Hamburg. Fenster aus Panzerglas, kantiges Edelstahl-Blech und ein Design, das provoziert. Fährt der Pick-up bald auf deutschen Straßen?

„Wir brauchen wieder mehr Autos mit Ecken und Kanten.“ Wer angesichts des heutigen Allerweltsdesigns vor allem im SUV-Segment so denkt, der sollte sich den vollelektrischen Cybertruck von Tesla anschauen. Das futuristische Offroad-Konzept, das seit November in den USA zu haben ist, kommt daher wie ein wildgewordener Mars-Rover und ist jetzt – zunächst allerdings nur für ein paar Tage – erstmals in Hamburg zu sehen.

„Er polarisiert, er provoziert, manche Betrachter sind gar schockiert ob des in Edelstahl gehüllten Koloss“, schrieb das Fachmagazin „Auto, Motor und Sport“ kürzlich, als es zum Start der Roadshow über den Cybertruck berichtete. Und das völlig zu Recht. Mehr als 100 Städte in Europa und im Nahen Osten stehen derzeit auf dem Tourneeplan – den Auftakt der Deutschland-Visite hatte es in Düsseldorf gegeben, nun ist vom 10. bis zum 13. Juli das Tesla-Center in Hamburg dran. In Wandsbek können sich nach vorheriger Anmeldung Interessierte vier Tage lang zwischen 9 und 18 Uhr den Cybertruck genauer ansehen, Selfies machen und einmal vom Offroad-Fahren der etwas anderen Art träumen. Mehr als 1500 Interessenten haben sich schon gemeldet, es gibt aber noch freie Slots.

Tesla Cybertruck: Er polarisiert und provoziert mit seinem Design

Doch was für ein Auto ist das eigentlich, dieser Cybertruck? Und welche Idee steckt dahinter? Erstmals vorgestellt wurde der Prototyp im November 2019, damals allerdings zunächst noch als Designstudie. Tesla-Chef Elon Musk, der mit seinen Weltraum-Aktivitäten rund um Space-X und Starlink längst weiterdenkt als nur in irdischen Grenzen, kündigte damit ein neues Fahrzeug an, das mit vielen Konventionen brechen und zugleich einen vor allem in den USA wichtigen Markt bedienen soll: den der großen Pick-ups.

Der Abendblatt-Reporter durfte sich das Fahrzeug bereits ansehen und die Bedienung testen.
Der Abendblatt-Reporter durfte sich das Fahrzeug bereits ansehen und die Bedienung testen. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Mit kantigen Blechen aus unlackiertem, ultrahartem Edelstahl, über 40 Zentimetern Bodenfreiheit, Fensterscheiben aus Panzerglas und potenten Elektromotoren setzt der Cybertruck einen radikalen Kontrapunkt zu beliebten US-Modellen wie Fords F-150, dem Chevrolet Silverado oder dem Dodge Ram. Das, was Tesla-Chefdesigner Franz von Holzhausen hier erschaffen hat, soll Stärke zeigen, und das tut es auch, in natura noch mehr als auf Fotos. Die Karosserie versucht gar nicht erst, mit irgendwelchen Rundungen Sanftmut zu zeigen, und auch die Dimensionen können zumindest Europäer verschrecken: Mit 5,68 Metern Länge, 2,41 Metern Breite (mit Spiegel) und einer Höhe von 1,79 Metern ist die Serienversion zwar etwas kompakter als 2019 angekündigt, für hiesige Straßen aber immer noch riesig.

Teslas Cyberbeast hat umgerechnet rund 845 PS

Für den Antrieb stehen drei Versionen zur Wahl, die stärkste nennt sich Cyberbeast und protzt mit umgerechnet 845 Pferdestärken. Damit kann der Allrad-Pick-up in nur 2,7 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen, ein Wert, der nur knapp über jenen in der Formel 1 liegt. Maximal sind bei dieser Version 209 km/h als Höchstgeschwindigkeit drin, dann wird aus Sicherheitsgründen abgeriegelt. Erstaunlich spät angesichts der US-Tempolimits, die nicht über 75 Meilen (121 Kilometer) pro Stunde hinausgehen.

Die etwas zivileren Modellvarianten begnügen sich mit 180 (Allradantrieb) bzw. 160 km/h (Hinterradantrieb) Höchsttempo bei immer noch sehr flotten Beschleunigungswerten (4,3 bzw. 6,7 Sekunden).  Aufgeladen wird per Starkstrom (250 kW), in 15 Minuten sollen so bis zu 206 Kilometer Reichweite nachgetankt werden können. Insgesamt liege die Reichweite pro Ladevorgang bei bis zu 547 Kilometern (Version Allrad), mit einem Reichweiten-Extender, der auf der Ladefläche montiert werden kann, sollen es sogar mehr als 755 Kilometer sein, abhängig von der Fahrweise natürlich.

Die Ladefläche des vollelektrischen Pick-ups ist im Normalfall unter einer elektrisch bedienbaren Abdeckung versteckt.
Die Ladefläche des vollelektrischen Pick-ups ist im Normalfall unter einer elektrisch bedienbaren Abdeckung versteckt. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Beim Hamburg-Termin sind keine Probefahrten mit dem Cybertruck möglich, schließlich ist es eines von nur einer Handvoll Autos in Europa, die für die Roadshow angeliefert wurden. Fachmagazine, die in den USA bereits den straßenzugelassenen Tesla-Pick-up ausgiebiger testen konnten, berichten von einem durchaus zwiegespaltenen Fahreindruck.

„Im krassen Gegensatz zu dem hammerharten Look ist das Fahrgefühl angenehm, als wir auf den Highway gleiten. Der Tesla gibt sich komfortabel und ausdauernd auf der Fahrt, alles im Widerspruch zu seinem außerweltlichen Aussehen“, schreibt zum Beispiel die „Auto Zeitung“. Der ADAC hingegen konstatiert: „Während sich der Cybertruck auf der Geraden als typischer Tesla erweist, muss man sich ans Kurvenfahren erst noch gewöhnen. Als wäre das oben und unten abgeflachte, eckige Lenkrad nicht schon eigenwillig genug, setzt Tesla hier auch noch auf eine Steer-by-Wire-Technologie ohne mechanische Verbindung zu den Rädern.“ Auch sei die Luftfederung, mit der die Bodenfreiheit auf Knopfdruck erhöht werden kann, so hart, dass schon kleine Schlaglöcher oder Temposchwellen im Parkhaus zur Tortur werden.

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Derartige Malaisen lassen sich sicher im Laufe der nächsten Monate via Feintuning noch abstellen. Bleiben wird hingegen das Interieur, das bewusst minimalistisch angerichtet ist, aber keineswegs spartanisch. Einiges erinnert an Teslas Modelle 3, Y und S, es gibt fünf Sitzplätze, ein üppiges Soundsystem und eine Ambientebeleuchtung. Die Türen öffnen und schließen elektrisch, ebenso der kleine Trunk vorne. Das Infotainmentsystem wird über einen 18,5-Zoll-Touchscreen gesteuert, der über der Mittelkonsole thront. Hier muss der Fahrer auch sein Tempo ablesen, ein separates Cockpit in Blickrichtung gibt es nicht. Ursprünglich soll Musk mal geplant haben, in der vorderen Reihe drei Sitzplätze einzubauen, dies wurde jedoch zugunsten der Mittelkonsole aufgegeben. Dort kann man zwei Smartphones kabellos oder über zwei USB-C-Anschlüsse laden.

Dass der Cybertruck ein Pick-up ist, sieht man ihm auf den ersten Blick gar nicht an. Wird die Abdeckung allerdings elektrisch geöffnet, kommt hinter der Fahrerkabine eine fast zwei Meter lange Ladefläche zum Vorschein. Es ergibt sich laut Tesla ein Stauraum von 3424 Litern, das ist etwa das Zehnfache eines VW Polo. Die Abdeckung soll übrigens bis zu 300 kg aushalten, man könnte also draufstehen.

In den USA ist das kantige Pick-up-Modell schon ab 57.390 Dollar zu haben

In den USA ist der Cybertruck seit gut einem halben Jahr auf dem Markt, dort kostet er zwischen 57.390 und 96.390 US-Dollar, wobei die günstigen Varianten erst 2025 auf den Markt kommen werden. Bei den Preisen sind schon „estimated gas savings“ eingerechnet, also geschätzte Einsparungen beim Tanken in Höhe von ca. 3600 Dollar über die ersten drei Jahre. Dass die Tesla-Kante bald auf deutschen Straßen unterwegs ist, scheint hingegen fraglich. Ein Tesla-Sprecher bestätigte dem Abendblatt, dass es derzeit keine derartigen Pläne gebe, man konzentriere sich zunächst auf den US-Markt. Ohnehin müssten vor der Zulassung in Deutschland noch einige Anpassungen erfolgen, vor allem beim Fußgängerschutz sind Experten mehr als skeptisch. Völlig ausgeschlossen ist eine Europa-Version aber nicht.

In Hamburg erst anmelden, sonst kommt man nicht zum Cybertruck

Wer den Tesla Cybertruck in den nächsten Tagen aus der Nähe sehen will, muss sich vorher anmelden unter https://www.tesla.com/de_de/cyber-odyssey