Hamburg. Das Hamburger Modehaus Unger hat geschafft, gegen die Luxuskonzerne zu bestehen. Inhaber Florian Braun: „Wir schwimmen mit den Haien.“
Als Florian Braun in das Unternehmen seinen Eltern einstieg, war die Welt der Mode noch in Ordnung. Die Branche funktionierte nach klaren Regeln, auch in Hamburg. Doch in den vergangenen Jahren ist alles auf den Kopf gestellt worden, „drastischer und schneller, als man das von außen annehmen würde“. Das sagt der Chef des Traditionshauses Unger in unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“. Es geht um die Konkurrenz mit gigantisch großen Unternehmen, um den Neuen Wall und neue Kundinnen – zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider.
Das sagt Florian Braun über …
… seine Großmutter, die der Familie neben dem Herrenausstatter Braun auch einen Modehandel für Damen bescherte: „Meine Großmutter hat damals zu meinem Großvater, der den Herrenausstatter Braun betrieb, gesagt: Das, was du kannst, kann ich schon lange. Wir machen jetzt auch Damenmode. Es gab damals ein kleines, aber sehr bekanntes Geschäft, das Unger hieß und zum Verkauf stand. Meine Familie hat es 1953 übernommen, und meine Großmutter hat sich fortan darum gekümmert, sodass jeder meiner Großeltern ein eigenes Geschäft führte. Bis heute gehören Unger und der Herrenausstatter Braun zu einer Familie. Sie werden getrennt geführt, und trotzdem tauschen wir uns sehr eng aus. Ich habe zu meinem Cousin Lars Braun, der den Herrenausstatter führt, ein fantastisches Verhältnis.“
… seinen frühen Wunsch, in das Familienunternehmen einzusteigen: „Für mich stand nach dem Abitur fest, dass ich Hamburg eine Zeit lang verlasse, um in London zu studieren, dann zurückzukommen und mich um Unger zu kümmern. Das war für mich aber keine Pflicht, sondern eine Art von Freiheit: Ich wusste, wo ich hinwollte, und vielleicht auch, wo ich hingehöre. Die Modebranche war damals ein sehr charmantes Business, das mich immer gereizt hat und ein spannendes Geschäftsmodell war.“
… den Wandel der Modewelt: „Als ich bei Unger angefangen habe, gab es in Hamburg fünf, sechs Unternehmen, die einen regionalen Wettbewerb im Luxusmodebereich ausgefochten habe. Das war alles recht übersichtlich, man konnte für seine Kundinnen das Sortiment zusammenstellen und musste eigentlich nur die lokalen Konkurrenten im Blick haben. Es gab zwei Kollektionen, eine im Frühjahr/Sommer, eine im Herbst/Winter. Das existiert alles heute so nicht mehr. Heute gibt es viel mehr Menschen, die sich für Mode interessieren und die sich rund um die Uhr damit beschäftigen. Der Modemarkt ist global geworden, der Marktführer LVMH ist mit einem Umsatz von rund 90 Milliarden Euro eines der größten Unternehmen der Welt überhaupt. Die bekannten Marken sind in allen wichtigen Städten mit eigenen Shops vertreten, und man bekommt fast alles rund um die Uhr online. Es reicht nicht, einfach ein bestimmtes Teil vorrätig zu haben. Wir müssen mit unserem Service, unserer Beratung und dem Verkaufserlebnis überzeugen.“
… den Neuen Wall und die Luxusmarken: „Als ich vor 18 Jahren angefangen habe, war der Neue Wall, in dem Unger seinen Standort hat, schon ein Prachtboulevard. Aber es gab dort neben uns bestimmt 25 inhabergeführte Unternehmen. Heute ist der Neue Wall eine Meile der Luxusmarken und der großen Namen – und wir sind mittendrin, spielen als lokal verankerter Händler in diesem Konzert mit. Ich sage immer gern: Wir schwimmen mit den Haien. Geschäfte wie das unsrige werden Sie in den meisten anderen Metropolen gar nicht mehr finden. Wir haben das Glück, dass wir zu den großen Konzernen extrem gute Geschäftsbeziehungen aufgebaut haben. Ich habe keine Probleme, auch mit denen hart zu verhandeln.“
Entscheider treffen Haider
- Iris von Arnim: Wie ein Unfall ein Modeleben geprägt hat
- Philipp Welte: „Politiker interessiert die Zukunft der freien Presse nicht“
- Katrin Hinrichs: „Es ist erstaunlich, dass Menschen noch Sex haben“
… Mode, die ein Hobby wie Kunst und Musik sein kann: „Früher konnte man unser Kundinnen-Segment relativ klar clustern. Das ist heute nicht mehr möglich. Die Kundinnen sind deutlich jünger geworden, sie werden diverser. Die klassische Unger-Kundin hat sich mit den Jahren auch verändert. Es gibt zum Beispiel neue Kundinnen, für die Mode ein Hobby ist wie für andere, auf ein Adele-Konzert oder in die Kunsthalle zu gehen. Das freut mich sehr, weil Einkaufen für diese Gruppe von Frauen ein Erlebnis ist und unsere Shops diesem Anspruch gerecht werden müssen. Für mich sind unsere Stores wie kleine Grandhotels, die wir jeden Morgen für die Kundinnen herrichten.“
… Online-Erlöse, die stark wachsen und trotzdem nicht im Zentrum stehen: „Wir haben vor der Pandemie 29 Prozent unseres Umsatzes online gemacht, inzwischen sind es mehr als 50 Prozent. Das soll weiterwachsen, gern auf 70 Prozent bis zum Jahr 2030, hat mit unserer Leidenschaft für den stationären Handel aber gar nichts zu tun. Das eine schließt aus meiner Sicht das andere nicht aus. Wir haben mit unseren Stores sehr langfristige Mietverträge, und ich bin überzeugt, dass wir damit alles richtig machen. Solange ich im Unternehmen etwas zu sagen habe, werden die stationären Geschäfte eine zentrale Rolle spielen. Eben weil sie in einer Welt, in der man sich alles jederzeit online bestellen kann, ein Unterscheidungsmerkmal sind. Und weil es nach wie vor vielen Menschen Spaß macht, einkaufen zu gehen. An einem ganz normalen Unger-Tag ist von 19 bis 90 Jahren bei uns alles dabei.“