Hamburg. Wer sein Geld ökologisch, sozial oder klimafreundlich anlegen will, muss Kompromisse eingehen. Wo es saubere Zinsen gibt.

Bio-Waren im Einkaufskorb, Ökostrom vom Energieversorger, vegan oder vegetarisch essen, weniger Flugreisen und vielleicht schon ein Elektroauto in der Garage. Wenn es um eine nachhaltige Lebensweise und die Verringerung des persönlichen CO2-Fußabdrucks geht, dann kommen immer mehr Aspekte auf den Prüfstand.

Doch wie sieht es mit der Geldanlage aus? Mit der richtigen Auswahl von Banken, Aktien oder Investmentfonds kann man auch Einfluss auf das Klima und die Umwelt nehmen. 60 Prozent der Sparer finden das inzwischen attraktiv, wie eine aktuelle Umfrage der Fondsgesellschaft Union Investment zeigt, doch nur 23 Prozent besitzen inzwischen nachhaltige Geldanlagen. „Mit diesem Wachstumsthema stehen wir erst am Anfang eines langfristigen Trends“, sagt Anja Bauermeister, Abteilungsleiterin Publikumsfonds bei Union Investment. „Aber Bankberater werden voraussichtlich ab dem kommenden Jahr dazu verpflichtet sein, Kunden zu ihrer Nachhaltigkeitspräferenz zu befragen.“ Das soll der nachhaltigen Geldanlage weiteren Auftrieb geben.

Nachhaltige Geldanlagen – die Nachfrage wächst

Die Nachfrage nach nachhaltigen Investments wächst. Laut dem jährlichen Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) investierten Privatanleger im Jahr 2020 knapp 40 Milliarden Euro in nachhaltige Fonds und eine entsprechende Vermögensverwaltung. Das waren 21,4 Milliarden Euro oder 117 Prozent mehr als zum Jahresende 2019.

Aber halten die Finanzprodukte, was sie vorgeben? Muss ich für das gute Gewissen auf Rendite verzichten? Gibt es auch Zinsanlagen mit gutem Gewissen? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen zur nachhaltigen Geldanlage.

Was sind nachhaltige Geldanlagen?

Eine einheitliche Definition gibt es nicht, da Begriffe wie „nachhaltige“, „ökologische“, „soziale“ oder „klimafreundliche“ Geldanlage gesetzlich nicht geschützt sind. „Nicht alles, was sich nachhaltig oder klimafreundlich nennt, verdient daher diesen Namen“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. Nachhaltigkeit bedeute ursprünglich, die natürlichen Ressourcen wie Wasser oder Wälder nur so weit zu nutzen, dass sie sich wieder regenerieren können.

Sandra Klug, Finanzexpertin bei der Hamburger Verbraucherzentrale, warnt vor vermeintlich grünen Geldanlagen.
Sandra Klug, Finanzexpertin bei der Hamburger Verbraucherzentrale, warnt vor vermeintlich grünen Geldanlagen. © Agentur Raum11 | GERT BAUMBACH

„Später wurde die Definition um soziale Aspekte erweitert“, sagt Klug. Die Summe nachhaltiger Geldanlagen erreichte in Deutschland im vergangenen Jahr mit insgesamt 335 Milliarden Euro einen neuen Höchststand, ermittelte das FNG. Neben den Investmentfonds und der Vermögensverwaltung (siehe Grafik) gehören dazu auch noch Anlagen bei Banken oder direkte Investitionen in nachhaltige oder ökologische Projekte. „Mittlerweile machen nachhaltige Fonds mehr als 30 Prozent unseres Fonds-Absatzvolumens aus“, sagt Heidi Melis von der Hamburger Volksbank. Eine gestiegene Nachfrage melden auch Hamburger Sparkasse, Deutsche Bank und Commerzbank. Um beurteilen zu können, ob die Geldanlage dem eigenen Verständnis von Nachhaltigkeit entspricht, müssen sich Anleger genau informieren, welche Klimaschutz- und/oder Nachhaltigkeitskriterien angewendet werden und in welche Branchen oder Unternehmen investiert wird, raten Verbraucherschützer.

Wie können sich Verbraucher orientieren?

Es gibt verschiedene Ansätze für nachhaltige Geldanlagen. Folgen Investmentfonds bestimmten Ausschlusskriterien wie Kohle, Rüstung, Alkohol oder Kernenergie, so soll damit die Beteiligung an Firmen, die solche Güter herstellen, weitgehend verhindert werden. Das Gegenteil davon sind Positivkriterien. Hier konzentriert sich das Fondsmanagement darauf, in Unternehmen zu investieren, die Umwelttechnologien voranbringen. Bei dem Best-in-Class-Ansatz werden Unternehmen einer Branche ausgewählt, die im Branchenvergleich besonders umweltfreundlich oder sozialverträglich arbeiten.

Das schließ aber nicht aus, dass sie dennoch in die Kohle- oder Ölindustrie noch investieren. Bei nachhaltigen Geldanlagen werden Anleger oft mit bestimmten Begriffen konfrontiert. ESG steht für Environment, Social, Governance, also für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Auf diese drei Bereiche konzentrieren sich die Fragen der Nachhaltigkeit. Viele entsprechende Investmentfonds tragen den Zusatz Sustainability, was einfach Nachhaltigkeit heißt. SRI (Socially Responsible Investing) steht für sozial verantwortliches Investieren.

Sind Anleger vor Mogelpackungen geschützt?

Das hängt immer von den eigenen Erwartungen ab, wie streng ökologisch die eigene Geldanlage sein soll. Das Verbraucherportal Biallo macht das an einem Beispiel deutlich. Der Weltindex MSCI World enthält 1557 Aktien. Wenn man ESG-Kriterien anlegt, so werden 80 Firmen ausgeschlossen. Bei der SRI-Variante bleiben nur noch 373 Aktien aus dem umfassenden MSCI World Index übrig. „Was als nachhaltig gilt, wird von Anbietern zum Teil unterschiedlich definiert“, sagt Hartmut Walz, Finanzökonom an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen. „Die Kriterien sind jedenfalls nicht überall gleich.“

Beispiel Atomkraft: Während einige darin eine CO-einsparende Energiequelle sehen, ist es für andere wegen des strahlenden Mülls eine völlig unakzeptable Möglichkeit der Energieerzeugung. „Wer ein 100 Prozent reines Gewissen haben möchte, der kann nicht in nachhaltige Investmentfonds investieren“, sagt Roland Kölsch, Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen. Die Gesellschaft vergibt das Siegel des FNG für Investmentfonds. „Eine Null-Toleranz-Politik würde die Anlagemöglichkeiten auch zu stark einschränken und ist wenig praktikabel“, sagt Kölsch. Allerdings werden die Kriterien des FNG-Siegels jährlich verschärft.

Wie finden Anleger nachhaltige Investmentfonds?

Über 160 Investmentfonds haben ein FNG-Siegel. Zu jedem Fonds kann genau eingesehen werden, in welchen kritischen Bereichen er noch zu geringen Anteilen investiert. Über 40 Fonds haben mit drei Sternen die beste Bewertung.

Auch die Stiftung Warentest hat im aktuellen Heft von „Finanztest“ aktiv gema­nagte Nachhaltigkeitsfonds und nachhaltige Indexfonds (ETF) bewertet. Untersucht wurde, ob die Anlageprodukte 29 Ausschlusskriterien, die von konventioneller Kohle-, Erdgas- und Ölförderung über den Betrieb von Atomkraftwerken bis zu Kriegswaffen und Militärgüter reichen, berücksichtigen. Insgesamt wurden die Anbieter von 172 weltweiten Aktienfonds angeschrieben, rund 100 Fonds konnten analysiert werden. Nur fünf Fonds erhielten die höchste Nachhaltigkeitsbewertung mit fünf Punkten, darunter der aktiv gemanagte Fonds Ökovision Classic und der Indexfonds Global Challenges von Warburg.

Fällt die Rendite geringer aus als bei herkömmlichen Anlagen?

Nachhaltige Anlagen bringen ähnlich hohe Erträge wie herkömmliche, stellt die Stiftung Warentest in ihrer Untersuchung fest. Ein ausgewogenes Depot mit Nachhaltigkeitsfonds erreichte danach bei einer Laufzeit von fünf Jahren eine durchschnittliche Rendite von 7,7 Prozent, während ein klassisches Depot nur sieben Prozent erreicht. Auch bei der längsten Verlustdauer schneiden die nachhaltigen Anlagen mit sechs Monaten etwas besser ab als klassische Anlagen mit neun Monaten.

Gibt es auch nachhaltige Zinsanlagen?

In Deutschland gibt es mehr als ein Dutzend Banken, die eigens festgelegte ethische und ökologische Kriterien haben, die sie ihrem gesamten Bankgeschäft zugrunde legen. Damit ist ausgeschlossen, dass mit dem Geld auf dem Girokonto oder dem Festgeldkonto kontroverse Geschäfte finanziert werden.

Dazu gehören die GLS Bank, die auch eine Filiale in Hamburg hat, die Umweltbank, die Triodos Bank und eine Reihe von kirchlichen Geldinstituten. Das Problem: Für Sparanlagen gibt es kaum noch Zinsen. Bei der Triodos Bank gibt es für eine dreijährige Festgeldanlage nur 0,15 Prozent Zinsen pro Jahr.

Grünes Geld: Wie sicher sind nachhaltige Anlagen?

Nachhaltige Geldanlagen bergen die gleichen Chancen und Risiken wie konventionelle Geldanlagen auch. Bei Aktienanlagen muss mit zwischenzeitlichen Verlusten gerechnet werden, wenn es an der Börse schlecht läuft. Wer in einen Aktienfonds investiert, sollte mindestens einen Anlagehorizont von sechs Jahren haben und mit Kursschwankungen leben können.

Manche verstehen unter einem nachhaltigen Investment, sich an großen Projekten wie Wind- oder Solarparks zu beteiligen oder zur Aufforstung von Wäldern beizutragen. „Solche Projekte sind jedoch riskant und zur langfristigen Geldanlage nicht geeignet, weil große Beträge für lange Zeit gebunden und die Risiken kaum überschaubar sind“, sagt Thomas Mai von der Verbraucherzentrale Bremen.