Hamburg. Mode-Designerin Iris von Arnim hat ihre einmalige Karriere einem Krankenhausaufenthalt zu verdanken – und auch ihren Sohn Valentin.
Valentin von Arnim hatte in seiner Jugend nie mit seiner Mutter darüber gesprochen, ob er eines Tages in ihre Firma einsteigen will. Heute ist er der Chef von Iris von Arnim, einem der wenigen unabhängigen und international erfolgreichen Luxusmoden-Hersteller in Deutschland – der seinen Sitz noch immer in der Villa der Gründerin in Hamburg hat. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht Valentin von Arnim natürlich über seine berühmte Mutter, aber auch über seinen weniger bekannten Vater, über die Welt der Mode und die des Investmentbankings – und über Cashmere.
Das sagt Valentin von Arnim (45) über …
… einen Anruf seiner Mutter, der seinem Leben eine andere Richtung gab: „Meine Mutter und ich haben in meiner Jugendzeit nie darüber gesprochen, ob ich eines Tages in die Firma einsteigen will, obwohl ich praktisch zwischen Pullovern aufgewachsen bin. Wir lebten als Zwei-Personen-Familie in dem gleichen Haus, in dem auch das Unternehmen bis heute beheimatet ist. Als kleines Kind habe ich mit Buntstiften Pullis gemalt, saß bei den Designern mit am Tisch. Ich war immer das einzige männliche Wesen in einer sehr weiblichen Welt. Als ich mein Abitur gemacht hatte, wollte ich erst mal weg und meinen eigenen Weg gehen. Ich bin Investmentbanker geworden und nach New York gegangen, wo ich für Goldman Sachs gearbeitet habe. Bis mich meine Mutter eines Tages anrief und fragte, ob ich mich für ihre Firma interessieren würde; wenn nicht, würde sie sich nach „strategischen Alternativen“ umsehen. Ich habe dann damals meinen Job gekündigt und bin zurück nach Hamburg gekommen, auch wenn ich nicht so ganz wusste, worauf ich mich einlasse. Ich dachte mir, da schlummert dieser ungeschliffene Diamant.“
… ein Leben als Investmentbanker in der Mode-Welt: „Am Anfang war es echt hart, ich habe jeden Fehler gemacht, den man machen kann. Und ich glaube, die Kolleginnen bei Iris von Arnim haben mich erst mal auch nicht ernst genommen. Da kommt so ein Banker in eine zutiefst kreative Welt. Und mit der eigenen Mutter zusammenzuarbeiten ist wahrscheinlich noch komplexer als mit dem eigenen Vater. Denn eine Mutter fühlt sich irgendwie immer verantwortlich für die Fehler ihres Sohnes, selbst wenn er schon erwachsen ist. Es kam hinzu, dass ich damals erst der zweite Mann war, der überhaupt in der Firma gearbeitet hat. Heute sind es immerhin schon fünf …“
… den schweren Autounfall, ohne den es das Unternehmen Iris von Arnim heute wahrscheinlich nicht geben würde: „Es ist verrückt, wie ein Autounfall und der lange Krankenhausaufenthalt danach das ganze Leben meiner Mutter definiert hat – und das nicht nur, weil sie dort mehr oder weniger aus Langeweile mit dem Stricken angefangen hat und so auf die Idee gekommen ist, eine Firma zu gründen. Der Chefarzt, der meine Mutter betreut hat, hat schon während ihrer Zeit im Krankenhaus angefangen, mit ihr zu flirten. Sie war insgesamt acht Monate bei ihm in der Klinik. Als sie die endlich wieder verlassen durfte, zog sie nach Hamburg, fest entschlossen, künftig etwas mit Mode zu machen – und das alles, weil sie einen ihrer selbst gestrickten Regenbogen-Pullover im Krankenhaus verkauft hatte. Nach dem Umzug nach Hamburg bekam sie das Angebot, auf Sylt in einem Modeladen zu arbeiten und dort auch ihre eigenen Kreationen anbieten zu können. Eines Tages kam der Chefarzt in das Geschäft, kurz darauf wurden die beiden für zwei Jahre ein Paar. Sie haben aber nicht zueinandergepasst und sich getrennt, als meine Mutter mit mir schwanger war: Mein Vater war 18 Jahre älter, ein wirklich erfolgreicher Mediziner. Meine Mutter war das genaue Gegenteil: Sie war wild, verrückt und kreativ.“
… die Unternehmensheimat Hamburg, eine bewusste Entscheidung: „Meine Mutter hat nie strategisch gedacht. Sie hatte keinen Businessplan, sie hat immer aus dem Bauch heraus entschieden: Was ist schön, was gefällt mir? Dass sie nach Hamburg gegangen ist, hat etwas damit zu tun, dass die Werte dieser Stadt mit den Werten unseres Unternehmens übereinstimmen: Wir sind nicht laut, wir setzen auf Qualität, man bekommt genau das, was man sieht. Wir sind leise, zurückhaltend, etwas, was man heute Quiet Luxury nennt.“
… Cashmere: „Der Kern, die DNA des Unternehmens ist und bleibt Cashmere. Meine Mutter hat damals begonnen, Pullover zu stricken, die zu Lieblingsstücken unserer Kunden wurden. Und das ist bis heute geblieben. Unser Anspruch dabei ist hoch. Wir versprechen den Kunden, dass unsere Pullover, wenn man sie gut pflegt, ein Leben lang halten. Ich selbst habe Pullover, die wie neu aussehen, obwohl ich sie bestimmt schon 100-mal getragen habe. Wenn sich Kunden einen Cashmere-Pullover kaufen möchten, sollten sie immer zuerst an uns denken. Iris von Arnim, das Original.“
… die Markenzeichen: „Der Rainbow-Pullover und unser Stonewashed Cashmere sind unsere Markenzeichen. Der Stonewashed-Effekt bezeichnet eine Färbetechnik. Durch das Färben entsteht ein sehr schöner und tatsächlich einzigartiger Effekt auf dem Pullover, optisch wirkt es changierend. Wir sind nach wie vor eine der wenigen Cashmere-Marken, die diese Technik anwendet.“
… neue Kollektionen: „Die Balance zwischen neuen, aufregenden Designs und geliebten und bekannten Bestsellern zu finden ist ein Drahtseilakt. Das ist die riesige Herausforderung, vor der wir bei jeder Kollektion stehen. Farben spielen eine große Rolle, nicht nur grundsätzlich, sondern auch im Leben von Iris von Arnim. Meine Mutter hat das, was sie seit vielen Jahrzehnten so erfolgreich macht, ja nie studiert. Aber sie hat ein unglaubliches Gefühl für Formen und vor allem für Farben, von denen sie eine große Zahl selbst entwickelt hat. Wir haben ein Archiv, in dem es bestimmt 5000 verschiedene Farben gibt. Sämtliche Farben in einer Kollektion sollen miteinander harmonieren und kombinierbar sein, häufig orientieren sie sich an Orten oder Momenten, die Iris oder eine der Designerinnen erlebt haben.“
Entscheider treffen Haider
- Philipp Welte: „Die Politik interessiert sich nicht für die freie Presse“
- Katrin Hinrichs: „Es ist erstaunlich, dass überhaupt noch Menschen Sex haben“
- Bodo Wartke: Wie Barbaras Rhabarberbar zu einem Welthit wurde
… die (sehr weibliche) Zielgruppe: „Meine Mutter hat immer und macht noch immer Mode für diejenigen, die sie am besten kennt. Das sind Frauen, selbstbestimmt und frei von Konventionen, die sich rund um die Uhr wohl in ihrer Haut und Kleidung fühlen wollen. Deshalb ist es wenig überraschend, dass 83 Prozent unserer Kunden weiblich sind. Hinzu kommt, dass Frauen sich Quiet Luxury später im Leben leisten, ab 40 ungefähr. Für uns ist wichtig, dass schon Frauen um die 30 an Iris von Arnim denken, wenn sie an hochwertiges Cashmere denken.“
… das Elternhaus und den Firmensitz im Frauenthal: „Meine Mutter ist nach wie vor jeden Tag im Büro. Sie wohnt ja auch direkt darüber. Sie hat das Haus in Harvestehude damals gekauft, um sich sowohl um das Unternehmen als auch um mich zu kümmern, um Arbeit und Privatleben optimal miteinander verbinden zu können. Das war damals auch extrem clever, sonst hätte sie das alles als alleinerziehende Mutter gar nicht hinbekommen. Die Firma ist ihr zweites Kind, sie ist ihr Lebensinhalt, auch mit 79 Jahren noch. Und sie hat immer noch den Instinkt dafür, was funktioniert und was nicht. Ich habe das Haus seit letztem Sommer renovieren lassen, um den Ansprüchen unseres Unternehmens gerecht zu werden und um die Schönheit und den Charme des Hauses hervorzuheben. Durch den Umbau wirkt das Haus luftiger und heller, der Showroom, in welchem unsere neuesten Kollektionen gezeigt werden, ist offen und einladender als zuvor.“