Hamburg. Reederei will sich an dem Tiefwasserhafen beteiligen. Das hätte Auswirkungen auf Hamburg. Die Hintergründe.

Der vom Terminalbetreiber Eurogate geführte Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven ist bisher keine Erfolgsgeschichte. Als er 2012 in Betrieb ging, wurde ihm ein jährliches Wachstum von mindestens sechs Prozent vorhergesagt. Bereits nach zehn Jahren sollte er seine Kapazitäten ausschöpfen und 2,7 Millionen Standardcontainer (TEU) pro Jahr umschlagen.

Doch es kam anders. Während der Hamburger Hafen im vergangenen Corona-Jahr insgesamt 8,5 Millionen Standardcontainer (TEU) bewegte, wurden im Tiefwasserhafen JadeWeserPort in Wilhelmshaven gerade einmal 423.243 Boxen über die Kaikante gehoben. Und ein Blick auf die sogenannten Segellisten der Terminals fällt für die Niedersachsen ernüchternd aus. Allein die HHLA meldet für die kommenden zwei Tage 39 Schiffsanläufe für ihre Hamburger Terminals, Wilhelmshaven gerade einmal 13 für die ganze Woche. Dennoch kann der kleine JadeWeserPort den großen Hamburgern eine empfindliche Schlappe zufügen.

Hamburger Hafen könnte Umschlagsmengen verlieren

Voraussichtlich am 27. September wird der Aufsichtsrat von Hapag-Lloyd beschließen, dass die Hamburger Traditionsreederei beim JadeWeserPort einsteigt, erfuhr das Abendblatt aus informierten Kreisen. Demnach will der Schifffahrtskonzern mit Hauptsitz am Ballindamm die 30 Prozent Anteile am JadeWeserPort übernehmen, die bisher die dänische Reederei Maersk hält. Maersk sieht offenbar kaum Entwicklungschancen für den Tiefwasserhafen und will sich zurückziehen. Stimmt der Hapag-Lloyd-Aufsichtsrat den Plänen zu, könnte Hamburgs Hafen Umschlagsmengen an Wilhelmshaven verlieren.

Bisher wickelt die Reederei das Gros ihres Containerumschlags hierzulande in Hamburg ab. Die mit Hapag-Lloyd verbündeten Reedereien Hyundai Merchant Marine (HMM, Südkorea), Ocean Network Express (ONE, Japan) und Yang Ming (Taiwan) tun dies auch. Mit einer Beteiligung an Wilhelmshaven wäre natürlich der Wunsch groß, das Umschlagsgeschäft dort anzukurbeln.

Hapag-Lloyd nur an zwei Terminals direkt beteiligt

Es gibt eine Reihe guter Gründe, die aus Sicht von Hapag-Lloyd für eine Beteiligung beim bisherigen Konkurrenten am Jadebusen sprechen: Im Vergleich zu ihren großen Mitbewerbern ist die Hamburger Reederei nur an wenigen Terminals direkt beteiligt. Im Moment sind es nur zwei: im Hafen von Tanger (Marokko) und am Containerterminal Altenwerder (CTA) in Hamburg. Da ergibt eine dritte Beteiligung Sinn. Hapag-Lloyd hat auch das notwendige Geld dafür. Aufgrund knapper Transportkapazitäten und hoher Frachtraten schreibt die Reederei derzeit Rekordgewinne und wird im diesen Jahr mehrere Milliarden Euro mehr verdienen als erwartet.

Zudem muss der Schifffahrtskonzern an die Zukunft denken. Zwar ist das Unternehmen über eine Gewinnbeteiligung an Altenwerder engagiert, aber ausgerechnet dieses Terminal ist für einen wachsenden Teil der Flotte unerreichbar. Die Schiffe sind schlichtweg so groß, dass sie nicht mehr unter der Köhlbrandbrücke hindurchpassen.

Hapag-Lloyd muss sich hinten anstellen

Erst kürzlich hat Hapag-Lloyd zudem sechs weitere Megafrachter mit einer Kapazität von jeweils mehr als 23.500 TEU bestellt. Schiffe dieser Größe können bei der HHLA nur am Containerterminal Burchardkai (CTB) abgefertigt werden. Dort ist Hapag-Lloyd aber nicht beteiligt, sondern nur einer von vielen Kunden, die ihre Ladung löschen wollen. Anders als in Altenwerder erhält Hapag-Lloyd also keine bevorzugte Behandlung, muss sich hinten anstellen. Das Unternehmen wollte sich am Montag zu den JadeWeserPort-Plänen nicht äußern.

Tiefwasserhafen – Hoffnung für eine Region
Der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven wurde bereits Anfang der 1990er-Jahre geplant. Vor allem aus dem politischem Raum kam der Wunsch, der strukturschwachen Region Auftrieb durch neue Arbeitsplätze zu verschaffen. Zudem sah man großes Potenzial, da die beiden großen Häfen Hamburg und Bremerhaven wegen Tiefgangsbeschränkungen an der Elbe und in der Wesermündung Probleme bei der Abfertigung von Großschiffen hatten. Im Jadebusen bestanden die Pro­bleme nicht. Der JadeWeserPort  nahm am 21. September 2012 seinen Betrieb auf. Die Kaje ist 1,7 Kilometer lang und hat Platz für zwei 400 Meter lange Großcontainerfrachter und mehrere Feederschiffe. Hier können 2,7 Millionen Standardcontainer  im Jahr umgeschlagen werden. Zudem gibt es Ausbaupläne.

Umso intensiver sind die Spekulationen unter Branchenexperten. „Für den Hamburger Hafen wäre eine solche Entscheidung ein schwerer Schlag, denn dann bestünde natürlich die Gefahr, dass Ladung aus Hamburg nach Wilhelmshaven abwandert. Auch wenn Hapag-Lloyd in erster Linie wirtschaftlich agiert, war die Firma bisher immer treuer Kunde des Hafens und hat diesen auch in der Allianz trotz starker Konkurrenz anderer Häfen immer verteidigt“, sagt Jan Ninnemann, Schifffahrtsprofessor an der Hamburg School of Business Adminis­tration (HSBA).

HHLA und Hapag-Lloyd: Vertrag bis 2024

„Wenn sich Hapag-Lloyd als Hamburger Konzern zu diesem fundamentalen Schritt entschließt, muss die Unzufriedenheit mit einzelnen Entwicklungen am Standort schon sehr groß sein.“ Jan Tiedemann vom internationalen Branchendienst Alphaliner ergänzte: „Hapag-Lloyd könnte eine Beteiligung in Wilhelmshaven dazu nutzen, die HHLA unter Druck zu setzen und an der Preisschraube zu drehen.“

Auch die HHLA wollte sich am Montag zu den Vorgängen nicht äußern, strich aber heraus, dass Hapag-Lloyd derzeit einen festen Vertrag mit ihr habe, der noch bis 2024 laufe. Nach Informationen des Abendblatts will Hapag-Lloyd vorerst keine Ladung abziehen, sondern neben Wilhelmshaven auch Hamburg mit den Liniendiensten weiter anlaufen. Die Reederei könnte aber sogenannte Transshipment-Ladung, also Container, die im Hafen nur von großen auf kleine Schiffe für den Verteilverkehr umgeladen werden, aus Hamburg und Rotterdam abziehen und in Wilhelmshaven konzentrieren, vermutet Tiedemann.

Hamburger Hafen: Unklarheiten bei Hapag-Lloyd

Gleichwohl sieht er für eine Beteiligung am JadeWeserPort auch Risiken: „Nicht einmal die weltgrößte Reederei Maersk hat es geschafft, Wilhelmshaven zum Laufen zu bringen. Wie soll es da Hapag-Lloyd gelingen?“

Die große Unbekannte in dem Spiel ist die Stadt Hamburg selbst. Sie ist mit 13,9 Prozent an Hapag-Lloyd beteiligt und hat an einer Schwächung des Hamburger Hafens kein Interesse. In zwei Wochen wird sich zeigen, ob der Hamburger Senat den Deal dennoch mitträgt.