Hamburg. Verbraucherschützer kritisieren zunehmenden Wegfall von analogen Bankgeschäften. Wie Hamburger Geldinstitute reagieren.

Wenn bei einer großen Bank ihr digitales Kundengeschäft zeitweise nicht funktioniert, so wie zuletzt mehrfach bei der Postbank wegen einer IT-Umstellung, erregt das Aufsehen und liefert Schlagzeilen. Von einer anderen Nutzergruppe, die aus dem entgegengesetzten Grund mit ihrem jeweiligen Geldinstitut unzufrieden ist, hört man gemeinhin aber eher wenig: Es sind die Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Motiven kein Onlinebanking betreiben.

Da sind zunächst die Älteren, die sich nicht mehr an einen digitalen Zugang zu ihrer Bank oder Sparkasse gewöhnen können oder wollen. Daneben gibt es die Gruppe derer, die das Internet oder generell einen eigenen Computer meiden. Laut dem Statistischen Bundesamt leben in Deutschland immerhin knapp sechs Prozent der Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren komplett „offline“. Und schließlich gibt es Personen, die zwar im Alltag durchaus regelmäßig Online-Medien verwenden, aber wegen Sicherheits- oder Datenschutzbedenken nicht ihre Bankgeschäfte darüber abwickeln möchten.

Onlinebanking: Muss es ein Recht auf „analoges Leben“ geben?

Auch im Finanzbereich ist das ein relevantes Thema. So lautet einer der Tagesordnungspunkte einer internationalen Konferenz, die das verbraucherschutzorientierte Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen (iff) im Juni in der Hansestadt ausrichtet, denn auch „Digitalisierung und das Recht auf analoges Leben“.

In der Politik kommt die Forderung nach einem solchen Recht nicht nur von populistisch ausgerichteten Kleinparteien. Auch in der SPD und der CDU wird sie hier und da erhoben. Viele Ältere drohten „in der zunehmend digitalen Welt abgekoppelt“ zu werden, sagt etwa Otto Wulff, Bundesvorsitzender der Senioren-Union der CDU. Selbst bei einfachen Dingen wie Überweisungen bei der Bank seien „Menschen ohne Internetzugang im Nachteil“, stellt der frühere Direktor der Deutschen Bank fest. „Aufgrund der ausgedünnten Filialnetze sind viele Seniorinnen und Senioren schon nicht mehr in der Lage, ohne fremde Hilfe die eigene Rente abzuholen“, so Wulff. „Diese Ausgrenzung ist ein unhaltbarer Zustand.“

„Viele Menschen sehen nicht ein, warum sie Banken die Arbeit abnehmen sollen“

In Deutschland hat die Forderung nach einem Recht auf analoges Banking allerdings bisher nicht annähernd so viel Wirkung gezeigt wie in Spanien. Dort gelang es dem pensionierten Chirurgen Carlos San Juan da Laorden, nachdem er wegen seiner Parkinson-Erkrankung nicht mehr ohne Weiteres die richtigen Tasten für das Onlinebanking oder am Geldautomaten treffen konnte, mit einer äußerst erfolgreichen Online-Petition unter dem Titel „Ich bin alt, aber nicht blöd“ selbst die Regierung zum Handeln zu bewegen. Daraufhin verpflichteten sich spanische Banken unter anderem, ihre Filialöffnungszeiten wieder auszuweiten und älteren Menschen bevorzugten Zugang zu den Schaltern zu gewähren. Selbst die „New York Times“ berichtete im vergangenen Jahr ausführlich über den Mann aus Valencia und seine Kampagne.

Auch Kerstin Föller, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, hört häufig Klagen über die Geschäftspolitik von Geldinstituten. „Viele Menschen sehen nicht ein, warum sie den Banken die Arbeit abnehmen und dafür sogar noch mehr zahlen sollen“, sagt sie. Mehrheitlich seien es zwar ältere Menschen, die damit ein Problem hätten. „Ich habe aber auch eine Frau beraten, die selbst von Datendiebstahl per ,Phishing’ betroffen war und seitdem nie wieder das Onlinebanking nutzen will“, berichtet Föller. Aufgrund ihrer Erfahrungen würde sie Forderungen nach einem Recht auf analoges Banking „eindeutig“ unterstützen, sagt die Verbraucherschützerin.

Anteil der Papierüberweisungen bei der Haspa schon unter zehn Prozent

Manche ältere Bankkunden erzählten ihr, man sei in den Filialen immer seltener behilflich beim Ausfüllen von Formularen, so Föller. Leider hebe sich keine der Banken durch besonders viel Verständnis für Offline-Kunden von den anderen ab: „Große Unterschiede sehen wir da nicht.“

Unbezweifelbar hat sich allein schon die Distanz, die Hamburgerinnen und Hamburger zur nächsten Filiale ihrer Bank oder Sparkasse zurücklegen müssen, in den zurückliegenden Jahren deutlich erhöht, denn alle größeren Wettbewerber haben die Zahl der Geschäftsstellen kräftig verringert. Begründet wird das nicht zuletzt mit dem Nutzungsverhalten der Kunden. So liege „der Anteil beleghafter Überweisungen mittlerweile bei unter zehn Prozent – Tendenz weiter deutlich abnehmend“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Die Zahl der Kunden, die regelmäßig das Onlinebanking nutzten, sei im vorigen Jahr um 100.000 auf 700.000 gestiegen.

Wie Banken erklären, warum analoge Überweisungen so teuer sein müssen

Auch bei der Hamburger Volksbank heißt es: „Der Trend, für das alltägliche Banking nicht mehr die Filiale aufzusuchen, hat sich verstetigt. Mittlerweile erledigen gut 80 Prozent unser Kundinnen und Kunden Routine-Bankgeschäfte online und mobil.“ Die Sparda-Bank Hamburg kann das noch toppen. Weil ihre Kunden eine „hohe Online-Affinität“ hätten, würden rund 96 Prozent der Überweisungen per Internet ausgeführt.

Allein schon durch die Gestaltung der Gebühren werden Offline-Kunden aber auch erheblich benachteiligt. Während eine Online-Überweisung entweder im Pauschalpreis des Kontos enthalten ist oder nur wenige Cent kostet, berechnet etwa die Haspa für die beleghafte Überweisung inzwischen 1,50 Euro, ebenso die Sparda-Bank Hamburg. Bei der Hamburger Volksbank kostet diese Dienstleistung 2,00 Euro und bei der Commerzbank sogar 2,50 Euro.

Derartige Buchungen seien im Gegensatz zu den vom Kunden selbst durchgeführten Online-Überweisungen „mit manuellem Aufwand verbunden“, sagt Heidi Melis, Sprecherin der Hamburger Volksbank, wobei „je nach Kontomodell“ beleghafte Überweisungen aber im Pauschalpreis enthalten sein könnten.

Die Haspa will älteren Kunden nun in der Filiale das Onlinebanking näherbringen

„Eine Papierüberweisung ist nicht nur weniger nachhaltig, sondern erfordert auch einen deutlich höheren Personalaufwand, der sich natürlich auch im Preis niederschlägt“, sagt dazu die Haspa-Sprecherin. Kunden, die eine Überweisung dennoch papiergebunden erledigen möchten, erhielten die Vordrucke „auf Wunsch natürlich auch weiterhin gerne vor Ort ausgehändigt“.

Immerhin: Um insbesondere ältere Menschen beim Onlinebanking zu unterstützen, hat die Haspa in diesem Jahr eine eigene Seminarreihe ins Leben gerufen, die einmal im Monat in allen sogenannten Nachbarschaftsfilialen stattfindet.