Hamburg. Nach dem Seuchenjahr mit Corona, Herpesvirus und Großbrand auf ihrem Hof darf die Springreiterin wenigstens nach Tokio.
Am Ende wird alles gut, und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende. Als Mathilda Karlsson Mitte dieser Woche den Anruf erhielt, auf den sie so lange gewartet hatte, wusste sie, warum es sich lohnt, nie den Mut, den Optimismus zu verlieren. Nach einem Jahr, in dem sie nicht nur einmal an eingangs erwähntem, dem irischen Schriftsteller Oscar Wilde zugeschriebenen Zitat zweifeln musste, war der Anruf ihrer niederländischen Anwälte für die in Hamburg lebende Springreiterin der Sprung zurück ins Licht. Weil sein Inhalt ihr den Glauben an Gerechtigkeit zurückgab.
Im Februar 2020 hatte der Pferdesport-Weltverband FEI der 36-Jährigen das Startrecht für die Olympischen Spiele in Japans Hauptstadt Tokio aberkannt. Wenige Wochen zuvor war Mathilda Karlsson, die in Sri Lanka geboren ist, aber mit drei Monaten in die Obhut einer schwedischen Pflegefamilie gekommen war, noch gefeiert worden.
Nachlässigkeiten des Weltverbands
Als erste Reiterin in der Geschichte des knapp 22 Millionen Einwohnende zählenden Inselstaats im Indischen Ozean hatte sie sich eins der zwei für den südostasiatischen Raum verfügbaren Olympia-Einzelstartertickets gesichert. Doch dann hieß es, sie habe ihr Startrecht nur ergattert, weil sie auf nicht anerkannten Qualifikationsturnieren in Frankreich angetreten sei, die nur Ausgewählten benannt worden seien, um bei geringer Konkurrenz Qualifikationspunkte sammeln zu können.
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Gegen diese Entscheidung legte Mathilda Karlsson Beschwerde beim Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne (Schweiz) ein, und in dieser Woche kam von dort das erlösende Urteil: Sie darf in Japan reiten. In der Begründung hieß es, der Reiterin und den Turnierveranstaltern sei kein Vorwurf zu machen, vielmehr hätten Nachlässigkeiten des Weltverbands in der Genehmigung der Turniere zu den Diskrepanzen geführt.
Schlechter Beigeschmack
„Wir Athleten können nicht mehr wissen als der Weltverband. Die FEI hat den Kalender für Qualifikationsturniere neunmal anerkannt, also musste ich davon ausgehen, dass alles korrekt ist. Dieser Argumentation ist der Cas zum Glück gefolgt“, sagt Mathilda Karlsson im Gespräch mit dem Abendblatt, in dem die Erleichterung darüber, ihren großen Traum nun doch leben zu dürfen, unüberhörbar ist.
In erster Linie sei sie froh, dass die Angelegenheit endlich geklärt ist. „Im Januar 2020 war die Euphorie riesig. Nun ist da ein schlechter Beigeschmack, aber ich freue mich trotzdem unglaublich, vor allem für mein Team, das mich so sehr unterstützt hat in den vergangenen Monaten, und für Chopin. Er ist ein klassisches Olympiapferd, es wäre sehr bitter gewesen, wenn er sich in Tokio nicht hätte beweisen dürfen“, sagt sie.
Mathilda Karlsson denkt in erster Linie an andere
Dass Mathilda Karlsson, die während ihrer Ausbildung zur Bereiterin nach Deutschland kam und mittlerweile als Chefbereiterin auf dem Grönwohldhof von Manfred von Allwörden für rund 100 Pferde zuständig ist, in erster Linie an andere denkt, verwundert niemanden, der sie kennt. Doch auch für sie selbst ist das Cas-Urteil Lohn für die Standhaftigkeit, die sie in den vergangenen 14 Monaten beweisen musste, deren Schicksalsschläge eigentlich für ein ganzes Leben reichen würden.
Nach der Aberkennung des Tokio-Startrechts kam Corona und brachte ihren Beruf zum Erliegen. Im Mai verursachte ein Großfeuer auf dem Grönwohldhof einen Millionenschaden. Als es Anfang dieses Jahres wieder aufwärts zu gehen schien, setzte ein schwerer Herpesvirusausbruch in Europa, dem mehr als 20 Pferde zum Opfer fielen, dem Springreitsport erneut schwer zu. Mehrere Wochen konnten keine Turniere ausgetragen werden. Mittlerweile ist die Sperre zwar aufgehoben, die Corona-Lage lässt aber weiterhin keinen normalen Wettkampfbetrieb zu.
Administrativer Papierkrieg
Wie es gelingen kann, in diesen Zeiten Ross und Reiter auf Olympianiveau zu hieven, ist eine Frage, die Mathilda Karlsson beantworten muss in den kommenden Wochen. Sie hat zwar trainiert, als habe die Tokio-Reise nie infrage gestanden, „aber jetzt brauchen wir Wettkämpfe auf Fünfsterneniveau, damit wir herausfinden können, wo wir wirklich stehen“, sagt sie.
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Es gibt allerdings noch eine Reihe an weiteren Fragen zu klären. Der gesamte administrative Papierkrieg, der zu einem Olympiastart gehört, die logistischen Fallstricke, die es zu beachten gilt – all das muss sie in den nächsten Tagen mit dem Olympiakomitee ihres Geburtslandes klären. „Obwohl die vergangenen Monate hart waren, geht jetzt die Arbeit erst richtig los“, sagt sie.
Auch in dunklen Zeiten hat sie sich ihre Fröhlichkeit stets bewahrt
Bange machen lässt sich Mathilda Karlsson von derlei Aussichten aber keineswegs. Auch in den dunklen Zeiten hat sie sich ihre Fröhlichkeit stets bewahrt, „weil es nichts bringt, sich mit den negativen Dingen aufzuhalten“. Die Corona-Zeit habe ihr, bei aller Ungewissheit, auch viele schöne Momente gebracht, „ich habe viele Dinge bewusster erlebt und hatte auf einmal Zeit, die ich mir sonst nie genommen hätte“, sagt sie.
Die Folgen des Brandes haben das Team noch enger zusammenrücken lassen, „man lernt vieles neu zu schätzen“, sagt sie. Am Ende wird alles gut, und in Tokio hat sie nun die Chance, es sogar noch besser zu machen.