Hamburg. Brammibal’s eröffnet in der Neuen Mitte Altona. Die Gründerin gehört zu Deutschlands talentiertesten Jungunternehmerinnen.
Gebaut wird schon seit einigen Wochen, inzwischen hängen die ersten Schilder an den Fensterscheiben. Große pinkfarbene Plakate. Das war Chefinnensache. Seitdem klar ist, dass in der Neuen Mitte Altona Brammibal’s Donuts eröffnet, sind Jessica Jeworutzki und Bram van Montfort regelmäßig in der Stadt, um den Fortschritt ihres Projekts zu begleiten und auch mal selbst Hand anzulegen.
Die beiden haben vor sieben Jahren Europas erste rein vegane Donutbäckerei in Berlin gegründet. Inzwischen betreiben sie sechs Filialen, backen in ihrer firmeneigenen Produktion jeden Tag 10.000 Heferinge – und sind auf Expansionskurs. „Hamburg ist der erste Standort außerhalb von Berlin“, sagt die Brammibal’s-Co-Chefin. Die erste Resonanz ist schon mal Erfolg versprechend. Immer wieder bleiben Menschen stehen und gucken neugierig. Probieren kann man allerdings erst ab Frühsommer.
Neueröffnung: bis zu 10.000 Donuts am Tag
Die Berliner Gründer haben sich in einem Neubau auf dem Areal des Alten Güterbahnhofs an der Harkortstraße eingemietet. Drum herum gibt es einen Edeka-Markt, einen Bioladen, ein Fitnessstudio, einen Künstlerbedarfsanbieter – und viele junge Familien. „Wir haben fast ein Jahr lang nach einer Fläche gesucht“, sagt Jessica Jeworutzki.
Auf 400 Quadratmetern ist ausreichend Platz für die gläserne Produktion, in der täglich bis zu 10.000 Stück der in Fett ausgebackenen Hefeteilchen hergestellt werden können. Auch ein kleines Café ist geplant. Inzwischen ist der Rohbau fertig, und die Handwerker haben mit dem Innenausbau begonnen. „Wir wollen einen Ort, an dem die Menschen sehen können, wo und wie unsere Donuts und Berliner frisch gebacken werden“, sagt die 30 Jahre alte Gründerin beim Ortstermin mit dem Abendblatt.
Jeworutzk: Pionierin des veganen Donuts
Auch wenn das Start-up den (Spitz-) Namen ihres Lebenspartners trägt, ist Jessica Jeworutzki die Pionierin des veganen Donuts. Und sie hat eine Mission: dem oft verkannten Hefekringel ein besseres Image zu geben und so die Wahrnehmung von pflanzenbasierter Ernährung positiv zu verändern. „Der Ansatz ist, handwerklich richtig gute Qualität zu machen und uns so von den Industrie-Donuts abzuheben, die normalerweise angeboten werden“, sagt sie.
Dass ihr Backwerk ohne Eier, Milch und Butter hergestellt wird, ist die Konsequenz aus ihrer eigenen Geschichte. 2014 hatte die gelernte Krankenpflegerin, die seit ihrem 15. Lebensjahr vegan lebt und mangels entsprechendem Kuchenangebot zur Hobbybäckerin geworden war, zum Geburtstag einer Freundin vegane Donuts mitgebracht.
Erste Donut-Bestellungen über Facebook
Das kam bei den Gästen gut an und war zu dem Zeitpunkt noch etwas Ungewöhnliches. Zusammen mit ihrem Freund Bram van Montfort fing sie an, ihre Passion in der heimischen WG-Küche auszubauen und bot ihre selbst produzierten Kringel zunächst über eine Facebook-Seite zum Abholen an.
Die Adresse sprach sich herum – und war der Anfang der Erfolgsgeschichte von Brammibal’s. Nachdem das Paar sein frisches Gebäck eine Zeit lang auf Berliner Wochenmärkten verkauft hatte, beschloss es 2016, den ersten eigenen Laden am Maybachufer in Berlin-Neukölln zu eröffnen.
Berliner Donut-Boom kommt nach Hamburg
„Viele haben uns gewarnt, dass das nichts werden könne. Aber ich dachte, wir müssen es ausprobieren“, sagt Jessica Jeworutzki, die Sturheit zu ihren wichtigsten Eigenschaften zählt. Sie kündigte ihren Vollzeitjob als Krankenpflegerin.
Die beiden ließen sich auch nicht entmutigen, als der Versuch, einen Bankkredit zu bekommen, fehlschlug und eine Crowdfunding-Kampagne floppte. Mit geliehenen 20.000 Euro von Familie und Freunden wagten sie den Start. Seitdem wachsen die Donut-Bäcker in atemberaubendem Tempo. An Hotspots wie dem Potsdamer Platz, in Prenzlauer Berg und an einem bonbonrosafarbenen Kiosk im Premiumkaufhaus KaDeWe gibt es ihr Sortiment in der klassischen Variante mit Loch in der Mitte, aber auch als gefüllte Berliner (wie die Hamburger sagen).
Die meisten Zutaten der Donuts sind Bio
Die Geschmacksrichtungen reichen von Zimt und Zucker über Erdbeere mit Schokoladenbrezeln bis zu Bienenstich oder Tiramisu – insgesamt 14 Sorten. Selbst die Konkurrenz von internationalen Ketten wie Dunkin Donuts hat den Erfolg der Jungunternehmer im Blick und seit einiger Zeit vegane Kuchen im Angebot. Preislich liegt Brammibal’s mit 2,90 Euro und 3,50 Euro pro Stück im Mittelfeld.
„Aber im Unterschied zur Konkurrenz verwenden wir keine tiefgekühlten Teiglinge, keine Konservierungs- und auch keine Aromastoffe“, sagt die Gründerin, die sich über zuckrig-klebrige Donuts im Supermarkt ärgert, die nach nichts schmeckten. „Bei uns sind die meisten Zutaten Bio. Wir verwenden echte Vanille, und bei einer Fruchtglasur ist wirklich Frucht drin.“ Auch das Rapsöl, in dem die Donuts frittiert werden, kommt aus Deutschland. 400 Liter pro Woche werden gebraucht. Bislang klappt der Nachschub trotz der aktuellen „Öl-Krise“ reibungslos.
Umsatz soll auf neun Millionen Euro steigen
Das Qualitätskonzept geht auf. Im vergangenen Jahr hat Brammibal’s sechs Millionen Euro Umsatz gemacht. In diesem Jahr peilen die Chefs neun Millionen Euro an. „Wir sind seit dem ersten Jahr profitabel. Alles, was wir uns an Geld geliehen haben, haben wir längst zurückgezahlt“, sagt die Gründerin.
Neben dem Direktverkauf können die Donuts und Berliner auch online bestellt werden – und entweder abgeholt oder per Lieferdienst nach Hause gebracht werden. Am Spitzenverkaufstag des Jahres, Silvester, gehen bis zu 25.000 Donuts und Berliner über die Theke. Inzwischen sind mehr als 100 Männer und Frauen im Unternehmen beschäftigt.
Weitere Standorte in der Hansestadt geplant
In Hamburg werden jetzt Mitarbeiter von Konditorinnen und Konditoren über Ladenmanager bis zur Küchenhilfe für die Neueröffnung gesucht, insgesamt soll das Team 15 Personen groß werden. „Bislang haben wir keine Probleme, Personal zu finden“, sagt Jessica Jeworutzki. Das Start-up zahle überdurchschnittlich und biete gute Arbeitsbedingungen. Frühaufsteher sollten die Bewerber allerdings sein. In der Backstube startet die Arbeit ganz traditionell um 4 Uhr. Am Morgen.
Donuts sind gerade mal wieder im Trend. Einer der Wachstumstreiber ist die Franchise-Kette Royal Donuts aus Aachen, die innerhalb weniger Monate allein in Hamburg vier Filialen mit dem süßen Kalorienbomben eröffnet und den Hype über soziale Medien angeheizt hat. Auch Brammibal’s will in Hamburg noch in diesem Jahr weitere Standorte eröffnen.
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Nächste Filiale: Schanze, Eppendorf oder Eimsbüttel?
Anders als Royal Donut finanzieren die Gründer die Expansion aber nicht über Lizenzen, sondern aus der eigenen Kasse. In der Innenstadt, auf der Schanze, in Eppendorf und Eimsbüttel haben die Berliner schon Ladenlokale besichtigt. Aber auch andere Großstädte, das Ruhrgebiet – wo Jessica Jeworutzki herstammt – und das Heimatland von Bram van Montfort, die Niederlande, sind mögliche Wachstumsregionen.
Wie fühlt sich der Erfolg an? Jessica Jeworutzki, die auf der Liste der interessantesten Jungunternehmer und Jungunternehmerinnen „30 under 30“ des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ für die Region Deutschland, Österreich und der Schweiz steht, lächelt. „Ich denke nicht so viel darüber nach.“
Neueröffnung: Jeworutzki hat große Ziele
Gerade beschäftigt sie sich noch mit einem anderen Herzensprojekt: der Zulassung einer Ausbildung zum Bäcker und Konditor für veganes Backwerk. „Ich glaube, dass sich dadurch mehr junge Menschen für den Beruf interessieren würden. Es ist sehr ärgerlich, dass sich das bislang in der Branche nicht durchsetzen lässt.“ Sie arbeitet dran – und weiß, wovon sie spricht. Diese Ausbildung hätte Jessica Jeworutzki selbst gern gemacht.