Hamburg. Bundesregierung will, dass mehr Vorstandsposten mit Managerinnen besetzt werden. Auch in Hamburg gibt es Nachholbedarf.
Die Nachricht kam am vergangenen Freitagabend doch recht überraschend und sorgte für Staunen: Nach langem Ringen hat sich die schwarz-rote Koalition in Berlin auf die Einführung einer verpflichtenden Frauenquote bei der Besetzung von Vorstandsposten geeinigt. Nachdem sich trotz vieler Selbstverpflichtungen der Wirtschaft der Frauenanteil in Führungsetagen nicht deutlich erhöht hat, soll nun ein verpflichtendes Gesetz die Wende herbeiführen. Tritt es in Kraft, müsste auch bei einigen Hamburger Firmen das Stühlerücken beginnen. Das Abendblatt sagt, welche das sind – und beantwortet weitere wichtige Fragen.
Was sieht das geplante Gesetz der Bundesregierung konkret vor?
In den Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss künftig eine Frau sitzen. Verlässt ein Manager ein Unternehmen muss die Nachbesetzung dann mit einer Frau erfolgen. Das gilt aber nur für Unternehmen, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, also in denen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gleich viele Sitze haben. Das sind in der Regel Unternehmen ab einer Größe von 2000 Mitarbeitern.
Das betrifft rund 70 Konzerne in Deutschland. Aus dem Bundesjustizministerium hieß es auf Abendblatt-Anfrage, man fange zunächst mit diesen großen Unternehmen an. Union und SPD haben sich zudem darauf geeinigt, dass es für Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes eine weibliche Aufsichtsratsquote von mindestens 30 Prozent und eine nicht näher definierte Mindestbeteiligung in Vorständen geben soll. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Krankenkassen und bei Renten- und Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit soll ebenfalls eine Mindestbeteiligung eingeführt werden.
Welche Hamburger Firmen sind betroffen und was bedeutet das für sie?
Von der künftigen Vorstandsregel sind sechs Hamburger Unternehmen betroffen, von denen drei derzeit keine Frau im Führungsgremium haben. Das gilt zum Beispiel für den Kupferproduzenten Aurubis. Das im MDAX notierte Unternehmen von der Veddel hat einen Vorstand, der aus vier Personen besteht, allerdings handelt es sich ausschließlich um Männer. Aurubis wäre also dazu gezwungen – sollte der Gesetzentwurf umgesetzt werden – entweder einen Mann durch eine Frau zu ersetzen oder den Vorstand womöglich auf drei Personen zu verkleinern.
Übrigens hat der Aurubis-Aufsichtsrat bereits beschlossen, dass man im Vorstand bis Mitte 2022 einen Frauenanteil von 25 Prozent anstrebt. Damit würde die politisch diskutierte Frauenquote erfüllt. Ebenso betroffen wäre der Brillenhersteller Fielmann. Auch hier besteht der Vorstand derzeit ausschließlich aus vier Männern. Dritter im Bunde ist der Hamburger Schifffahrtskonzern Hapag-Lloyd, dessen Vorstand sich auch aus vier Männern zusammensetzt. „Im Moment stehen keine Vorstandsveränderungen an. Aber sobald es zu einem Wechsel kommt, werden wir dem Gesetz Folge leisten“, sagte ein Sprecher der Reederei. Die drei übrigen Unternehmen erfüllen die Quote. Allen voran die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Mit Angela Titzrath hat der vierköpfige Vorstand sogar eine Frau an der Spitze.
Der Hamburger Gabelstaplerbauer Jungheinrich erfüllt die mögliche Quote ebenfalls. Im vierköpfigen Vorstand sitzt mit Sabine Neuß eine Frau. Sie ist seit Beginn des Jahres für den Bereich Technik zuständig und hat das Ressort vom Vorstandsvorsitzenden Lars Brzoska übernommen. Auch beim Kosmetikhersteller Beiersdorf gibt es eine Frau im siebenköpfigen Vorstand. Dessi Temperly ist seit Juli 2018 bei dem DAX-Konzern für die Finanzen zuständig.
Wie viele Frauen sind im Vorstand der anderen Hamburger Börsenkonzerne?
Ganz klar: Die Wirtschaft in der Hansestadt hat Nachholbedarf. Die 22 börsennotierten Firmen, die im Haspax gelistet sind, haben zusammen 78 Vorstandsposten zu vergeben. Nur sieben davon werden derzeit von Frauen besetzt. Das sind nicht einmal neun Prozent.
AKK: Brauchen wir noch die Frauenquote?
Was sagen Hamburger Experten und Frauenverbände?
„Ich halte die geplante Quotenregelung der Bundesregierung für Frauen in Vorständen grundsätzlich für richtig. Denn es gibt in vielen Unternehmen noch immer eine Form der strukturellen Diskriminierung von Frauen“, sagt der Direktor des Hamburger Wirtschaftsforschungsinstituts HWWI, Henning Vöpel, dem Abendblatt. Deshalb könne es durchaus sinnvoll sein, prozentuale Vorgaben zu machen, durch die Frauen schneller in Führungspositionen gelangen. „Zudem wäre es gut, wenn wir endlich mehr Frauen im Top-Management als Vorbilder für die folgenden Generationen hätten. An diesen erfolgreichen Managerinnen könnten sich dann Mädchen und junge Frauen orientieren“, so Vöpel.
Er weist aber auch darauf hin, dass Frauen insgesamt mutiger und engagierter werden müssten, wenn Spitzenpositionen in Unternehmen zu besetzen sind. „Denn viele Firmen würden bestimmt auch heute schon gerne mehr Frauen ins Top-Management holen, wenn es sie denn in ausreichender Zahl gebe.“ Die Übereinkunft sei nicht mehr als ein erster Schritt und wirklich nur ein Kompromiss, sagt die Hamburger Rechtsanwältin und Vorsitzende des Hamburger Zweigs des Clubs FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte), Kirsten Soyke. Bei FidAR haben sich rund 1000 Frauen in Führungspositionen zusammengeschlossen. Der Verein hatte den Koalitionsausschuss in der Frage beraten.
„Dieser Kompromiss gilt letzten Endes nur für wenige Unternehmen in Deutschland. Das reicht nicht. Wir müssen die Frauenquote auch für kleinere Kapitalgesellschaften einführen“, so Soyke. Hamburgs Senat sei da vorbildlich: „SPD und Grüne haben in ihrem Koalitionsvertrag geregelt, dass für alle öffentliche Unternehmen sogar eine 50-prozentige Frauenquote in den Geschäftsführungen eingeführt wird.“ Auch der Präsidentin des Frauen-Business-Clubs Zonta Hamburg, Katharina von Ehren, geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug. „Wir benötigen auch für mittelständische Unternehmen eine gesetzliche Quote“, sagte von Ehren. Die freiwillige Selbstverpflichtung habe aus ihrer Sicht nichts gebracht.
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Ab wann soll das Gesetz gelten?
Zunächst handelt es sich um eine Einigung, die eine zu dem Thema eingesetzte Arbeitsgruppe des Koalitionsausschusses getroffen hat. Der Kompromiss soll in dieser Woche den Koalitionsspitzen zur abschließenden Entscheidung vorgelegt werden. Anschließend werden die Ministerien damit befasst und die Länder und Verbände dürfen ihre Stellungnahmen dazu abgeben. Erst dann kommt es zum Kabinettsbeschluss. CDU und SPD wollen das Gesetz im Bundestag noch vor der Bundestagswahl im Oktober verabschieden.