
Bei endgültigem Verlust muss die Fluggesellschaft neue Gegenstände (Nachweis nötig) zum Neupreis erstatten, bei gebrauchten Dingen gilt der Zeitwert. Kommt das Gepäck hingegen beim Rückflug zu spät an, gibt es üblicherweise keinen Schadenersatz. Alle Ansprüche müssen direkt bei der gebuchten Airline angemeldet werden. Flughäfen sind nicht zuständig.
Viele Airlines haben Dienstleister beauftragt, die Gepäckabwicklung zu organisieren. In Hamburg erledigen das Global GSRM zum Beispiel für Iberia, British Airways und Vueling sowie AHS zum Beispiel für Austrian Airlines, Condor, Emirates, Ryanair, SWISS, TUIfly, Turkish Airlines und viele andere. Was passieren kann, wenn eine Airline bei Entschädigungen zögert, zeigt ein aktuelles Urteil aus Spanien: Dort wurde Vueling gerade zu 70.000 Euro Strafe verurteilt, weil die Airline versucht hatte, vier Passagiere, die ihr Gepäck einbüßten, nicht angemessen zu entschädigen.
Dass der Grund für den Verlust wie bei Mewes ein fehlerhafter Gepäckanhänger ist, scheint übrigens eher die Ausnahme zu sein. „Meist passiert dies bei Transferflügen, wenn Koffer und Taschen an großen Drehkreuzen wie Frankfurt, London oder Amsterdam von einem Flugzeug ins nächste verladen werden müssen, dies aber nicht rechtzeitig klappt – weil ein Flugzeug verspätet oder die Umsteigezeit zu knapp für einen Gepäcktransfer war“, heißt es vom Hamburg Airport.
Zuständig sei „in jedem Fall“ die gebuchte Fluggesellschaft, die wiederum oft Subunternehmen beschäftige. Der Beförderungsvertrag beinhalte „die Obhut des Gepäcks auf dem gesamten Weg“. Dazu gehöre auch, den Koffer zu finden, ihn zum eigentlichen Zielflughafen zu bringen und dafür zu sorgen, dass er den Passagier erreicht. Nur Airlines und ihre Dienstleister hätten Zugriff auf die persönlichen Daten, die für die Wiederbeschaffung des Gepäcks notwendig sind.
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In Hamburg gibt es neben Global GSRM noch den Dienstleister AHS, der zwar nicht für Iberia, aber viele andere Airlines die Dienstleistung rund um verlorenes und verspätetes Gepäck erbringt. Er hat dafür neben dem „Lost & Found“-Schalter ein neues digitales Suchsystem zur Gepäcknachverfolgung eingerichtet. Fluggäste können an einem „Service-Kiosk“ ihre Gepäck-Referenznummer (Baggage Tag) eingeben, um zu überprüfen, ob der Koffer bereits nachgereist und zur Abholung oder Zustellung freigegeben ist.
Gepäck verloren: Wie der Koffer per Bote nach Hause kommt
Manche Airlines sind allerdings auch in der Lage, zurückgelassenes Gepäck via App an den Passagier zu melden, etwa die Swiss Air der Lufthansa-Gruppe. Passagier Jonas Hahn (Name geändert) wusste deshalb bei seinem letzten Swiss-Air-Flug aus Kanada gleich nach der Landung in Hamburg, dass das Gepäck beim Umsteigen in Zürich liegen geblieben war. Alle Formalitäten wie die Eingabe der Lieferadresse ließen sich ebenfalls schnell in der App klären, Wartezeit am Airport gab es für ihn deshalb keine. Nur einen Tag später brachte ein Bote den Koffer kostenfrei nach Hause.