Hamburg. Ole Trumpfheller lenkt nun von Hamburg aus das Nordeuropageschäft für die dänische Reederei. Im Abendblatt erklärt er seine Strategie.
Gut ein Jahr nach der Zerschlagung der traditionsreichen Hamburger Reederei Hamburg Süd ist von dem ruhmreichen Unternehmen nichts mehr übrig. Sämtliche Abteilungen sind in den dänischen Konzern Maersk integriert worden. Die Mitarbeiter haben, sofern sie an Bord geblieben sind, neue Maersk-Verträge, und das markante frühere Hauptquartier des Unternehmens an der Willy-Brandt-Straße hat längst neue Besitzer.
„Aber es wächst auch etwas Neues heran“, sagt einer, der es wissen muss. Ole Trumpfheller ist der neue Deutschlandchef der Reederei Maersk, in der die einstige Hamburg Süd aufgegangen ist. Zu dem alten Unternehmen hat er keinen direkten Bezug. Denn Trumpfheller ist erst seit Mai im Amt. Aber an den Standort Hamburg glaubt er weiterhin.
Neuer Maersk-Chef: Hamburg bleibt ein bedeutender Hafen
Genau genommen ist Trumpfheller nicht nur Deutschland-Chef, sondern Leiter des Bereichs Nordeuropa. Und da dieser zusammen mit den Bereichen China und Nordamerika zu den drei größten im Maersk-Konzern zählt, hat der Hamburger Ableger des Hauptquartiers in Kopenhagen durchaus Gewicht im Konzern. Unterstrichen wird diese Bedeutung durch das neue große Haus, in dem Maersk seinen Sitz für das Gebiet Deutschland, Österreich, Schweiz, Polen und Benelux hat, am Johanniswall 7, das sogenannte Johann Kontor. 1200 Mitarbeiter hat Maersk hier zusammengezogen, dazu gehört auch rund ein halbes Dutzend Tochterfirmen wie Damco und der Luftfrachtspediteur Senator.
Trumpfheller sitzt in einem Konferenzraum im obersten Stockwerk der Zentrale. Ein drahtiger Mann mit wachen Augen, Bart, offenes Hemd. Er trägt kein Jackett mit Goldknöpfen, wie früher bei Reedern üblich. „Ich glaube, die Zeiten sind vorbei“, sagt er. Ein Barmbeker Jung, Absolvent des Wilhelm-Gymnasiums. Während des Studiums hat er in einem Nebenjob Anfang der 2000er-Jahre für die American President Lines (APL), damals eine der weltgrößten Reedereien, Daten in einem Computer übertragen. So knüpfte er erste Kontakte zum Reedereigeschäft in London, wohin es ihn später zeitweise zog.
Viele Reedereizentralen heben Bedeutung Hamburgs hervor
Eines Tages wurde er dann vom Logistiker DHL abgeworben. Nach verschiedenen Stationen im Nahen Osten, im Oman, Saudi-Arabien, Dubai und Südafrika ist Trumpfheller nun wieder in Hamburg und macht keinen Hehl daraus, dass ihn das freut. „Ich habe früher immer privat aus meinem Zimmer auf die rot geklinkerten Häuser der Nachbarschaft geschaut. Jetzt blicke ich auf die Backsteinhäuser im Kontorhausviertel.“
Wohl auch wegen seiner starken Verbundenheit zu Hamburg will Trumpfheller Maersk-Vorstandschef Vincent Clerk zumindest in einem Punkt nicht folgen. Denn Clerk hatte Hamburgs Hafen unlängst in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ als überbewertet eingestuft. „Ist Hamburg das natürliche Tor zur Welt, um beispielsweise deutsche Autos zu exportieren?“, sagte Clerc. Wenn man sachlich auf diese Frage schaue, laute die Antwort: „Nein, Hamburg ist nicht das natürliche Tor zur Welt.“ Es sei bedenkenswert, dass „all die Grundstücke am Wasser mit bezahlbaren Wohnungen besser genutzt wären als mit Containerterminals“.
Zusätzlicher Fernostdienst kommt in die Hansestadt
Diese Worte will Trumpfheller sich nicht zu eigen machen, denn er schätzt die Bedeutung des Schifffahrtsstandorts Hamburg höher ein. „Mit Hapag-Lloyd, Maersk, Kühne+Nagel und bald der neuen Deutschlandzentrale von MSC unterstreicht Hamburg seine Bedeutung als maritimer Standort.“ Auch die Gefahr, dass der Hamburger Hafen durch die neue Gemini-Kooperation mit Hapag-Lloyd Ladung verliere, sieht er kaum gegeben. Um pünktlicher zu werden, wollen Maersk und Hapag-Lloyd einen Großteil ihrer Liniendienste ab Februar 2025 in dieser Kooperation anbieten. Ladung wird dabei über weite Strecken in wenige Haupthäfen gebracht und von dort mit Shuttle-Schiffen in andere Häfen verteilt.
Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen hatte spekuliert, dass Hamburg im Zuge der Neuordnung der Liniendienste bis zu zehn Prozent Ladung verlieren könnte. „Aber für uns gilt das nicht“, so Trumpfheller. Im Gegenteil: „Wir haben heute einen Fernostdienst, der Hamburg anfährt. Im Zuge der Gemini-Kooperation werden es künftig zwei sein.“
„Hamburg wird weiter in Nordeuropa ein bedeutender Hafen bleiben“, da ist sich Trumpfheller sicher. Wobei der Schifffahrt nicht sein eigentliches Kerninteresse gilt. Trumpfheller sieht sich weniger als Reeder, eher als Logistiker. Und das ist auch der Grund, warum die Reederei den 45-Jährigen an Bord geholt hat.
Maersk will ganze Lieferketten kontrollieren
„Ich finde die Integratorstrategie, die Maersk verfolgt, unfassbar gut und richtig“, sagt er. Der dänische Konzern hat seit Längerem das Ziel, globaler Integrator zu werden, das heißt, die einzelnen Teile der Logistik miteinander zu verbinden, um letztlich den Kunden Komplettlösungen anzubieten. Vom Produktionswerk in Asien bis zum Einzelhändler im Schwarzwald. Lieferketten würden immer komplexer, ineffizienter und anfälliger für Störungen, wie der Unfall im Suezkanal vor drei Jahren gezeigt habe. Umso wichtiger werde es, alles aus einer Hand anzubieten, sagt Trumpfheller.
Genau diesen Ansatz verfolgt Maersk – stärker als andere Reedereien. Neben der Schifffahrt investiert der Konzern in das Umschlagsgeschäft mit eigenen Terminals, in die Luftfrachttransporte, in Warenlager, in Transporte zu Land – auch wenn sich der Konzern unlängst aus dem Bieterwettstreit um die Bahn-Tochter DB Schenker zurückgezogen hatte.
Dass Maersk dabei seinen Status als weltgrößte Reederei verloren hat und nur noch die Nummer zwei hinter MSC ist, nimmt der Konzern in Kauf. „Dafür sind wir in der Logistik insgesamt gewachsen. Laut Armstrong Associates sind wir im Ranking der weltweit führenden Transport- und Lagerlogistiker von Platz 31 im Jahr 2015 über Platz 18 im Jahr 2019 auf mittlerweile Platz zehn aufgestiegen.“
Den Einwurf, dass Kühne + Nagel im Reederei-Ranking aber weiter auf Platz 2 steht, kontert Trumpfheller: „Ja, aber wir fangen langsam an, sie zu ärgern.“ Mit dem Einstieg der Schweizer Reederei MSC bei der HHLA hat er keine Probleme. „MSC ist ein ganz normaler Wettbewerber. Auch wir investieren in Terminalbeteiligungen.“ Dass MSC durch den direkten Einstieg in die Hafengesellschaft Einblicke in sensible Daten anderer Kunden gewinnen könnte, glaubt er nicht. „Das ist ganz klar geregelt, was weitergegeben werden darf und was nicht. Und das wird von den Wettbewerbshütern auch streng überwacht.“
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Noch einen Schluck Kaffee und ein Foto. Dann kehrt Trumpfheller an seinen Schreibtisch zurück. Es wartet viel Arbeit hier für ihn in Hamburg.