Hamburg. Hafenkonzern sucht weltweit Zielmärkte für Hochgeschwindigkeitstransporter für Container. Warum Hamburg ausscheidet.

Als im November 2018 das Hamburger Abendblatt als erste Zeitung darüber berichtete, dass der Hafenkonzern HHLA in die Hyperloop-Forschung einsteigen will, wurde dieses Vorhaben in der Stadt vielfach verlacht. Ein Hochgeschwindigkeitstransporter bei dem Magnetschwebebahnen in einer engen Röhre schnell wie Flugzeuge hin und her flitzen so wie einst die Rohrpost, dass konnten sich nur die wenigsten ausmalen. Doch die HHLA blieb am Ball. Inzwischen gibt es neben einer Untersuchung der technischen Machbarkeit auch ein kommerzielles Konzept. Doch die Hansestadt wird dessen Realisierung wohl niemals erleben.

Ursprünglich sollte hier, am Containerterminal Altenwerder, die erste Hyperloop-Station gebaut werden. Doch der enge Hamburger Hafen hat sich für ein solches Röhrensystem offenbar als wenig geeignet erwiesen. „Das kommerzielle Konzept beinhalte neben Wirtschaftlichkeitsberechnungen auch erste Betrachtungen möglicher globaler Zielmärkte für einen Hyperloop für den Transport von Seecontainern, sagte die HHLA dem Abendblatt auf Nachfrage. Sie sucht also global nach einem Einsatzort für den Hochgeschwindigkeitstransporter.

HHLA sucht Einsatzort für Hyperloop

„Was kommerzielle Anwendungsfelder für das Hyperloop-Transportsystem betrifft, wird in alle Richtungen gedacht“, bestätigte die HHLA. „Containertransportströme sind grundsätzlich interessant. HyperPort orientiert sich hier am Markt. Grundsätzlich sind alle Häfen mit einem hohen Containerdurchsatz von mindestens drei Millionen Boxen pro Jahr und Industriezentren im Hinterlandeinzugsgebiet interessant, teilte eine Unternehmenssprecherin mit „Die gibt es in Asien, Nordamerika und Europa.“

Die Idee zum Hyperloop hatte der Automobil- und Raumfahrtunternehmer Elon Musk In einer Niedrig-Druck-Röhre können Züge fast ohne Luftwiderstand und Reibung vorwärts bewegen. Für eine Hyperloop-Verbindung zwischen Los Angeles und San Francisco müsste eine Fahrzeit von 35 Minuten veranschlagt werden. Die Strecke ist 570 Kilometer lang. Was Musk für Personentransporte erdachte, entwickelt die HHLA für Containertransporte.

Mit dem amerikanischen Unternehmen Hyperloop Transportation Technologies (HTT) hat sie eine entsprechende Transportkapsel entwickelt und eine Übergabestation, an der Container vom Seeschiff auf das Röhrensystem umgeladen werden können. 2800 Boxen schafft ein solcher Hyperport am Tag. Die Transportkapseln bieten Raum für 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) aber auch für doppelt so große Boxen. Mit rund 600 Stundenkilometern sollen die Kapseln durch die Röhre jagen.

Nicht nur in Hamburg wird an dem neuen System geforscht

Das System ist einfach über ein Förderband wird eine zylindrische Kapsel an den Absetzpunkt herangeführt und die Deckenlucken öffnen sich. Ein vollautomatisch arbeitender Kran setzt einen Container in den darunter liegenden Laderaum. Die Luken schließen sich wieder und die Kapsel wird in die Vakuum-Röhre geschossen. Die Entladung am Ziel läuft ähnlich.

Nicht nur in Hamburg wird an dem neuen System geforscht: „Alle Themen werden gemeinsam bearbeitet – mit Teams in den USA, Frankreich und Spanien“, sagt Gerlinde John, Projektleiterin Hyperloop bei der HHLA.

Alles nur Spinnerei? „Nein“, sagt Thomas Schüning, Professor für Maschinenbau und Lasertechnik an der Universität Emden/Leer. „Wenn wir uns der Klimafrage ernsthaft stellen wollen, müssen wir über den Hyperloop nachdenken. Zusammen mit seinem Kollegen Walter Neu leitet Schüning das „HyTec“ genannte European HyperLoop Technology Center. Technisch sei der Hyperloop machbar. Das größere Problem werde es sein, die notwendige Röhren-Infrastruktur zu bauen. „Deshalb sehe ich noch nicht, dass gleich an ganzes europäisches Netz entsteht, sondern der Hyperloop erst einmal auf kürzeren Strecken realisiert wird“, sagt Schüning.

Erste Realisierung einer Hyperloop-Strecke schon in zehn bis 15 Jahren

Wenn etwa Container aus einem Hafen erst einmal per Hyperloop zu einem großen Umschlagsplatz vor der Stadt transportiert würden, wäre dieses für die Stadt schon ein großer Gewinn: „Dann würden nicht mehr Massen an Lkw die Straßen verstopfen, weil sie den Hafen nicht mehr anfahren müssten. Das würde die Luftqualität für die Bewohner erheblich verbessern und die Lärmbelästigung würde reduziert.“

Schon in zehn bis 15 Jahren rechnet Schüning mit der ersten Realisierung einer Hyperloop-Strecke, weil, der Energieverbrauch und damit auch die Kosten des Systems viel geringer seien als beim heutigen Eisenbahnsystem. „Um die Umgebungsluft wegzuschieben benötigt ein Zug sehr viel Kraft, die sich verbunden mit der Geschwindigkeit exponentiell erhöht“, sagt Schüning. Um seine Geschwindigkeit zu verdoppeln , benötige er beispielsweise die achtfache Energie.

In einer Röhre, in der annähernd ein Vakuum bestünde habe man diese Probleme nicht. Ohne die Reibung durch die Umgebungsluft würde sich der Energiebedarf um bis zu 80 Prozent verringern. Deshalb sei es richtig, dass die HHLA an einem solchen System arbeite. Einen Nachteil sieht Schüning: „Um einen Container durch eine Röhre zu schießen, muss diese einen beträchtlichen Durchmesser haben, was die Baukosten deutlich erhöhen würde.“

In Hamburg wird es vorerst bei der virtuellen Demonstration bleiben

Eigentlich wollte die HHLA schon weiter sein. „Ursprünglich hatten wir vor, im Rahmen unseres Forschungs- und Entwicklungsprojekts mit HyperloopTT zum ITS- Kongress im Oktober ein 1:1-Modell zur Demonstration der Technologie an einem Hamburger Terminal zu bauen“, so Projektleiterin John. „Wir haben dann aber auch vor dem Hintergrund der durch Corona ausgelösten Unsicherheiten gemeinsam beschlossen, die Ressourcen in die Produktentwicklung der Transportkapsel zu stecken und zum ITS- Kongress ein virtuelles Modell der Übergabestation und der Kapsel zu präsentieren.

„Wir haben also einen konstruktionsbasierten Virtual-Reality-Demonstrator, der zeigt, wie Container im Seehafenhinterlandverkehr mit Hilfe der Hyperloop-Technologie umgeschlagen und transportiert werden können.“

In Hamburg wird es also vorerst bei der virtuellen Demonstration bleiben. Wann dieses System überhaupt in Realität in Betrieb gehen kann, da hält sich die HHLA zurück: „Es ist zwar eine große Dynamik zu spüren in der Forschung und Entwicklung, aber kurz und -mittelfristig werden solche Systeme noch nicht für die kommerzielle Nutzung zur Verfügung stehen. Das Ziel der Forscher und Hyperloop-Firmen ist erst einmal der Bau und Betrieb von Teststrecken, die für eine Zulassung der Systeme erforderlich sind.“ Das sei aber nicht Aufgabe der HHLA: „Die HHLA plant und baut keine Röhren. Wir sind nicht der Infrastrukturentwickler oder -betreiber.“