Hamburg. Lucid Motors kommt aus den USA und will mit reichweitenstarken E-Autos überzeugen. Warum ein bekannter Experte „gute Nerven“ wünscht.
Vinfast, BYD, Ferrari, Cadillac, Aston Martin, Nio, Polestar, Lynk & Co.: Wer heutzutage durch die Hamburger Innenstadt flaniert, kommt sich angesichts der in jüngster Zeit dort eröffneten Schauräume mitunter vor wie an der Automeile Nedderfeld – allerdings mit durch die E-Mobilität veränderten Vorzeichen und einigen neuen Marken, von denen viele noch nie gehört haben.
Jetzt geht mit Lucid Motors im Hanseviertel ein weiteres Studio an den Start, in dem hochpreisige Elektroautos ausgestellt sind. Hat das aus den USA kommende Konzept Aussicht auf langfristigen Erfolg?
Elektroautos: An diesem Wochenende wird der Lucid-Store eröffnet
Nach einem Preopening mit rund 100 geladenen Gästen am Donnerstagabend steht an diesem Wochenende in der Poststraße 21–23 nun die eigentliche Eröffnung an. Eigens dafür angereist sind die Lucid-Manager Marc Winterhoff (COO in der US-Zentrale) und Alexander Lutz (Europa-Chef).
Verantwortlich für den Standort Hamburg ist Gregory Düdden, der früher beim Luxusautohändler Kamps (Bentley, McLaren, Bugatti) tätig war und schon seit vielen Jahre mit exklusiven Kundenkreisen umzugehen weiß. Er betont: „Ich war ja ein reiner Petrolhead. Inzwischen gehört mein Herz der Elektromobilität, und hier natürlich dem Lucid Air.“
Lucids Motors: Wer steckt eigentlich hinter dieser US-Firma?
Doch was ist das eigentlich für eine Firma, dieses Lucid Motors? 2007 noch unter dem Namen Atieva als Entwickler von Fahrzeugbatterien und elektrischen Antriebssträngen gegründet, begann man 2014 mit der Entwicklung eines eigenen Autos. 2016 wurde die Firma in Lucid Motors umbenannt, seit 2019 wird sie geleitet vom ehemaligen Tesla-Ingenieur Peter Rawlinson, der sechs Jahre zuvor bei Atieva als Chief Technology Officer angeheuert hatte.
Der erste Prototyp entstand 2016, vier Jahre später stellte die Firma mit dem Lucid Air dann das Serienmodell vor. Es sollte, so der Anspruch der amerikanischen Entwickler, nicht weniger sein als eine kleine Revolution im Luxussegment und „wegweisend“ vor allem bei der Reichweite. 2021 gingen die ersten Fahrzeuge an Kunden in Amerika.
Dass der Aufbau einer völlig neuen Automarke neben viel Geld auch Durchhaltevermögen erfordert, war allen Beteiligten von Anfang an klar. Ebenso klar war – und ist bis heute – aber auch, dass die Transformation der Branche hin zur Elektromobilität Chancen bietet wie selten zuvor. Etablierte Unternehmen, die lange gut von Verbrennern gelebt haben, verlieren zunehmend Marktanteile. Zahlreiche neue Player tauchen auf, zuerst in Übersee und dann auch in Europa.
Lucid Motors: Autos kosten derzeit noch 85.000 bis 250.000 Euro
Der Lucid Air ist bislang das einige Modell in der Produktpalette des US-Herstellers. Die Elektrolimousine ist als „Air Pure“ mit 442 PS ab 85.000 Euro zu haben. Im Hamburger Showroom stehen zwei etwas teurere Varianten, der „Touring“ für 99.000 Euro (628 PS) und der „Grand Touring“ für 139.000 Euro (831 PS). Auch wenn die Modellbezeichnungen teilweise an einen Kombi erinnern, handelt es sich durchweg um große, hochmotorisierte Limousinen. Spitzenmodell ist die Version „Sapphire“ mit 1251 PS für 250.000 Euro.
Tester von ADAC und Fachmagazinen beurteilen den knapp fünf Meter langen Lucid Air technisch durchaus positiv: Er biete herausragende Fahreigenschaften, guten Fahrkomfort und viel Stauraum. Auch bei der erzielbaren Reichweite seien die Ergebnisse in der Praxis überdurchschnittlich. Kinderkrankheiten gebe es aber auch einige, etwa beim Tempo des Scheibenwischers oder der Anzeige von Navigationshinweisen im breiten Display, das hier ausnahmsweise mal nicht wirkt wie ein hochkant gestelltes iPad.
Gebaut wurden die Autos bislang ausschließlich in den USA, dort gibt es eine Fabrik in Arizona, die anfangs für rund 10.000 Autos pro Jahr ausgelegt gewesen ist. Seit Kurzem ist auch eine zweite Produktionsstätte eröffnet. Sie befindet sich in Dschiddah in Saudi-Arabien und soll zunächst 5000 Autos pro Jahr fertigen können. Beide Zahlen klingen noch nicht nach der anvisierten Großserienfertigung. Bei Lucid redet man allerdings von mittelfristig mehreren Hunderttausend Autos jährlich, die gebaut und verkauft werden sollen.
Bislang sind die Verkaufszahlen von Lucid Motors noch vierstellig
Sind solche Zahlen realistisch? Derzeit noch lange nicht. Im Jahr 2023 konnte Lucid Motors nur 8428 Auto bauen und 6001 an Kunden ausliefern. Der Jahresumsatz ging, bedingt durch Preissenkungen, dabei gegenüber 2022 sogar etwas zurück auf knapp 550 Millionen US-Dollar. Und auch 2024 sind die Verkaufszahlen nicht gerade rasant gestiegen: Intern rechnet man für dieses Jahr mit rund 9000 gebauten Autos, was deutlich unter den ursprünglichen Prognosen liegt. Auch die Aktie von Lucid Motors schwächelt: Seit Januar 2023 verlor sie mehr als zwei Drittel ihres Werts.
Die Expansion in Europa soll nun mit zur Trendwende beitragen. Und auch der arabische Markt wird künftig wichtiger. Denn trotz der mäßigen Entwicklung dürften die dortigen Geldgeber nicht so schnell das Weite suchen, schließlich haben sie gerade erst mit einer neuen Milliardenspritze geholfen. Hinter Lucid steht mehrheitlich der saudische Staatsfonds PIF, der bereits seit 2018 in die Firma investiert. Und der denke „sehr langfristig“, wie der deutsche Lucid-COO Winterhoff betont.
Lucid Motors: Neue Modelle und Standorte sollen Aufschwung bringen
Zudem soll es bald weitere Modelle geben. „In den USA werden wir schon Ende dieses Jahres mit der Produktion unseres ersten SUV anfangen, dem Lucid Gravity. 2025 kommt dieses Auto nach Europa. Für 2027 planen wir dann den Start eines neuen, günstigeren Midsize-Modells“, sagt Winterhoff. Europa-Chef Lutz ergänzt: „Der Trend geht in diesem Jahr stark aufwärts. Mit dem Gravity werden wir ein neues Segment und eine andere Zielgruppe bedienen.“
Helfen solle dabei die neue Hamburger Filiale, der in naher Zukunft noch ein Servicecenter am Stadtrand an die Seite gestellt werden soll. Hinzu kämen aber noch weitere Standorte. „Wir werden deren Zahl in Europa im nächsten Jahr mindestens verdoppeln“, sagt Lutz. Zudem werde man den Lucid Air auch in Firmen-Flotten und bei Mietwagenunternehmen sehen, etwa bei Sixt.
Lucid Motors: Autoexperte Dudenhöffer sieht noch weiten Weg
Noch allerdings ist die Fachwelt nicht gänzlich überzeugt, dass dies alles wie geplant gelingen wird. So sagt zum Beispiel der renommierte Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer dem Abendblatt: „Elektroautos tun sich in Deutschland schwer. Lucid hat noch kein Vertriebs- und Werkstättennetz in Deutschland. Und die Marke ist bislang kaum bekannt. Was kann man da erwarten? Ich denke: sehr wenig.“ Er wünsche den Betreibern des Stores deshalb erst mal „gute Nerven“.
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Auch ein Blick auf die bisherigen Verkaufszahlen in Deutschland unterstreicht, dass die Marke hier erst ganz am Anfang steht: Lediglich 41 Neuzulassungen gab es bundesweit im September, auf das ganze Jahr gerechnet waren es 127. Aber: Auch Firmen wie Tesla oder BYD haben in Deutschland mal klein angefangen.