Berlin. Nachhaltige ETFs und Fonds sind im Trend. Doch viele von ihnen betreiben „Greenwashing“. Wie kann man sein Geld trotzdem grün anlegen?

Viele Menschen haben Berührungsängste mit Aktien. Sie wollen nicht an Firmen beteiligt sein, die etwa Angestellte schlecht behandeln oder die Umwelt ruinieren. Doch seit einiger Zeit gibt es Aktienindizes, die auf nachhaltige Unternehmen spezialisiert sind.

Vergleichbar mit dem deutschen Dax oder dem Dow Jones in den USA bieten sie einen Aktienkorb, den Anleger bequem und kostengünstig nachkaufen können: über sogenannte ETFs, also Fonds, die einen solchen Aktienindex nachbilden. Allerdings mit dem Unterschied, dass ein nachhaltiger Index bestimmte Firmen aussortiert.

Das hat so manchen motiviert, sich neu mit ETF-Sparen zu beschäftigen. Grünes Investieren hat einen enormen Zulauf, und kaum eine Bank möchte auf Hinweise auf ihre nachhaltigen Angebote verzichten. Der Zuwachs in diesem Jahr stammte laut Fondsverband BVI überwiegend von sogenannten Publikumsfonds, die sich an breite, private Anlegerkreise wenden. Doch wer in den Firmenverzeichnissen dieser ETFs stöbert, muss sich oft wundern: Wieso ist da Nestlé drin? Wieso der Flughafen Sydney? Oder wieso Shell?

Kriterien für nachhaltige ETFs

Ob diese Firmen nachhaltig wirtschaften, kommt auch auf die genaue Auslegung des Wortes „nachhaltig“ an. Beim Investieren soll es drei Prinzipien in Einklang bringen: Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Wie so oft gibt es dazu eine Abkürzung, nämlich „ESG“, abgeleitet von der jeweiligen englischen Übersetzung „environment“, „social“ und „governance“.

Das Thema hat aber so viele Facetten, dass es enorm schwierig ist, die eine Definition zu finden, die für alle passt. Die EU arbeitet zwar an verbindlichen Definitionen und einer Einteilung in verschiedene Abstufungen, kann aber an diesem Grundproblem nichts ändern.

Das zeigt sich, wenn man konkrete Fälle anschaut. Etwa Volkswagen: Sollte der Autobauer wegen des Dieselskandals aus einem Aktienfonds hinausfliegen? Und weil das meiste Geld weiterhin mit Verbrennern gemacht wird? Oder ist VW gerade ein Vorbild, weil der Konzern ambitioniert Richtung Elektro umsteuert? Dazu kommen Grundsatzfragen, zum Beispiel: Sind Atomkraft oder grüne Gentechnik nachhaltig oder nicht – und sollen sie ins Depot?

Kosten für Fonds genauer betrachten

Es gibt viele Möglichkeiten, das zu entscheiden – und deshalb viele Abstufungen unter den nachhaltigen Fonds. Hinzu kommt: Die Fonds sind unterschiedlich breit aufgestellt und unterschiedlich teuer. Wer nicht genau hinschaut, landet bei einem teuren aktiv gemanagten Fonds, der aber trotzdem laxe Kriterien anlegt.

Gerade in diesen Verdacht geraten ist die deutsche DWS: Gegen sie ermitteln US-Behörden wegen „Greenwashing“ – also wegen des Versuchs, etwas grün aussehen zu lassen, das gar nicht grün ist. Zugleich stellen Fondsanbieter wie DWS, Deka und andere manche ihrer traditionellen Fonds auf ESG-Kriterien um. Aber auch hier müssen Anleger genau hinschauen, ob ihnen das konkrete neue Kochrezept ihres Fonds gefällt.

Bei grünen Investmentfonds wie ETFs gibt es viele Schattierungen. Der Blick in die Firmenliste lohnt sich.
Bei grünen Investmentfonds wie ETFs gibt es viele Schattierungen. Der Blick in die Firmenliste lohnt sich. © Shutterstock | Pasko Maksim

Was gegen Grünfärberei unternommen wird

Der ehemalige Nachhaltigkeitschef des ETF-Riesen Blackrock, Tariq Fancy, hat der Branche vorgeworfen, Grünfärberei zu betreiben. Der Versuch, mit nachhaltigem Investieren einen gesellschaftlichen Effekt erreichen zu wollen, sei vergeblich. Fancy plädiert für härtere Gesetze, um Firmen zu nachhaltigerem Wirtschaften zu bringen.

Die deutsche Finanzaufsicht Bafin will Grünfärberei künftig durch eine Richtlinie eindämmen. Diese enthält Vorgaben dazu, „wie Kapitalverwaltungsgesellschaften Publikumsinvestmentvermögen künftig ausgestalten müssen, die sie als nachhaltig bezeichnen oder als explizit nachhaltig vertreiben“, teilt die Behörde mit.

Von Hell- zu Dunkelgrün

Der Geld-Ratgeber Finanztip hat in seinem aktuellen ETF-Marktüberblick sowohl auf Nachhaltigkeit als auch auf die übrigen Kriterien einer gelungenen Geldanlage geachtet – und sich bewusst für einen Mittelweg entschieden.

Am besten geeignet, gerade für Einsteiger: Fonds, die Extreme vermeiden. Sie sortieren einerseits beherzt aus und lassen im Vergleich zu normalen ETFs rund drei Viertel der Unternehmen weg. Sie unterscheiden sich also klar von diesen ungefilterten Alternativen.

Sich breit aufstellen und Geduld mitbringen

Sie bleiben kostengünstig und so breit über viele Branchen aufgestellt, dass Krisen in einzelnen Konzernen oder Märkten abgefedert werden. Fonds auf die beiden Indizes MSCI World Socially Responsible Index (SRI) und Dow Jones Sustainability Index World Enlarged sind dafür gut geeignet.

Kennzahlen wie der CO2-Fußabdruck sind dort deutlich besser als beim Marktdurchschnitt. Und die jährliche Rendite lag zuletzt ähnlich gut wie die ungefilterter weltweiter Fonds. Wie immer an der Börse gilt: 10, 15 Jahre Zeit sollte man mitbringen, um Flauten auszugleichen.

Wirkung von Investitionen

Eine Frage gehört angesichts des Trends zu nachhaltiger Geldanlage aber auch dazu: Wird die Welt davon besser? Dabei gibt es zwei typische Missverständnisse von Anlegern: Ihr Geld fließt mitnichten in die Konzerne selbst, mit Ausnahme von Börsengängen und Kapitalerhöhungen, was aber immer nur wenige Firmen betrifft. Und ein Aktienverkauf führt nicht automatisch zu einer anderen Firmenpolitik. Beides hat seinen Grund im Mechanismus der Börsen.

Trotzdem: Bewusst zu investieren könnte durchaus Folgen haben. Wenn sehr viele Anleger eine Firma aus dem Portfolio werfen, kann sie unter Druck geraten.

Und es gibt auch eine moralische Komponente: Will man Geld verdienen an Produkten, die die Welt vielleicht schlechter machen? Ob also Sparer mit einem Auto- oder Ölkonzern im Fonds Rendite machen wollen oder gar mit einem Rüstungskonzern, das müssen sie am Ende selbst entscheiden. Ganz ohne Kompromisse und Recherche geht es dabei nicht. Die Filterkriterien von Aktienfonds sind dabei eine Hilfe, doch man sollte sie so genau studieren wie einen Beipackzettel von Medikamenten.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit Finanztip. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.