Hamburg. Viele große Unternehmen haben ihre Geschäfte mit Russland bereits gestoppt, andere prüfen noch – und einige geben keine Auskunft.

Abgebrochene Lieferketten und Geschäftsbeziehungen, explodierende Energiepreise, Absturz von Aktienkursen – viele Hamburger Firmen spüren die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine bereits massiv, andere fürchten, dass das bald der Fall sein wird. Was aber bedeutet das konkret für die Unternehmen? Welche Bedeutung hatten Geschäfte mit der Ukraine, Russland und Belarus bislang für sie? Was tun sie, um die aktuellen Probleme zu bewältigen? Welche Langzeitfolgen könnte der Krieg haben? Und nicht zuletzt: Wie versuchen die Firmen, in der Ukraine und den vor dem Krieg geflohenen Menschen zu helfen?

Das Abendblatt hat fast 20 große und mittelgroße Unternehmen aus der Hansestadt befragt. Nicht alle wollten antworten, und manche Firmen mochten nicht alle Fragen des Abendblatts beantworten. Insbesondere dazu, ob der Handel mit Russland und Belarus eingestellt wurde oder werden soll, blieb daher bisweilen offen. Ein Überblick zum Stand der Dinge knapp zwei Wochen nach dem Überfall auf die Ukraine.

Krieg gegen die Ukraine: So reagiert Aurubis

„Unsere Geschäftsbeziehungen nach Russland, Belarus und in die Ukraine sind sehr limitiert“, sagt eine Sprecherin des Kupfer- und Metallkonzerns. Der Anteil des Russlandgeschäfts liege bei unter 0,1 Prozent des Gesamtumsatzes. Das sind weniger als 16 Millionen Euro im Jahr. Lieferengpässe aus den drei Ländern gebe es nicht. „Wir beabsichtigen, keine Neugeschäfte mit Russland und russischen Firmen einzugehen“, so die Sprecherin. Derzeit würden die bestehenden Beziehungen zu russischen Geschäftspartnern überprüft, „um den aktuellen Sanktionsvorschriften zu entsprechen.“

Otto Group

Zurzeit seien die Modehandelsgeschäfte der Konzerntochter Bonprix in Russland „stark beeinträchtigt“, sagt ein Sprecher der Hamburger Versandhandelsgruppe: „Die kriegerische Auseinandersetzung, der stark fallende Rubelkurs und die unsicheren Finanzströme haben zu einer sehr zurückhaltenden Geschäftspolitik geführt.“

Die Zukunft des Handelsgeschäfts der Otto Group in Russland unterliege aktuell einer „stetigen Neubewertung“, heißt es. Dabei habe man „Mehrzielentscheidungen“ zu treffen, die neben den politischen Implikationen auch das Wohlergehen der Mitarbeitenden in Russland im Auge hätten. Die Otto-Versandhandelsgesellschaft habe keine Lieferanten in Russland und liefere auch keine Waren dorthin.

Airbus

Im Einklang mit den internationalen Sanktionen habe Airbus Flugzeugauslieferungen nach Russland eingestellt, ebenso die Versorgung russischer Kunden mit Ersatzteilen und Servicedienstleistungen, teilt ein Firmensprecher mit. Bei dem Flugzeughersteller stehen nach eigenen Angaben noch 13 Langstreckenjets vom Typ A350 für Aeroflot im Auftragsbuch.

Aktuell seien rund 340 Airbus-Verkehrsflugzeuge bei russischen Betreibern im Einsatz, einschließlich der Maschinen, die im Besitz von Leasinggesellschaften sind. Zudem seien 260 Airbus-Hubschrauber in Russland im Betrieb – ausschließlich zivile Modelle.

Lufthansa Technik

„Aktuell hat Lufthansa Technik Verträge mit etwa einem Dutzend Fluggesellschaften in Russland“, sagt ein Unternehmenssprecher: „Mit dem Inkrafttreten der US-Sanktionen zum Stopp des Exports von Hightech-Produkten und der EU-Sanktionen zum Transportsektor in Russland hat Lufthansa Technik sämtliche Serviceleistungen für diese Kunden gestoppt.“ Dies betreffe rund 400 Flugzeuge. Zum Vergleich: Die Lufthansa-Technik-Gruppe betreut rund um den Globus mehr als 4500 Flugzeuge.

Jungheinrich

Der Gabelstaplerbauer und Intralogistik-Konzern gehörte zu den ersten Hamburger Unternehmen, die ihre Geschäftsbeziehungen nach Russland konsequent abgebrochen haben. „Frieden und Freiheit sind wichtiger als Geschäftsinteressen und Profit“, sagte Vorstandschef Lars Brzoska. Seit Ende vergangener Woche liefert das Unternehmen keine Fahrzeuge, Ersatzteile und sonstige Produkte nach Belarus und Russland. Dort gibt es immerhin 600 Beschäftigte. Der Lieferstopp gelte, obwohl die meisten Jungheinrich-Produkte nicht von Sanktionen betroffen seien, „bis auf Weiteres“.

Bislang machte das Russlandgeschäft etwa fünf Prozent des Konzernumsatzes aus, also etwa 200 Millionen Euro. Offenbar ist Jungheinrich durch ausbleibende Zulieferungen aus den drei Ländern betroffen. In allen Werken laufe eine „auf die aktuelle Versorgungslage angepasste Produktion“, so der börsennotierte Konzern. Das Unternehmen betont: „Die Standorte arbeiten ohne größere Einschränkungen.“ Jungheinrich sei voll lieferfähig.

Körber

Der Hamburger Maschinenbau- und Technologiekonzern hat nach eigenen Angaben die Umsetzung von Neugeschäft in Russland mit Maschinen und Anlagen seit der vergangenen Woche ausgesetzt. Das Unternehmen habe einen Standort der Zigarettenmaschinen-Sparte in St. Petersburg mit knapp unter 50 Beschäftigten.

„Wir stehen im engen Austausch mit den Verbänden und Behörden, um täglich aktuell zu bewerten, ob wir zum Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitere Maßnahmen ergreifen müssen“, erklärt ein Sprecher. Beschäftigte, die in der Ukraine im Einsatz waren, habe man bereits vor dem Kriegsbeginn von dort zurückgeholt.

Olympus

Die auch für das Geschäft mit Russland und Belarus zuständige Zentrale des japanischen Medizintechnikkonzerns in der Hansestadt steht – das macht die Antwort auf die Frage nach dem Stand der Geschäftsbeziehungen mit den Ländern, aus denen der Angriff auf die Ukraine erfolgte, deutlich – vor einer moralischen Frage: Wäre es richtig, die Lieferung von Medizinprodukten, die nicht den Sanktionen unterliegen, in die beiden Staaten einzustellen? Laut Olympus handelt es sich um „Medizintechnik, insbesondere im Bereich der Frühdiagnose und minimal-invasiver Therapien von Krankheiten, wie zum Beispiel Darm- oder Lungenkrebs“.

Das Unternehmen sei bemüht, weiter nach Russland und Belarus zu liefern. „Wir versuchen nach Kräften, die Versorgungssituation für unsere Kunden und ihre Patienten mit dringend benötigten medizinischen Produkten und Services aufrechtzuerhalten“, teilt Olympus mit. Man prüfe von Fall zu Fall die Möglichkeit, dorthin zu liefern, so eine Olympus-Sprecherin. Der Umsatz mit allen drei Ländern sei „sehr gering“. Waren aus Russland oder Belarus beziehe Olympus nicht.

Eppendorf SE

Der Laborgeräte-Hersteller mit Sitz in Poppenbüttel ist in einer ähnlichen Situation. Angesichts der unübersichtlichen Lage sei entschieden worden, „Warenlieferungen nach Russland bis auf Weiteres auszusetzen“, sagt ein Unternehmenssprecher. Die Eppendorf SE stellt Geräte und Verbrauchsmaterial her, die in der medizinischen Diagnostik verwendet werden.

Man beobachte und bewerte die Entwicklungen dort. „Dabei sind wir uns unserer Verantwortung und unserer Verpflichtung als Life-Science-Unternehmen bewusst, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – überall auf der Welt“, sagt der Sprecher. Niederlassungen oder Produktionsstandorte in der Ukraine gebe es nicht, eine Eppendorf Russia aber existiert. Über den Umfang des Umsatzes in Russland und Belarus macht der Konzern keine Angaben.

HHLA

Der Umschlag der von dem Hafenkonzern betriebenen Hamburger Containerterminals mit Fahrtgebiet Russland machte im Jahr 2020 bei der HHLA nach Angaben eines Unternehmenssprechers 229.000 Standardcontainer und damit rund drei Prozent des gesamten HHLA-Containerumschlags aus. Der Anteil des derzeit geschlossenen Containerterminals im ukrainischen Odessa am Umsatz und Ergebnis des Teilkonzerns Hafenlogistik habe 2020 im „niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich“ gelegen: „Damit hat der Krieg in der Ukraine nach aktueller Einschätzung nur in geringem Maße Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens.“

Um die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen durchzusetzen, würden an den Hamburger Terminals der HHLA derzeit keine Container mehr umgeschlagen, die aus Russland kommen oder dorthin gehen sollen. Das gelte auch für Ladung, die mit der Bahn oder dem Lkw transportiert wird.

Aurora Mühle

„Deutschland ist Selbstversorger bei Brotgetreide“, sagt ein Sprecher des Hamburger Unternehmens, zu dem die Mehl-Marken Diamant, Aurora und Gloria gehören: „Gut 95 Prozent des Getreides, das in Deutschland zu Mehl verarbeitet wird, kommt aus Deutschland.“ Die Versorgung sei daher auch künftig sichergestellt. Der Krieg in der Ukraine habe aber an den internationalen Warenterminbörsen zu „drastischen Preissprüngen“ beim Weizen geführt, weil gut ein Drittel des Weltgetreides aus der Ukraine und Russland stamme.

Beiersdorf

Weder in der Ukraine noch in Russland hat der Hamburger Kosmetikkonzern eigene Produktionsstätten. „Der Umsatzanteil beider Länder liegt unter drei Prozent“, sagt ein Unternehmenssprecher. Alle Sanktionsbestimmungen würden eingehalten. Nivea & Co. aber unterliegen keinen Sanktionen.

Tchibo

Der Kaffeeröster liefert nach eigenen Angaben seit den frühen 1990er-Jahren Kaffee nach Russland, macht aber keine Angaben dazu, ob dieses Geschäft aktuell weitergeführt wird. Die gesamte Gruppe, also auch die russische Tochtergesellschaft, unterstütze die Sanktionsmaßnahmen, heißt es lediglich.

Engel & Völkers

„In einem ersten Schritt haben wir sofort sämtliche in Russland belegenen Immobilienangebote von unserer Website genommen“, sagt Sven Odia, Chef der Hamburger Maklergruppe. Weitere Schritte würden aktuell geprüft. „Selbstverständlich“ richte sich Engel & Völkers nach den geltenden EU-Verordnungen und vermittele keine Immobilien an Personen, die auf den Sanktionslisten stehen. Die Beziehungen zu Russland beschränkten sich auf einen rechtlich unabhängigen Lizenzpartner, „der in Teilen von St. Petersburg aktiv ist“ und dessen Anteil am Gesamtumsatz der Gruppe bei weniger als 0,1 Prozent liege.

Edeka

„Wir haben beschlossen, alle Produkte, die in Russland produziert werden, nicht mehr zu bestellen“, sagt Rolf Lange, der Sprecher der Edeka-Zentrale. Ob die Supermarktkette Artikel aus Belarus führe, werde noch geprüft. Man behalte sich entsprechende Schritte vor. Den Kunden würden Alternativprodukte aus anderen Ländern angeboten. Zudem habe die europäische Einkaufsgemeinschaft Epic, der Edeka angehört, entschieden, bis auf Weiteres keine gemeinsamen Verhandlungen mit dem russischen Handelsunternehmen Magnit zu führen, das Teil von Epic Partners ist.