Hamburg. Immer mehr Firmen erproben ein neues Arbeitszeitmodell. Wie sich das bei Installateur, Tischler und Dachdecker auswirkt.
In seinen Stellenanzeigen wirbt Martin Krüger schon damit: Vier-Tage-Woche möglich. Der Fachbetrieb für Haustechnik, Heizung und Sanitär Karl Krüger & Sohn aus Eimsbüttel möchte im Handwerk neue Wege gehen. „Wir sind auf der Suche nach Fachkräften und haben uns überlegt, wie wir uns von anderen Betrieben absetzen können“, sagt Martin Krüger.
Er ist Geschäftsführender Gesellschafter des Handwerksbetriebes mit insgesamt 25 Mitarbeitern. Gesellen, die nach der regulären Arbeitszeit noch den Notdienst übernehmen, können jetzt schon von einer Vier-Tage-Woche profitieren. „Wir wollen das Konzept aber nicht überstülpen, sondern behutsam entwickeln“, sagt Krüger.
Hamburgs Handwerk startet in Vier-Tage-Woche
Nils Grimm ist in seiner gleichnamigen Möbeltischlerei schon einen Schritt weiter. „Wir praktizieren die Vier-Tage-Woche seit April 2023, aber wir haben anderthalb Jahre an der Umsetzung getüftelt“, sagt er.
Immer mehr Handwerksbetriebe in Hamburg gehen diesen Weg. Aber längst nicht alle wollen darüber sprechen. Krüger kennt einen kleinen Elektrofachbetrieb, der freitags geschlossen hat. „So einfach können wir uns das nicht machen, denn wir müssen für Notfälle immer erreichbar sein“, sagt der Meister.
Handwerk: Es dauert bis zu neun Monate, offene Stellen zu besetzen
„Zahlenmäßig haben wir die Betriebe mit der Vier-Tage-Woche noch nicht erfasst, aber es werden immer mehr in Hamburg“, sagt Christiane Engelhardt, Sprecherin der Handwerkskammer Hamburg. Das zeige sich auch daran, dass dieser Punkt immer häufiger in Stellenanzeigen auftaucht. Die Betriebe reagieren damit auf ein wichtiges Thema für Arbeitnehmer.
Die Handwerksbetriebe hoffen angesichts des Fachkräftemangels vor allem auf mehr Bewerber, wenn sie eine Vier-Tage-Woche anbieten. Bundesweit fehlen 400.000 Fachkräfte im Handwerk. Eine Zahl für Hamburg wird nicht erhoben. Es dauert Monate, bis offene Stellen in der Hansestadt wieder besetzt werden können, wie die Statistik der Arbeitsagentur Hamburg zeigt.
Arbeitszeit: 81 Prozent sind interessiert an Vier-Tage-Woche
Im Sanitär- und Heizungshandwerk sind es rund neun Monate, sechs Monate dauert es im Malerhandwerk. Bei Friseuren dauert es fünfeinhalb Monate und bei Berufen im Bäckerhandwerk fast acht Monate. „Die Betriebe drehen an den Arbeitszeiten, experimentieren mit einer Vier-Tage-Woche und locken auch mit einer Bezahlung über Tarifniveau, um neue Fachkräfte zu gewinnen“, sagt Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer.
Aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung geht hervor, dass sich 81 Prozent der Vollzeiterwerbstätigen eine Vier-Tage-Woche mit entsprechend niedrigerer Wochenarbeitszeit wünschen. Knapp 73 Prozent geben dabei an, eine Arbeitszeitverkürzung nur bei gleichem Lohn zu wollen. „Der Wunsch nach einer Vier-Tage-Woche ist dominant unter den abhängig Beschäftigten. Es handelt sich dabei keineswegs um eine kleine Gruppe mit avantgardistischen Zeitwünschen“, sagt Studienautorin Eike Windscheid.
Preis der Vier-Tage-Woche: Bis zu zehn Stunden am Tag arbeiten
Acht Prozent der Erwerbstätigen würden nach der Böckler-Studie ihre Arbeitszeit auch reduzieren, wenn dadurch das Entgelt geringer ausfiel. 17 Prozent der Befragten lehnen eine Vier-Tage-Woche ab, zwei Prozent haben ihre Vollzeittätigkeit bereits auf vier Tage verteilt.
Auch eine spezielle Umfrage im Handwerk kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Danach sind 82,5 Prozent aufgeschlossen für eine Vier-Tage-Woche. Allerdings enthält die Fragestellung noch eine wichtige Prämisse: Bei diesem Arbeitszeitmodell müssten die befragten Handwerker entweder zehn Stunden am Tag arbeiten oder mit einem minimalen Verdienstverlust rechnen.
Mit Lohnausgleich würde die Arbeit für die Kunden 20 Prozent teurer
Denn weniger arbeiten mit Lohnausgleich ist im Handwerk nicht drin. „Neben den ohnehin schon gestiegenen Kosten müsste dann unser Stundensatz noch um weitere 20 Prozent steigen“, sagt Grimm. „Das werden die Kunden kaum akzeptieren. Wir haben eine Wochenarbeitszeit zwischen 36 und 40 Stunden. Wenn jetzt einmal nur 36 Stunden in vier Tagen erreicht werden, so werden keine Minderstunden auf dem Stundenkonto gebucht“, sagt Grimm.
Längere Erfahrung mit der Vier-Tage-Woche hat Dachdecker- und Zimmerermeister Sascha Rathje aus Wedel in seinem gleichnamigen Betrieb. Er praktiziert das bereits seit 2021. „Ich wollte ein besseres Betriebsklima erreichen“, sagt er. Bevor er die Vier-Tage-Woche mit dem gesamten Betrieb mit 18 Mitarbeitern umgesetzt hat, probierte er das erst einmal selbst aus. Und er war überrascht.
Wedeler Dachdecker passt Arbeitszeit an die Jahreszeit an
„Ich arbeitete produktiver und war erholter“, sagt er. Dann hat er das Konzept in einer Betriebsversammlung vorgestellt. Vier Tage wird ab April bis Ende September gearbeitet, denn in diesem Zeitraum sind die Tage länger. In der übrigen Zeit kehrt man zur Fünf-Tage-Woche zurück, weil nicht so lange auf den Dächern gearbeitet werden kann und witterungsbedingte Pausen es schwer machen würden, in vier Tagen auf die wöchentliche Arbeitszeit zu kommen.
In Frühjahr und Sommer werden dann 9,5 Stunden von Montag bis Donnerstag gearbeitet. „Ich habe viele Modelle durchgerechnet, schließlich wollte ich für die Mitarbeiter Lohneinbußen durch weniger Stunden vermeiden“, sagt Rathje. Heraus kam eine Vier-Tage-Woche mit 38 statt der üblichen 40 Stunden. Die etwas geringere Arbeitszeit pro Mitarbeiter hat Rathje mit einer Lohnerhöhung ausgeglichen. „Bei uns ist auch Fahrzeit zur Baustelle Arbeitszeit“, sagt Rathje. Das sei im Handwerk noch keine Selbstverständlichkeit.
Kunden profitieren von längerer Arbeitszeit der Handwerker
Nachdem Rathje das Modell vorgestellt hatte, konnten die Mitarbeiter ohne ihn unter sich beraten. „Nur zwei Mitarbeiter reagierten zunächst etwas zögerlich, sind aber inzwischen umso begeisterter von dem Modell“, sagt Rathje. Schließlich gibt es keinen Zwang, wer möchte, darf freitags und sonnabends arbeiten und wird ganz normal dafür bezahlt.
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Wirtschaftlich sei die Vier-Tage-Woche nicht mit Nachteilen verbunden. „Wir haben weder einen Umsatz- noch einen Gewinnrückgang“, sagt Rathje. „Und wir sind produktiver geworden. Auf das Betriebsklima hat sich die Vier-Tage-Woche nur positiv ausgewirkt.“ Das sieht Nils Grimm ähnlich: „Die Vier-Tage-Woche ist produktiver als die Fünf-Tage-Woche.“ Es werde etwas länger gearbeitet und das verhindere, dass die Baustelle dann am Folgetag nochmals angefahren werden muss. Das kommt auch den Kunden entgegen, die dann nicht erneut frei nehmen müssen.
Eigentlich darf nur acht Stunden am Tag gearbeitet werden
Grimm hat seine Belegschaft für das neue Arbeitszeitmodell aufgespalten. Die eine Hälfte hat freitags frei, die andere am Montag, wobei dabei regelmäßig gewechselt wird. Im Schnitt müssen täglich anderthalb Stunden mehr gearbeitet werden.
Eigentlich ist die Arbeitszeit auf acht Stunden am Tag begrenzt. Aber sie kann auch auf bis zu zehn Stunden am Tag verlängert werden, wenn die Arbeitsstunden im Schnitt in einem Zeitraum von sechs Monaten nicht acht Stunden täglich überschreiten. Der freie Tag drückt den Tagesschnitt in den zulässigen Bereich. So werden Neun- und Zehn-Stunden-Tage möglich.
Arbeitszeit: Handwerk will sich gegenüber der Industrie abheben
Die Handwerksbetriebe wollen mit der Vier-Tage-Woche im Wettbewerb um Fachkräfte gegenüber der Industrie punkten. Denn die Löhne sind im Handwerk niedriger als in der Großindustrie mit ihren deutlich höheren Umsätzen. „Zudem kennen sich die Handwerksbetriebe mit flexiblen Einsatz- und Ressourcenplanungen aus“, sagt Christiane Engelhardt von der Handwerkskammer Hamburg. Das erleichtere ihnen die Umsetzung gegenüber Großbetrieben.
Doch ein Allheilmittel ist die Vier-Tage-Woche nicht. Meister Krüger hat zwar zwei neue Gesellen gefunden. Doch die wollen lieber im normalen Rhythmus arbeiten: 37 Stunden an fünf Tagen. Dabei sind sie am Freitag nur fünf Stunden tätig. Für die Vier-Tage-Woche müssen dann die fünf Stunden auf die anderen vier Tage verteilt werden. Krüger sieht das Interesse bei jüngeren Mitarbeitern stärker ausgeprägt als bei älteren.