Hamburg. Eigentümer Oetker verkauft das markante Gebäude an der Willy-Brandt-Straße. Reederei schaut sich nun nach einem neuen Standort um.

Die Reederei Hamburg Süd hat ihren Firmensitz an herausragender Adresse. Der auffällige Gebäudekomplex liegt an der Willy-Brandt-Straße, das hohe Haupthaus mit den leicht grün gefärbten Fenstern und dem großen Firmenschild ist weithin sichtbar und bildet das Entree in Hamburgs Innenstadt. Doch damit ist es bald vorbei. Die Schifffahrtsgesellschaft, die als Spezialist für den Südamerika-Verkehr den Hamburger Hafen mit frischen Früchten und vielen anderen Erzeugnissen vom südlichen Kontinent versorgt, muss ausziehen und sich eine neue Bleibe suchen. Das Haus wird nämlich verkauft.

Zwar ist der Name Hamburg Süd seit 56 Jahren mit dem Gebäude verbunden, doch die Reederei ist nur Mieterin. Das Haus gehört der Unternehmerfamilie Oetker. Bisher war das kein Problem, denn die Reederei gehörte seit 1955 dem Nahrungsmittelkonzern. Doch im Dezember 2017 verkaufte Oetker Hamburg Süd an Maersk, den dänischen Branchenprimus der Handelsschifffahrt. Und nun will sich die Oetker-Gruppe auch von der Immobilie trennen.

Arbeitsplätze sollen an einem neuen Standort konzentriert werden

„Die Belegschaft wurde darüber informiert, dass wir den Standort aufgeben. Das Haus wird veräußert“, sagte der Betriebsratsvorsitzende von Hamburg Süd, Philipp Derks, dem Abendlatt. „Frühestens Ende des Jahres, möglicherweise aber erst 2023, müssen wir hier raus.“ Es werde ein neuer Standort gesucht, bestätigte der Sprecher von Hamburg Süd, Rainer Horn. „Unser Mietvertrag läuft Ende des Jahres aus. Wir hatten eine Option zur Verlängerung über weitere fünf Jahre. Auf diese haben wir verzichtet.“ Hauptgrund: Maersk und Hamburg Süd wollen alle ihre Arbeitsplätze in der Hansestadt an einem neuen Standort konzentrieren.

 Der dänische Schifffahrtskonzern hat etwa 400 Mitarbeiter auf mehrere Standorte in Hamburg verteilt und sein Hauptbüro an der Ericusspitze. Dazu kommen Büros im Deichtorcenter. Hamburg Süd hat rund 720 Mitarbeiter in seinem Hauptgebäude, zudem annähernd 100 in einem benachbarten Haus. Insgesamt müssen womöglich mehr als 1200 Beschäftigte künftig an einem großen Logistikzentrum innenstadtnah zusammengezogen werden. Die genaue Zahl ist aber unklar, weil nicht alle Mitarbeiter nach dem Ende der Pandemie aus dem Homeoffice zurückkehren werden.

Verkaufsprozess läuft offenbar noch

„Ich schätze mal, dass dann nur noch 70 Prozent der Mitarbeiter gleichzeitig da sein werden“, hatte Hamburg-Süd-Chef Arnt Vespermann kurz vor Weihnachten in einem Abendblatt-Interview gesagt. Damals ließ er die Zukunft des Standorts an der Willy-Brandt-Straße noch offen. Vespermann sagte aber bereits damals, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden sei, die darüber diskutiere, wie flexibel die Büronutzung künftig sein wird.

Wann genau an der Willy-Brandt-Straße die Lichter ausgehen, steht noch nicht fest. Der Verkaufsprozess laufe noch, war zu hören. Bevor der Vertrag nicht unterschrieben sei, könne man sich dazu nicht äußern. Auch wer der Käufer des Gebäudes ist, war von Hamburg Süd nicht zu erfahren. „Wir sind über die Nachricht traurig, weil ein Stück historischer und kultureller Identität der Hamburg Süd mit einem Umzug verloren geht“, so Betriebsratschef Derks. „Das Haus steht unter Denkmalschutz und der Schriftzug nahe dem Dach auch.“

Hamburg hatte Reederei deutliche Aufstockung der Häuser verboten

Zwischen 1959 und 1964 waren das Hochhaus an der damaligen Ost-West-Straße und ein sechsgeschossiges Bürohaus im Schuhkartonformat, die durch einen Querbau miteinander verbunden sind, unter großer Anteilnahme der Hamburger Bevölkerung errichtet worden. Neben Hamburg Süd sollte auch die bis 2008 zur Oetker-Gruppe gehörende Versicherung, Condor, Nutznießer sein. Entworfen hatte den Gebäudekomplex der Hausarchitekt der Familie Oetker, Cäsar Pinnau. Dieser kannte sich nicht nur mit Gebäuden, sondern auch mit Schiffen aus. Pinnau entwarf für Oetker die Cap-San-Schiffe wie die heutige „Cap San Diego“ an den Landungsbrücken. Auch für den griechischen Reeder Aristoteles Onassis entwarf er mehrere Gebäude und Schiffe und verantwortete den Umbau eines Militärschiffes zur Luxusyacht „Christina O.“.

Reiche Tradition:

  • Die Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft, kurz Hamburg Süd, wurde 1871 als Nachfolgeunternehmen der Hamburg-Brasilianischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft gegründet. Mit anfänglich vier Schiffen fuhr die Reederei im monatlichen Dienst zwischen Hamburg, Brasilien und Argentinien.
  • Die Flotte wuchs stetig. 1914 verfügte Hamburg Süd schon über 56 Schiffe. Nach dem Verlust der Flotte in den beiden Weltkriegen konnte sich die Reederei danach als Südamerika-Spezialist wieder etablieren. Nach einer gescheiterten Fusion mit Hapag-Lloyd verkaufte die Oetker-Gruppe die Reederei 2017 an Maersk.
  • Das Eigentum der 105 Schiffe und die Verantwortung für deren Management wechselte nach Kopenhagen. Die Seeleute arbeiten direkt für Maersk.

Von 2015 bis 2017 wurde das Gebäudeensemble in der Hamburger Innenstadt renoviert und erweitert. Das 14-stöckige Hochhaus bekam eine 15. Etage, eine neue Haustechnik und eine moderne Fassade, deren äußeres Erscheinungsbild der alten Fassade angeglichen wurde. Insbesondere achtete man darauf, den ursprünglichen grünen Farbton zu behalten. Schon im Vorfeld des Baus hatte Hamburg Süd mit einem Umzug gedroht, weil die Stadt der Reederei eine deutliche Aufstockung der Häuser verbot. Am Ende stand ein Kompromiss: Das Hochhaus wurde um ein Stockwerk erweitert und nebenan wurden Gebäude zusätzlich in den Komplex integriert. Die Kosten der Modernisierung sind nicht bekannt. Für die Bauzeit befand sich die Reederei im Sprinkenhof.

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Jetzt steht Hamburg Süd erneut vor einem Umzug. Diesmal endgültig. Nach dem Verkauf an Maersk hat das Unternehmen jede achte Stelle abgebaut. Das Schiffsmanagement und die Flotte wanderten nach Kopenhagen. Das Kundengeschäft blieb in Hamburg, und das Unternehmen baute zuletzt wieder Stellen auf. Der Oetker-Konzern wollte sich am Mittwoch zu dem Verkaufsvorgang nicht äußern. Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass ein Stück Hamburger maritime Tradition verloren geht. Erst in der vergangenen Woche hatte die norwegische Schiffsprüfungsgesellschaft DNV GL bekannt gegeben, dass der Germanische Lloyd seinen Namen verliert.