Hamburg. Während Bürgerschaftsabgeordnete den Deal schnell abschließen wollen, rumort es in der Partei. Auch bei den Grünen gibt es Kritiker.

Der geplante Teilverkauf des Hamburger Hafenkonzerns HHLA an die Schweizer Reederei MSC ist auf der Zielgeraden. Einmal hat die Bürgerschaft dem umstrittenen Deal mit der Mehrheit der Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen bereits zugestimmt. Das war in der letzten Sitzung vor der Sommerpause im Juli. Und die Abgeordneten sind entschlossen, dem Geschäft in der sogenannten zweiten Lesung durch die Bürgerschaft bei der ersten Sitzung nach der Sommerpause am Mittwoch kommender Woche endgültig grünes Licht zu erteilen.

Doch vor der entscheidenden Abstimmung bauen Gegner des Deals noch einmal großen Druck auf die Abgeordneten auf. Und diese Gegner finden SPD und Grüne nicht nur in der Opposition, sondern jetzt auch in den eigenen Reihen. Neben den Hafenarbeitern und der Gewerkschaft Ver.di, die mit einer Aktionswoche noch einmal ihren Protest gegen MSC vorbringen, haben sich nun zahlreiche SPD-Mitglieder mit einem offenen Brief an die Genossen in der Bürgerschaft gewandt, um sie von dem Vorhaben abzubringen.

Hamburg: Widerstand in der SPD gegen Teilverkauf der HHLA an MSC wächst

Wie berichtet, will der Hamburger Senat den größten und wichtigsten Hamburger Hafenkonzern HHLA künftig zusammen mit dem strategischen Partner MSC führen. Die Schweizer Reederei soll dazu bis zu 49,9 Prozent der Anteile an der HHLA erwerben. Einen Großteil der Aktien hat sie bereits an der Börse aufgekauft. Der Senat will seine HHLA-Beteiligung von derzeit 70 auf 50,1 Prozent reduzieren und 19,9 Prozent an MSC abgeben.

Das Containerschiff „MSC Zoe“ der Reederei MSC wurde im Hamburger Hafen getauft.
Das Containerschiff „MSC Zoe“ der Reederei MSC wurde im Hamburger Hafen getauft. © HA / Klaus Bodig | Klaus Bodig

Bürgermeister Peter Tschentscher, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (alle SPD), die den Deal im Alleingang eingefädelt haben, erhoffen sich durch die Beteiligung der weltgrößten Reederei, dem Hamburger Hafen und der HHLA neuen Schwung zu verleihen.

Stellt MSC-Deal Genossen vor die Zerreißprobe?

Die kritischen Genossen wollen hingegen ihrem Bürgermeister nicht folgen, sie befürchten den Verlust der Kontrolle über die Hafenentwicklung wegen des Vetorechts für MSC. In einem „offenen Brief an die sozialdemokratischen Abgeordneten in der Hamburgischen Bürgerschaft“ verweisen sie auf die Rolle der Sozialdemokratie in der mehr als 800-jährigen Geschichte des Hamburger Hafens.

„Vom Hafen aus hat die Arbeiter:innenbewegung sozialere Verhältnisse erkämpft und gegen Kriege und Diktaturen gewirkt. Darauf fußt die sozialdemokratische Politik in Hamburg.“ Der Hafen als Teil der Infrastruktur gehöre unter demokratische Kontrolle und habe den wirtschaftlichen Interessen aller zu dienen und nicht dem Gewinninteresse einzelner Konzerne.

Zahlreiche SPD-Mitglieder gegen MSC-Deal

Frühere Erfahrungen wie beim Verkauf der städtischen Krankenhäuser hätten gezeigt, dass Privatisierungen der öffentlichen Infrastruktur die private Monopolmacht stärke, die Staatskassen nachhaltig belaste und Verschlechterungen für die Beschäftigten sowie die Gesamtbevölkerung bringe, heißt es in dem Brief.

Der Deal mit MSC müsse abgelehnt werden. Stattdessen fordern die Kritiker die vollständige Rekommunalisierung der HHLA. Es gehe um sozialdemokratische Grundsätze. „Gemeinsam mit Hafen-Belegschaft, Gewerkschaften und engagierter Zivilgesellschaft wirken wir dafür und fordern Euch auf, daran mitzuwirken.“

MSC-Kritiker: HHLA soll wieder zurück in staatliche Hand

Zu den Unterzeichnern gehören 43 Parteimitglieder aus zahlreichen Kreisen und Distrikten sowie ein ehemaliges Mitglied: Torsten Teichert. Einst Vize-Präses der Handelskammer und selbst Geschäftsführer eines Schifffahrtunternehmens, wettert er jetzt: „Hamburg gibt mit der Zusammenarbeit mit MSC für mindestens 40 Jahre seine Kontrolle über den für unsere Stadt existenziellen Hafen auf. Diese Entscheidung ist komplett wahnsinnig.“

Berkay Gür ist Sprecher des Landesvorstands Grüne Jugend Hamburg. Auch er kritisiert den MSC-Deal.
Berkay Gür ist Sprecher des Landesvorstands Grüne Jugend Hamburg. Auch er kritisiert den MSC-Deal. © Henning Angerer | Henning Angerer

Widerstand gegen den MSC-Einstieg kommt auch aus der zweiten Regierungspartei, den Grünen. Auch dort sehen einzelne Abgeordnete den HHLA-Anteilsverkauf sehr kritisch, am schärfsten positioniert sich aber die Grüne Jugend (GJ). „Dieser Deal wird die Hafenwirtschaft nicht funktionsfähiger machen, sondern dient lediglich der Rentabilität eines einzelnen Konzerns“, sagt Berkay Gür, Landessprecher der Nachwuchsorganisation in Hamburg.  

Grüne Jugend kündigt Widerstand gegen MSC-Deal an

Für die Grüne Jugend kündigt er massiven Widerstand an: „Wir werden nicht dabei zusehen, wie sich der Senat veräppeln lässt“, so Gür. „Die rot-grüne Landesregierung spekuliert und fantasiert, dieser Deal würde dem Hafen bedeutende Gewinne bringen. Es ist jedoch keine Spekulation der Beschäftigten, dass ihre Arbeitsbedingungen weiter prekarisiert werden.“ Damit spricht der Grünen-Nachwuchs zwar vielen Hafenarbeitern aus der Seele, die seit Monaten gegen den Deal protestieren. Von „Prekarisierung“ sind die meisten aber weit entfernt: HHLA-Mitarbeiter verdienen im Durchschnitt mehr als 90.000 Euro im Jahr und gehören damit zu den bestverdienenden Arbeitnehmern in Hamburg.

Mehr zum Thema

Ob der Widerstand bei den Bürgerschaftsabgeordneten zum Umdenken führt, bleibt abzuwarten. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Milan Pein, glaubt jedenfalls weiter an den Deal. „Die Rahmenbedingungen im Seegüter- und Containerumschlag haben sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Wenn der Hamburger Hafen den Anschluss an die Konkurrenzhäfen halten will, braucht er einen starken Partner. Die Kooperation mit MSC sorgt für zusätzliche Ladung, neue Investitionen und sichert die langfristige Entwicklung des Wirtschaftsstandortes.“

Die Mehrheit an der HHLA und damit die Entscheidungshoheit liege weiterhin bei der Stadt. Auch die Flächen des Hafens blieben in städtischer Hand. „Die Mitbestimmung und die Arbeitnehmerrechte bleiben gesichert“, sagt Pein, als Reaktion auf die Sorgen der Kritiker aus SPD und Grünen.