Hamburg. Technologie-Start-up Animalytics will Tierbesitzern gerade während der gefährlichen Herpes-Welle helfen.
Alle paar Tage misst Jenny Wiese bei ihrer Stute Fieber. Die Reiterin hält Bellas Schweif zur Seite, führt das Thermometer ein und wartet bis es piepst. 37,9 Grad Celsius. Das ist ein normaler Wert. Wiese lächelt. Denn aktuell ist die Sorge unter Reitern und Reiterinnen groß, das Pferd könnte sich mit dem Herpesvirus infizieren – so wie einige Tiere bei einem Turnier in Valencia vor ein paar Monaten. Acht Pferde sind daran gestorben, andere haben das Virus mit nach Deutschland gebracht. Seitdem sind weitere Pferde erkrankt, manche verendet.
Ein Start-up aus Hamburg wirbt nun mit einer Technologie, die dabei helfen könnte, Symptome der Krankheit frühzeitig zu erkennen. Mit der App HorseAnalytics Health können Nutzer eine Art digitale Gesundheitsakte fürs Pferd anlegen. Sie tragen die Vitalwerte ein, etwa die Körpertemperatur. Das Programm errechnet mit früheren Werten eine Kurve. Bricht ein Wert aus, kann der Halter die Grafik mit der Tierärztin teilen. So hätte es auch Wiese gemacht, hätte ihre Stute Fieber gehabt.
Die App speichert eine ganze Reihe Gesundheitswerte
Die 21-Jährige steht im Stall der Eltern in Henstedt-Ulzburg und schaut sich die neue Grafik an. Sie zeigt eine flache Kurve, hier und da mit 0,1 Grad Temperaturunterschied. Wiese ist mit dem Programm zufrieden, mit einer Einschränkung.
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„Man muss schon ein bisschen Motivation haben, um alle Daten einzutragen. Aber die App motiviert mich, weil ich schöne Graphen bekomme – und ohne die App wäre ich nie auf die Idee gekommen, auch mal die Blutwerte vom Pferd messen zu lassen.“ Diese können auch in der Akte gespeichert werden. Wiese ließ deshalb ein Blutbild erstellen. Dabei kam heraus, dass ihre Stute eine Stoffwechselkrankheit hat und ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten.
Symptome schneller sichtbar machen
Eine Diagnose könne die App nicht abgeben, sagt die Fachtierärztin für Pferde Veronika Klein (36). Das Programm erkenne auch nicht direkt das Herpesvirus. Doch durch die Graphen können Symptome schneller sichtbar werden. Die Ärztin sagt: „Wenn ich ein Gesundheitstagebuch führe, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich täglich Fieber messe höher als ohne. So kann eine Infektionserkrankung eher bemerkt werden.“ Allerdings ginge das auch mit Stift und Papier. Ob digital oder schriftlich, ist der Veterinärin nicht wichtig. Der Vorteil liege schlicht darin, dass das Handy meistens griffbereit sei.
Reiterin und Pferdeärztin kennen den Mann, der hinter der App steht. David Harder (32) ist der Geschäftsführer des Hamburger Tech-Start-ups Animalytics, zu dem das Programm HorseAnalytics Health gehört. Er leitet ein achtköpfiges Team. Die Pferdegesundheits-App ist seit November auf dem Markt. „Unsere Mission ist es, Tiere gesünder zu machen“, sagt Harder.
Influencerin wirbt auf Instagram für Downloads
Das Programm scheint in der Pferdeszene gut anzukommen. Die App war im März kurzzeitig auf Platz eins der Sport Top Charts im App Store. Die Zahl der Downloads kletterte steil nach oben. Zuvor hatte Influencerin Annika Hansen auf Instagram Werbung dafür gemacht.
Ob die Aktion dem Start-up mehr Umsatz gebracht hat, kann David Harder nicht beantworten. Zum einen weiß er nicht, ob die neuen Nutzer die kostenlosen Abos in Bezahlabos umwandeln. Zum anderen sind das sensible Daten, weil er auf Investorensuche ist. Eine schwarze Null habe er noch nicht schreiben können und wird es voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren auch nicht tun. Die Umsätze seit November lägen im mittleren fünfstelligen Bereich. Gegründet hat Harder sein Start-up mit Sitz in Barmbek-Nord im vergangenen Jahr.
App gibt es für 11,99 Euro
HorseAnalytics Health ist die neueste App. Auch die Vorgänger-Version mit dem Namen HorseAnalytics Pro gehört ihm. Dieses Programm kaufte der studierte Betriebswirt seinen ehemaligen Chefs für eine fünfstellige Summe ab, deren Firma 2019 insolvent ging. Diese App steht weiter zum Download bereit (einmalig 11,99 Euro).
Darin enthalten sind auch Trainingsaufgaben und eine Gang-Analyse. Sie zeigt an, ob das Tier eher die linke oder rechte Seite belastet. Dafür kommt das Handy in die Schabracke, eine Pferdedecke mit Außenfach. Die Sensoren im Smartphone analysieren den Gang, der GPS-Sender die zurückgelegte Strecke. Reiterin Jenny Wiese nutzt diese Funktion. „Man hat immer eine schlechte und eine gute Seite. Rechts ist unsere schlechtere“, sagt sie. Die Gang-Analyse habe das bestätigt.
Bald eine App für den Hund
Mit der neuen App will Harder weg vom reinen Übungscharakter der alten Version. Im Sommer gibt es für Bezahlabonnenten von HorseAnalytics Health (11,99 Euro) einen Tracker (49,99 Euro), der die Gesundheitsakte mit Daten versorgt. Den Minicomputer können die Halter am Halfter anbringen. Er misst die Aktivität des Pferdes. Die Ergebnisse speichert er in der Akte. Unübliche Ruhezeiten können dann als Indikator womöglich dienen, dass das Tier erkrankt ist – zum Beispiel am Herpesvirus.
App und Tracker bietet Harder bald auch für den Hund an. Er rechnet mit einer hohen Nachfrage. Unter dem Namen Furryfit soll die Software im dritten Quartal diesen Jahres zum Download bereitstehen. Beides war in ähnlicher Form bereits auf dem Markt. Der Gründer kaufte Furryfit der Konkurrenz ab und entwickelte sie weiter. Den Verkaufspreis behält er für sich.
Die Hunde-App wurde 2018 durch die Fernsehsendung „Die Höhe der Löwen“ bekannt. Ob es bei den Programmen für Pferd und Hund bleibt, lässt Harder offen. Er spielt mit dem Gedanken, auch noch Gesundheits-Apps für Kühe oder andere Nutztiere anzugehen.