Hamburg. Telefonate im Internet per WhatsApp oder Zoom nehmen stark zu. Welche Firmen einen Online-Anschluss ohne Telefonnummer anbieten.
Schon seit etlichen Jahren gilt das Faxgerät als so etwas wie ein Relikt aus einer vergangenen Ära. Nun sieht es so aus, als gehe das gute alte Festnetztelefon den gleichen Weg: Im vorigen Jahr nahm in Deutschland das über Festnetze abgewickelte Gesprächsvolumen um 20 Prozent gegenüber 2022 auf 64 Milliarden Minuten ab. „Damit setzt sich der kontinuierliche Rückgang von Festnetzgesprächsvolumen, der durch die Pandemie unterbrochen wurde, weiter fort“, heißt es dazu von der Bundesnetzagentur. Im Schnitt ist die Gesprächszeit über die „Strippe“ pro Kopf und Jahr seit 2020 um 8 Stunden auf knapp 13 Stunden gesunken.
Nicht nur in Privathaushalten werden die – heute meist schnurlosen – Telefone mit Festnetznummer immer seltener genutzt; in vielen Fällen stehen sie allenfalls noch dafür bereit, Anrufe von älteren Verwandten anzunehmen. Manche Unternehmen in Hamburg, unter anderem der Elektronikkonzern Philips, haben die klassischen Bürotelefone schon komplett abgeschafft. Besonders radikal zeigte sich der einzige Telekommunikationsanbieter Grönlands: Er stellte die aus seiner Sicht „obsolete“ Technik zum Jahresende 2022 kurzerhand ein.
Hamburg: Telefonieren im Festnetz rückläufig – Gespräche im Internet boomen
Allerdings geht in Deutschland der Rückgang der Festnetztelefonie erstaunlicherweise nicht mit einer Zunahme der Gespräche über Mobilfunknetze einher – im Gegenteil: Im vergangenen Jahr hat das Volumen der von mobilen Geräten (üblicherweise Smartphones) aus geführten Telefonate ebenfalls abgenommen. Um knapp vier Prozent auf 153,5 Milliarden Minuten.
Rasch auf dem Vormarsch dagegen ist die nummernunabhängige Sprachtelefonie über sogenannte Messenger-Dienste wie etwa WhatsApp (plus 45 Prozent auf 175 Milliarden Minuten) sowie die Online-Videotelefonie über Programme wie Zoom oder Microsoft Teams (plus 23 Prozent auf 176 Milliarden Minuten). Letzteres wird seit der Pandemie vor allem für die interne Kommunikation von Unternehmen sehr stark genutzt.
Hamburg: Wer auf Festnetz verzichtet, spart um 5 Euro im Monat
Julia Rehberg, Telekommunikationsexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg, kann die Verhaltensänderung auch aufgrund ihrer Beratungspraxis bestätigen: „Während für Gespräche ins Ausland vor einigen Jahren sehr häufig Call-by-Call-Anbieter genutzt wurden, sind diese inzwischen weitgehend vom Markt verschwunden – heute telefonieren schon viele Menschen über WhatsApp mit Bekannten oder Verwandten im Ausland.“
Anhand der Daten der Bundesnetzagentur liegt jedoch der Schluss nahe, dass auch viele Hamburgerinnen und Hamburger weiter Monat für Monat für einen Service – nämlich die Bereitstellung eines Festnetz-Telefonanschlusses – zahlen, den sie kaum noch oder gar nicht mehr wirklich in Anspruch nehmen. Wer darauf verzichten kann, etwa weil er ohnehin in der Regel mobil telefoniert, spart in der Regel 5 Euro monatlich.
Telefonieren: Große Preisunterschiede bei Internettarifen ohne Festanschluss
Für Hamburg sind allerdings nicht sehr viele Angebote für einen reinen Internetanschluss per DSL- oder Glasfaserleitung ohne eine Telefon-Option verfügbar. Ein Beispiel dafür ist der Tarif „GigaZuhause Basic 250 DSL“ von Vodafone. Er kostet dauerhaft 44,99 Euro, während man für einen sonst vergleichbaren Tarif mit Telefon („GigaZuhause 250 DSL“) ab dem zehnten Monat 49,99 Euro (bis dahin 19,99 Euro) zahlt.
Beim norddeutschen Wettbewerber Freenet mit mehr als 400 Beschäftigten in Hamburg gibt es unter anderem das Produkt „DSL 100“, das ebenfalls keine Festnetztelefonie umfasst. Im Vergleich zu dem Vodafone-Tarif ist die Download-Geschwindigkeit niedriger (maximal 100 Megabit pro Sekunde gegenüber bis zu 250 Megabit/s), dafür zahlt man auch nur 34,99 Euro im Monat.
Deutlich günstiger ist PYUR, eine Marke der Tele Columbus: Die Internetverbindung mit bis zu 100 Megabit/s ohne Telefonanschluss kostet 19,99 Euro pro Monat. Nahezu den gleichen Preis (19,90 Euro) nennt das Hamburger Unternehmen Willy.tel für den Tarif „willy.web basic“, der jedoch nur 10 Megabit/s vorsieht. Im Produkt „willy.web 100“ mit 100 Megabit/s für 24,90 Euro ist ein kostenloser Telefonanschluss optional.
Heim-Internet geht auch ganz ohne Kabel – per Mobilfunknetz
Es geht aber auch ganz ohne Kabel. Mehrere Telekommunikationsanbieter haben eine stationäre Internetverbindung für zu Hause über das Mobilfunknetz anstelle eines Festnetzanschlusses im Programm. Solche Tarife gibt es auch ohne die Telefon-Option. Derartige Angebote können nicht zuletzt für junge Menschen, die häufiger umziehen, praktisch sein. Sie stellen die Box, die die Internetverbindung über ein Handynetz liefert, einfach in der neuen Wohnung auf und können sofort wieder über den integrierten WLAN-Router „surfen“ – und natürlich auch per Internet telefonieren.
Für 20 Euro gibt es zum Beispiel den Tarif „Homespot 30“ von Congstar, einer Marke der Deutschen Telekom. Er bietet einen drahtlosen Internetanschluss mit Download-Geschwindigkeiten bis zu 50 Megabit pro Sekunde, jedenfalls bis zu einem Datenvolumen von 50 Gigabyte pro Monat. Ist das Limit erreicht, wird die Geschwindigkeit drastisch auf 384 Kilobit/Sekunde reduziert.
Bei Tarifen mit Datenvolumen-Begrenzung kann das Limit schnell erreicht sein
Auch Freenet wirbt für Heim-Internetverbindungen über das Mobilfunknetz. Für den Tarif „Internet LTE“ verlangt das Unternehmen monatlich 34,99 Euro. Hier liegt das Übertragungstempo nur bei maximal 15 Megabit/s, dafür gilt aber keine Volumenbegrenzung.
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Einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte zufolge sind derartige Angebote für Internetanschlüsse per Handynetz bisher bei Verbrauchern in Deutschland noch nicht sehr bekannt. Und von allen, die ein solches Produkt heute schon nutzen, sind nur 68 Prozent mit der Leistung zufrieden. Außerdem sollte man bedenken: „Wenn sich mehrere Personen in einem Haushalt einen Anschluss mit einer Volumenbegrenzung für das schnelle Internet teilen, kann das Limit recht bald erreicht sein“, sagt Julia Rehberg.
Internet per Handynetz – Nur zwei Drittel sind zufrieden
Am weiteren Vordringen der Sprachtelefonieformen abseits des traditionellen Festnetzes werden aber auch solche möglichen Hemmnisse wohl nichts ändern.