Hamburg. Zwei städtische Firmen fusionieren zu einem großen Netzbetreiber. Warum Hamburg diesen Schritt geht. Steigen künftig die Preise?

Knapp elf Jahre liegt es zurück, dass die Volksinitiative „Unser Hamburg Unser Netz“ den Rückkauf der Energienetze durchsetzte. Gegen den erklärten Willen des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz und seiner mit absoluter Mehrheit regierenden SPD, aber auch gegen CDU, FDP und weite Teile der Wirtschaft votierte eine hauchdünne Mehrheit von 50,9 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger dafür, die Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungen für fast zwei Milliarden Euro zu erwerben.

Erst ein gutes Jahrzehnt später kommt dieser Prozess organisatorisch zu einem Ende. Nachdem die Stadt infolge des Volksentscheids zeitweise vier Energieunternehmen betrieben hatte – neben dem schon 2009 gegründeten Versorger Hamburg Energie noch die Netzbetreiber Wärme Hamburg, Stromnetz Hamburg und Gasnetz Hamburg –, bleiben nur noch zwei übrig: Am 2. September fusionieren Stromnetz und Gasnetz zur „Hamburger Energienetze GmbH“. Dann gibt es neben den „Hamburger Energiewerken“, entstanden aus der Fusion von Hamburg Energie und Wärme Hamburg, nur noch ein weiteres Standbein: die Netze GmbH.

Neuer Energieriese in Hamburg „zentrale Säule der Klimapolitik“

Umweltsenator Jens Kerstan, seinerzeit als Grünen-Fraktionschef ein glühender Unterstützer der Volksinitiative, und Finanzsenator Andreas Dressel, damals als SPD-Fraktionschef ein Gegner des Rückkaufs, sind mittlerweile einer Meinung: Dass Hamburg wieder Besitzer der Energienetze ist, hat sich nicht nur wirtschaftlich gelohnt – weil die Netzgesellschaften seit Jahren satte Gewinne abwerfen, allein Stromnetz und Gasnetz 2023 zusammen 124 Millionen Euro –, sondern erleichtert auch ungemein die Umsetzung der Energiewende, da die Stadt nun wieder alle Zügel selbst in der Hand hält.

Das betont auch Kerstan mit Blick auf die Fusion: „Elektromobilität, Wärmewende und die Dekarbonisierung unserer Industrie sind zentrale Säulen der Hamburger Klimapolitik.“ Deshalb passten die Unternehmen Gasnetz, das gerade an einem 40-Kilometer-Wasserstoff-Netz für Industriebetriebe im Hafen arbeitet, und Stromnetz mit ihren Ausbauplänen „perfekt zusammen“, so der Umweltsenator.

Mit dem Volksentscheid zum Netzerückkauf fing alles an

Wie so oft bei dem Thema erinnerte Kerstan an den Netzerückkauf, der es erst erlaube, Synergien „optimal“ zu nutzen und „alle Leistungen aus einer Hand“ anzubieten: „Das alles ist nur dank der Rekommunalisierung der Unternehmen möglich – dadurch können wir als Stadt besser steuernd auf Marktentwicklungen reagieren und den Hamburgerinnen und Hamburgern eine bezahlbare, klimafreundliche Versorgung garantieren.“ Anders als zu füheren HEW-Zeiten seien Energieunternehmen heute „Instrumente der Senatspolitik“, so Kerstan.

Hamburger Energienetze GmbH
Umweltsenator Jens Kerstan (3.v.r.) und Finanzsenator Andreas Dressel (2.v.r.) stellten zusammen HGV-Chefin Isabella Niklas (r.) und den Geschäftsführungen von Stromnetz und Gasnetz Hamburg die neue Unternehmensstruktur in der „Sturmfreien Bude“ im Alstertower vor. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Auch der für die öffentlichen Unternehmen zuständige Finanzsenator unterstrich, dass die Fusion auch und vor allem der Umsetzung der Energiewende dienen solle: „Der Energiemarkt der Zukunft wird anders sein als der Status quo, und darauf müssen wir vorausschauend reagieren“, so Dressel. „Wir bündeln nun die Kräfte unserer beiden Unternehmen, damit wir für die anstehenden Transformationsaufgaben im Rahmen der Energiewende optimal aufgestellt sind.“

Hamburger Energienetze wird 2300 Mitarbeiter haben

Alle rund 2300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Stromnetz und Gasnetz werden in dem neuen Unternehmen weiterbeschäftigt. Mittelfristig sei sogar ein Personalaufbau geplant. Mit den Gewerkschaften sei in einem „Comfort Letter“ eine umfassende Beschäftigungssicherung vereinbart worden, so Dressel: „Kein Mitarbeiter und keine Mitarbeiterin wird als Folge der Fusion schlechtergestellt.“

Das gilt übrigens auch für die Chefetagen: Die bisherigen Doppelspitzen Andreas Cerbe und Karin Pfäffle (Stromnetz) sowie Gabriele Eggers und Michael Dammann(Gasnetz) bilden nun zu viert die Geschäftsführung der Energienetze GmbH, wobei Cerbe als Sprecher fungiert. „Die Herausforderungen beim Umbau der Hamburger Energieinfrastruktur sind gewaltig“, sagte er. Denn infolge der Mobilitäts- und Wärmewende steige der Stromverbrauch kontinuierlich, weswegen die Netze mit großem Aufwand ertüchtigt und ausgebaut werden müssten.

Gasnetz wird stillgelegt. Vorher dürften die Preise steigen

Auf der anderen Seite gehe die Nachfrage nach Gas als fossilem Energieträger zurück. Dafür errichte man mit HHWIN ein erstes Wasserstoffnetz zur Versorgung der Hamburger Industrieunternehmen. Insgesamt würden die Energieunternehmen rund fünf Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren investieren, so Cerbe.

Über die 30.000 Kilometer Stromleitungen und 7800 Kilometer Gasleitungen der Hamburger Energienetze GmbH werden rund 1,4 Millionen Haushalte und Unternehmen versorgt. Da von 2045 an keine Heizungen mehr mit fossilen Brennstoffen betrieben werden dürfen, soll das Gasnetz danach schrittweise stillgelegt werden. Da schon vorher mutmaßlich viele Kunden auf eine andere Energieversorgung umstellen werden, dürfte sich das auf die Preise auswirken: Denn die Kosten für den Betrieb des Netzes werden dann auf immer weniger Kunden umgelegt, die Netzentgelte daher steigen. Allerdings machen sie nur einen kleinen Teil des Gaspreises aus.

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Vorteile von der Fusion versprechen sich die beteiligten Unternehmen und die Senatsvertreter auch bei der Baustellenkoordinierung. Wie Kerstan sagte, gebe es nach seiner Beobachtung bei vielen Menschen die Vorstellung, der grüne Verkehrssenator Anjes Tjarks sei für die vielen Baustellen in der Stadt verantwortlich. Dabei gingen zwei Drittel davon auf das Konto der Energieunternehmen, und die könnten sich nun künftig besser abstimmen.

Neuer Energieriese: Auch Baustellenkoordinierung soll besser werden

Dass dabei noch Luft nach oben ist, sah auch der Finanzsenator so: „Bei der Baustellenkoordinierung sind wir noch nicht so weit wie wir sein wollen.“ Andreas Cerbe sagte, es sei zwar schon lange nicht mehr so, dass jedes Unternehmen vor sich hinbuddele, aber man könne sich noch besser abstimmen und kommunizieren: Er stelle sich vor, dass bei jeder größeren Baustelle ein Schild aufgestellt werde, aus dem klar hervorgehe, wer dort was baue, wie lange es voraussichtlich dauern werde und wer der Ansprechpartner sei.