Hamburg. Das Analyse-Unternehmen Bulwiengesa vergleicht Städte – mit überraschenden Ergebnissen: In Hamburg ist die Lage besser als anderswo.

Lange Jahre galt die Immobilienbranche für Investoren als Goldgrube: Die Preise stiegen beständig, die Mieten verteuerten sich und immer mehr Kräne drehten sich in der Stadt. Doch mit der Pandemie, dem Ukraine-Krieg und den Zinserhöhungen ist der Goldrausch vorbei. Plötzlich purzeln die Preise, die Zahl der Baugenehmigungen geht zurück, die erfolgsverwöhnte Branche muss in den Krisenmodus schalten.

Das Beratungs- und Bewertungsunternehmen Bulwiengesa misst die Krise in Zahlen, erhebt Durchschnittsmieten, Verkaufspreise oder Büroarbeitsplätze in verschiedenen Metropolen. Die Daten erzählen vom Beginn der Krise genauso wie sie das Licht am Ende des Tunnels wahrnehmen.

Joseph Frechen, Leiter der Niederlassung Hamburg, sieht noch keine rasche Trendwende. „Leider wird das noch dauern, denn in Hamburg gehen wie überall die Planungsleistungen weiter zurück. Was heute nicht geplant wird, fehlt in drei oder vier Jahren.“ Der promovierte Ökonom warnt: „Das Ende der Mietpreissteigerungen ist leider nicht in Sicht.” 

Immobilien: Die Nachfrage wächst schnell, das Angebot kaum – Hamburg braucht Wohnraum

Es ist das alte Spiel von Angebot und Nachfrage. Während das Angebot nur homöopathisch wächst, bleibt die Nachfrage hoch und wächst sogar weiter. „Gerade junge, dynamische Menschen drängen in die Metropolen, sei es zur Ausbildung oder für die ersten Jobs. Hinzu kommen die Zuwanderung vieler Menschen und die Flüchtlingsbewegung. Schon aufgrund dieser Wanderungsbewegung ist keine Entlastung in den Großstädten festzustellen.“  

Die Trägheit auf dem Immobilienmarkt verschärft das Problem. „Wir haben uns den Projektentwickler-Markt in einer Studie angeschaut und überblicken einen Zeitraum von 2021 bis 2028. Schon jetzt sind die Folgen der drastisch abnehmenden Bautätigkeit abzusehen.“ Hamburg stehe dabei noch besser da als andere Metropolen. Die Lage an der Elbe werde stabilisiert durch die rege Bautätigkeit der großen Bestandshalter wie etwa der SAGA. „Der Hamburger Wohnungsmarkt scheint sich schneller von den aktuellen Verwerfungen zu erholen als der Gesamtmarkt“, sagt Frechen.

Preise für Wohnungsbau seit 2010 Bau verdoppelt – das merken auch Mieter

Das gilt aber nicht uneingeschränkt. Entwickler, die bauen, um dann zu verkaufen, halten sich bei den aktuellen Finanzierungskonditionen zurück. „Die jüngsten Zinssenkungen haben den Markt etwas belebt. Aber das reicht noch nicht, weil die Baukosten extrem gestiegen sind. Vielerorts fehlen da die Käufer.“ Nach Berechnungen der Arge, der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, sind die Herstellungskosten für einen Quadratmeter Wohnraum in Metropolen von rund 2600 Euro im Jahre 2010 bis heute auf 5150 Euro gestiegen. 

„Daran wird sich so schnell nichts ändern. Allein die technischen Anforderungen ans Gebäude sind ein Baukostentreiber, und CO2-Abgaben kommen hinzu. Die Kosten können erst sinken, wenn wir mehr standardisieren, vereinfachen und Planungsprozesse verkürzen. Der nun diskutierte Gebäudetyp E geht da in die richtige Richtung.“ Dahinter verbirgt sich eine Initiative der Politik und der Wohnungswirtschaft, durch den Verzicht auf teure Standards, neue Spielräume zu gewinnen und effizienter wie kostengünstiger zu bauen. 

Dr. Joseph Frechen, NL-Leiter Bulwiengesa
Joseph Frechen ist seit mehr als 17 Jahren Niederlassungsleiter in Hamburg bei Bulwiengesa. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Das ist auch dringend geboten. Da geht es nicht um schlechte Gebäude, die hinter die gültigen Normen zurückfallen. Wir haben in der Vergangenheit vielmehr die höchsten Anforderungen noch überschritten. Lasst uns mal wieder normal werden.“ Mit dem Gebäudetyp E seien viele Hoffnungen verbunden, die Baukosten zu dämpfen und wieder mehr Dynamik in den Wohnungsbau zu bekommen. 

In Hamburg sind die Mieten langsamer gewachsen als in anderen Metropolen

Immerhin hat das Wohnungsbauprogramm der Stadt die Mieten in Hamburg gebremst, wie Zahlen von Bulwiengesa zeigen. Zwar sind auch hier die Durchschnittsmieten beim Erstbezug binnen eines Jahrzehnts um 28,5 Prozent von 13 Euro auf nun 16,70 Euro pro Quadratmeter gestiegen – im Vergleich aber wurde Hamburg von einer teuren zu einer günstigen Metropole. In Berlin zahlt man inzwischen 19 Euro (plus 76 Prozent), in München sogar 22 Euro (plus 57 Prozent) und in Frankfurt 17,70 Euro (plus 39 Prozent).

Ähnliche Preisentwicklungen gibt es bei Eigentumswohnungen – hier ist Hamburg mit einem Durchschnittswert von 6900 Euro pro Quadratmeter (plus 73 Prozent im Vergleich zu 2013) vergleichsweise moderat. In Berlin und München haben sich die Preise auf 7100 beziehungsweise 10.100 Euro fast verdoppelt.

„Der Hamburger Immobilienmarkt neigt weniger zu Übertreibungen.“ 

Frechen verweist darauf, dass im internationalen Vergleich das Wohnen in Deutschland noch relativ erschwinglich ist. Während die Lage in München schon vor 25 Jahren prekär war, konnten sich Mieter in Berlin ihre Wohnung lange aussuchen. „Nun ist die Hauptstadt innerhalb kürzester Zeit überrannt worden, und die Mietpreise haben sich verdoppelt. Anders als Hamburg hat Berlin erst viel später darauf mit Neubauten reagiert. Der Hamburger Markt neigt weniger zu Übertreibungen.“ 

Die Prognosen der Experten von Bulwiengesa gehen nicht von einer Trendwende aus: Die Mieten für Neubauwohnungen dürften in Hamburg weiter anziehen – von geschätzt 17,40 Euro pro Quadratmeter im laufenden Jahr über rund 18,50 Euro im Jahr 2026 auf knapp 20 Euro 2028. Deutlich verhaltener, um nur noch sieben Prozent bis 2028, dürften die Preise für Eigentumswohnungen steigen.

Die Büromieten sind deutlich langsamer gestiegen als anderswo

Von steigenden Preisen ist der Büromarkt hingegen weit entfernt. Bei den Spitzenmieten liegt die Hamburger Innenstadt im Metropolenvergleich nur auf Rang 4 hinter München, Berlin und Frankfurt. Mit 34,50 Euro pro Quadratmeter sind die Preise deutlich langsamer gestiegen als in anderen Städten. Einer der Gründe für das verhaltene Wachstum dürfte die Nachfrage sein: Die Zahl der Bürobeschäftigten stieg binnen eines Jahrzehnts in Hamburg um 14 Prozent auf 583.398; im selben Zeitraum verzeichnete Berlin ein Plus von 27 Prozent, München von 19 Prozent.

„Im Bürosegment sehen wir den Übergang zu mehr Homeoffice“, sagt der 58-Jährige. Dieser Trend sei aber in vielen Mietverträgen noch nicht berücksichtigt, weil im Regelfall Fünfjahresverträge abgeschlossen werden. Die Anpassung kämen erst langsam im Markt an. „Noch können wir nicht genau absehen, wie viel Flächenverluste das Homeoffice bringt.“  

Der Trend zum Homeoffice bremst die Nachfrage aus

Das ifo-Institut hat berechnet, dass bis 2030 die Nachfrage nach Büroflächen um 12 Prozent sinken wird. Insbesondere große Dienstleister, die den größten Anteil an Büroflächen nutzen, verkleinerten sich und zögen in moderne, zentral gelegene Standorte um. Frechen sieht zugleich einen Gegentrend: Hamburger Banken etwa reduzieren die Homeoffice-Möglichkeiten schon wieder. „So extrem, wie es gegenwärtig diskutiert wird, dürfte es nicht werden.“ 

In Hamburg liegt die Leerstandsquote mit gut vier Prozent niedriger als in anderen Metropolen. „Das ist moderat“, sagt Frechen. Trotzdem verändere sich der Markt. „Die zentrale Lage wird deutlich stärker nachgefragt: Büros müssen attraktiver werden, um die Menschen zurück an den Arbeitsplatz zu bekommen. Die Erreichbarkeit mit dem Nahverkehr oder dem Fahrrad spielt ebenfalls eine große Rolle.“ Deshalb stießen Neubauten weiterhin auf eine starke Nachfrage. „Die ESG-Kriterien, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, werden eine immer größere Rolle spielen. Die Unternehmen fragen, wie der Standort dem eigenen Anspruch gerecht wird.“  

Joseph Frechen: Der Baustopp am Elbtower schadet der östlichen HafenCity

Der Baustopp am Elbtower wirkt sich Frechen zufolge im Bereich der östlichen HafenCity schon negativ aus. „Die Projekte tun sich schwerer, weil so eine Landmark-Architektur Kraft für den gesamten Standort entwickelt. In diesem Quartier wird nun der eine oder andere Mietvertrag zurückgenommen.“ Er plädiert für den Weiterbau: „Das ist eine imposante Architektur.“

Allerdings sagt der gebürtige Rheinländer auch, dass die HafenCity den Elbtower nicht zwingend benötigt hätte. „Die HafenCity verfügt über genügend Strahlkraft, um die östliche HafenCity und dann Rothenburgsort weiterzuentwickeln.“  

Umnutzung von Büros zu Wohnungen ist nicht immer einfach

Laut der ifo-Studie sind rund 30 Prozent der leer stehenden Büroflächen in technischer und baurechtlicher Hinsicht in Wohnraum umwandelbar. Doch der Teufel steckt im Detail – oft fehlt die Wirtschaftlichkeit, oder die Grundrisse erschweren eine Umnutzung. „Attraktiv wird es dann, wenn es keine andere Alternative für das Gebäude gibt.“

Prinzipiell fordert Frechen ein Umdenken in der Gesellschaft. „In diesen Häusern ist viel graue Energie gebunden, es ist eine Verschwendung, wenn solche gebauten Objekte leer stehen.“ Umwandlungen seien eher in gemischten Quartieren wie Barmbek, Eimsbüttel oder Winterhude sinnvoll als in gewachsenen klassischen Bürostandorten. 

Innenstadt Hamburg: Die Mö leidet, das Rathausquartier wird attraktiver

Differenziert sieht Frechen die Lage des Einzelhandels. „Der Markt ist zweigeteilt“, sagt der Immobilienexperte. „Die Mönckebergstraße droht abgehängt zu werden. Das ist ein schleichender Prozess, der mit der Schließung von Galeria Kaufhof und Karstadt Sport begann und negativ auf die östliche Innenstadt abstrahlt.“ Besser sehe es im Westen und rund um das Rathaus aus. „Da helfen die Business Improvement Districts, die Quartiere neu zu entwickeln.“ Gerade im Nikolaiquartier sei die Qualität im Stadtraum gewachsen. „Da erstrahlen plötzlich auch Geschäfte, die schon länger dort sind und jetzt richtig wahrgenommen werden.“  

Er lobt eine innerstädtische Qualitätsachse, die vom Gänsemarkt durch das Passagenviertel über Jungfernstieg und Rathausmarkt, Alter Wall, Europa Passage bis zum Nikolai Quartier reicht. Hier seien die Nutzungen gemischt, der gastronomische Anteil sei hoch. Die geplante Kleinteiligkeit auf dem früheren Commerzbank-Areal könne diese Achse bis in die HafenCity verlängern. „Wenn das die Verbindung in die HafenCity wird und nicht die Domachse, müssen wir uns über die Mönckebergstraße Gedanken machen, gerade über den Bereich vom Gerhart-Hauptmann-Platz bis zum Hauptbahnhof. Da liegen viele Großflächen, die immer weniger nachgefragt werden.“ In Zeiten des Onlinehandels könnten sich kleinteilige Handelsformen, inhabergeführte Geschäfte und Manufakturen besser differenzieren.  

Die Mieten in den Hamburger Spitzenlagen bröckeln längst

Seine Forderung: „Wir müssen die Großformen des Handels, die wir in der Innenstadt haben, redimensionieren, was schon stattfindet.“ So müsste der Handel sich auf das Erdgeschoss konzentrieren – was aber angesichts der Wirtschaftlichkeit nicht einfach ist. „Die Spitzenmieten in den Hochfrequenz-Lagen sind nach wie vor beachtlich, aber sie gehen zurück.“  

Im Handel stiegen die Mieten über Jahre auf ein Plateau, das 2015 bis 2018 gehalten wurde – seitdem geht es bergab. So sanken die Spitzenmieten in 1a-Lagen wie der Spitalerstraße von 285 auf 237 Euro pro Quadratmeter – ein Rückgang um 17 Prozent. Die Durchschnittsmieten fielen sogar um 20 Prozent auf nun 120 Euro. Noch dramatischer ist der Preisverfall in 1b-Lagen, wo der Rückgang fast 24 Prozent auf 61 Euro beträgt. Besser halten sich in Hamburg – anders als in vielen anderen Metropolen – die Stadtteile. Hier liegt das Minus im einstelligen Bereich und die Durchschnittsmiete bei 67 Euro. Corona hat das Einkaufsverhalten offenbar nachhaltig verändert – der eigene Kiez gewinnt, die City verliert. 

Manche Investoren werden sich neu orientieren müssen

Für manche Investoren im Markt ist das eine schwierige Entwicklung. Wer im Boommarkt 2017 oder 2018 Geschäftshäuser gekauft hat und die damaligen Jahresmieten des Objektes hochgerechnet hat, muss nun mit Verlusten leben. „Diese Investoren müssen sich mit der Frage befassen, was aus dem Objekt werden soll. Reduziert man den Handel? Kommen da Büros oder Wohnungen rein, vielleicht sogar Mikro-Apartments oder Studentenwohnungen?“ In dieser Debatte steckt die Chance, die Vitalität der Innenstädte zu erhöhen.  

Fatal wirkten sich die Verzögerungen bei der Eröffnung des Überseequartiers auch für die City-Vermieter aus. „Für den Markt ist die Phase, bevor so ein Center eröffnet, besonders schlimm, weil niemand weiß, wie es angenommen wird und welche Folgen es hat. Diese Unsicherheit lastet nun auf allen Flächen in der gewachsenen City.” Die Miete sei immer Ausdruck der Umsatzerwartung; sinkt diese, fallen die Mieten.  

Die Verschiebung des Überseequartiers schadet auch der City

Nach seiner Eröffnung könne das Überseequartier die Stadt sogar beflügeln. „Neue Handelsformate sind attraktiv. Eine weitere Destination vergrößert die Nachfrage, etwa bei Touristen.“ Eines aber dürfe man nicht vergessen. „Das Grundrauschen im Einzelhandel kommt aus der Wohnbevölkerung, und diese Wohnbevölkerung bekommt jetzt eine zusätzliche Alternative.“  Zudem wirkt sich ein altes Hamburger Problem negativ aus: Der Innenstadt fehlt es an Bewohnern.

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Fünf Fragen an Joseph Frechen

Meine Lieblingsstadt ist Aachen. Ich bin in der Nähe aufgewachsen und komme immer wieder gerne dorthin zurück. Die Stadt fasziniert mich aufgrund ihrer Grenzlage. 

Mein Lieblingsstadtteil ist mittlerweile Ottensen. Die Mischung der Menschen, die Vitalität auf den Straßen, die Vielfalt im Einzelhandel, das gute Miteinander dort gefallen mir. 

Mein Lieblingsort ist der Altonaer Balkon. Ich liebe es, dort zu sitzen und dem Containertreiben im Hafen zuzuschauen.  

Mein Lieblingsgebäude ist das Alsterhaus. Es hat mich schon als Jugendlicher bei meinem ersten Hamburg-Besuch in seinen Bann gezogen, seitdem mag ich es. Die Lage am Jungfernstieg ist toll, und hier ist die Strahlkraft eines Warenhauses noch zu spüren - auch wenn sich der Betriebstyp Warenhaus gewandelt und sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat.  

Einmal mit der Abrissbirne würde ich weite Teile der Messe abreißen. Das Areal liegt so hervorragend in der Stadt, dass es besser für Wohnbebauung und gemischte Quartiere genutzt werden könnte. Ich möchte nicht auf die Messe verzichten, aber das Herz der Stadt ist der falsche Ort, weil dort wochenlang gar nichts passiert. Warum kann die Messe nicht Richtung Grasbrook ziehen? Dort könnte man besondere Messen am Wasser veranstalten und wäre trotzdem nah an der Innenstadt. Aber nun ist der Grasbrook ja für andere Entwicklungen vorgesehen.