Hamburg. Ein Hamburger Unternehmen beliefert Kantinen und Restaurants mit veganer Wurst. Was drinsteckt und was die Verbraucherzentrale dazu sagt.

Ein pinkfarbenes Schwein prangt auf der Verpackung, die muskulösen Vorderbeine sind vor der Brust verschränkt. Das linke Vorderbein, auch Schweinebug genannt, ziert ein Herz-Tattoo wie bei einem Rocker. Auf dem Schlüsselbein ist der Schriftzug „Friends not Food“ („Freunde statt Essen“) tätowiert. Aber am eindrucksvollsten ist das wutverzerrte Gesicht: Das Schwein ist nicht nur sauer, sondern rasend. So inszeniert sich das Hamburger Start-up The Raging Pig Company, das vor allem vegane Grillwurst produziert.

Während andere vegane Produkte in ihrem Design sanfter, grüner, fast schon: weiblicher daherkommen, setzt „The Raging Pig Company“ auf Wut und Härte. Die Schrift des Logos erinnert mit seinen verlaufenen Buchstaben an eine Newcomer-Metal-Band aus Skandinavien.

Veganes Essen: Was bei Otto, Tchibo und dem NDR auf dem Teller landet

„Wir wollten eine coole Marke im Food-Bereich aufbauen“, sagt Start-up-Gründer Arne Ewerbeck. „Wenn sich auch der ein oder andere Mann mehr traut, vegane Wurst zu kaufen, ist das ein netter Nebeneffekt.“ Generell will das junge Unternehmen aber den Massenmarkt ansprechen – vor allem Flexitarier: Menschen, die ihren Fleischkonsum verringert haben oder weniger Fleisch essen wollen.

Denn unabhängig vom Geschlecht können sich immer mehr Menschen vorstellen, Fleischalternativen zu grillen. Laut einer Befragung von YouGov sind 27 Prozent der Befragten offen dafür, vegetarische oder auch vegane Würstchen vom Grill zu probieren.

Start-up produziert vegane Wurst aus Erbsenprotein

Auf diese Neugier setzt „The Raging Pig Company“. Wo zwar Schwein draufsteht, ist kein Schwein drin: Der Klassiker des Unternehmens, eine helle Bratwurst, basiert auf zwölf Prozent Erbsenprotein. Weitere Bestandteile sind Wasser, Rapsöl, Bambusfaser sowie Salz. Als Verdickungsmittel dienen Methylcellulose und Carrageen. Außerdem enthält die vegane Wurst Austernseitling, Gewürze und Dextrose. Hinter dem Rezept steht vor allem Ewerbeck.

Nicht immer hat veganer Fleischersatz ein gutes Image. Ernährungs-Doc Matthias Riedl verglich vegane Ersatzprodukte etwa mit einem „Chemiebaukasten“. Die Ernährungsexpertin Jana Fischer von der Verbraucherzentrale Hamburg nennt mahnende Begriffe wie diese „sehr plakativ“. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten eher auf einen geringen Zucker- und Salzgehalt und wenig gesättigte Fettsäuren achten.

Wie eine Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale veganen Fleischersatz einordnet

Vorteilhaft sei ein hoher Gehalt an ungesättigten Fettsäuren durch Raps- oder Olivenöl, ein hoher Anteil an Proteinen ebenso. „Hochverarbeitete Produkte wie Wurst sollten eher eine genussvolle Ergänzung sein und nicht die Basis der Ernährung bilden – und zwar weder als Fleischprodukt noch als Alternativprodukt“, sagt Fischer. Positiv am Produkt von „The Raging Pig Company“ bewertet die Ernährungsexpertin, dass Rapsöl und nicht Sonnenblumen-, Palmöl oder Kokosfett eingesetzt wird.

Die vegane Wurst vom Start-up „The Raging Pig Company“ kommt in einem rockigen Design daher.
Die vegane Wurst vom Start-up „The Raging Pig Company“ kommt in einem rockigen Design daher. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Hinter der Firma stecken Arne Ewerbeck und Constantin Klass. Ewerbeck ist eigentlich Physiker, er schrieb seine Doktorarbeit zur Erzeugung ultrakalter Quantengase an der Uni Hamburg. Bei Quantenphysik blieb er jedoch nicht, sondern folgte zunächst seiner Leidenschaft für die vegetarische, dann komplett vegane Küche. Der heute 38-Jährige baute 2015 mit „Kurkuma“ die laut eigenen Angaben erste komplett vegane Kochschule Deutschlands auf.

Start-up-Gründer lernten sich 2021 übers Internet kennen

Sein Co-Gründer Klass brachte als Betriebswirt vor allem unternehmerisches Know-how mit. Der 35-Jährige fand Ewerbeck übers Internet. „Ich bin durch seinen Food-Blog auf Arne gestoßen und habe ihn angeschrieben“, sagt Klass. Nachdem er in der Digital- und Start-up-Branche gearbeitet hatte, wollte Klass selbst gründen. Es fehlte nur der richtige Partner.

Wenn die beiden von ihrer Gründungsgeschichte erzählen, wirkt das durchdacht, professionell, kalkuliert. „Das war keine Spaßgründung aus der Uni heraus“, sagt der 35-jährige Klass. Schnell identifizierten die beiden die vegane Lebensmittelbranche als zukunftsträchtig. Ihr Ziel: einen in ihren Augen leckeren veganen Speck zu entwickeln.

Gründer: „Wir waren ab Tag eins in der Hamburger Gastronomie vertreten“

„Dann haben wir uns hemdsärmelig in die Küche gestellt“, sagt Ewerbeck. Bei null anfangen mussten sie dank der Expertise des Kochschulen-Betreibers nicht. Um das Produkt skalieren zu können, suchten sie sich einen Produzenten in der Lüneburger Heide. „Wir waren ab Tag eins in der Hamburger Gastronomie vertreten“, sagt Ewerbeck. Zunächst gab es bei Ottos Burger und in Filialen der Burgerkette „Vincent Vegan“ den veganen Speck des Start-ups.

Später entwickelten sie auch ihre vegane Grillwurst. „Von einer Bratwurst erwartet man vor allem eine gute Konsistenz und Bissfestigkeit, vielleicht knackt sie sogar noch“, sagt der 38-jährige Ewerbeck. „Aber viele pflanzliche Produkte liefern das überhaupt nicht.“ Mit ihrer Wurst wollen die beiden Gründer nicht nur dem Geschmack der klassischen Bratwurst nahekommen, sondern auch der Bissfestigkeit, dem Aussehen und dem Handling. „Wir wollen nahezu 1 zu 1 abbilden, was von einer Bratwurst erwartet wird“, sagt Klass.

Start-up: In diesen Restaurants gibt’s ihre vegane Wurst

Zu kaufen gibt es die veganen Wurst-Varianten – helle Bratwurst, Mini-Bratwürste und Schinkenwurst – inzwischen in Hamburg in zehn Edeka-Märkten sowie in einem Rewe-Supermarkt. Eine Packung kostet jeweils zwischen 6,49 Euro und 6,99 Euro. Den meisten Umsatz macht das Unternehmen aber mit der Gastronomie.

Mehrere Restaurants und Mensen beziehen den Fleischersatz von „The Raging Pig Company“ – auch über die Hansestadt hinaus. In Hamburg setzen die Kantinen des NDR, vom Online-Händler Otto und von Tchibo auf die vegane Wurst des Start-ups. Auch in Restaurants wie dem Carmel, im Atlas in Bahrenfeld, im Feldstern, bei Strand Pauli an der Elbe oder in Imbissen wie Edelcurry, Ist mir Wurst in Harburg oder bei Kleine Pause stehen ihre Produkte auf der Speisekarte.

Sechsstelliger Umsatz mit Fleischalternative

Das Unternehmen wurde vor zwei Jahren gegründet. „Aber es ist unsere erste Grillsaison und das erste Jahr, in dem wir nennenswerte Umsätze generieren können“, sagt Ewerbeck. Der Umsatz des Unternehmens wird in diesem Jahr voraussichtlich im hohen sechsstelligen Bereich liegen. „Im nächsten Jahr wollen wir siebenstellig werden“, sagt Ewerbeck. Zum Gewinn will der Gründer sich nicht äußern. Generell will das Unternehmen weiterwachsen.

Mehr Wirtschaftsthemen

Inzwischen zählt das Team von „The Raging Pig Company“ mit den beiden Gründern insgesamt sieben Personen. Mittag wird meist gemeinsam in den Räumlichkeiten des Start-ups in Bahrenfeld gegessen. Dabei landen mehrmals die Woche die eigenen Produkte auf dem Teller, sagt Klass. Denn: „Wir essen auch nach zwei Jahren immer noch gern unsere vegane Wurst.“