Hamburg. Genossenschaften und VNW-Chef Breitner beklagen hohe Kosten für strenge Auflagen. Mietern drohen gravierende Folgen.
Die ehrgeizigen Klimaschutzziele in Deutschland könnten nach Ansicht des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) für eine gewaltige Steigerung der Mieten in Hamburg sorgen. Die VNW-Mitglieder, darunter viele Genossenschaften, bieten rund 300.000 günstige Wohnungen an – jede dritte Wohnung in Hamburg. Die Unternehmen fürchten, dass sie ihre Mieten im Zuge der verpflichtenden energetischen Sanierung um fast 50 Prozent erhöhen müssen.
„Wir müssen es so deutlich sagen: Die aktuellen Schutzauflagen und die handwerklichen Fehler bedrohen das bezahlbare Wohnen in Hamburg“, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner am Mittwoch vor Journalisten in Hamburg. Er warnte: „Wer glaubt, man kann immer noch eine Auflage draufsetzen oder die Zeit bis zum Erreichen der Klimaschutzziele verkürzen, der spielt mit dem sozialen Frieden in den Quartieren.“ Das umstrittene Heizungsgesetz als einen „Test“ zu bezeichnen, wie es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) entschuldigend getan hatte, werde dem Ernst der Lage nicht gerecht, so Breitner: „Die Zukunftsängste der Menschen testet man nicht.“
Klimaschutz: Strenge Auflagen – so stark könnten die Mieten in Hamburg steigen
Der VNW stützt seine Berechnung auf eine Studie im Auftrag des Senats, wonach in Hamburg bis zum Jahr 2045 rund 40 Milliarden Euro investiert werden müssen, um die etwa 990.000 Wohnungen klimaneutral zu machen. Heruntergebrochen auf die 300.000 VNW-Wohnungen bedeute das Investitionen von rund 13 Milliarden Euro, von denen man laut Gesetz maximal acht Prozent auf die Mieter umlegen dürfe. Das würde eine Erhöhung der Mieten um rechnerisch 3,50 Euro pro Quadratmeter bedeuten. Bei einer aktuellen Durchschnittsmiete (netto-kalt) von 7,41 Euro käme das einer Erhöhung um fast 50 Prozent gleich.
Doch damit nicht genug: Kein Wohnungsunternehmen werde seinen Bestand ausschließlich energetisch sanieren – also vor allem die Heizung und Dämmung aufwerten –, sondern in der Regel würden im Zuge so einer Maßnahme auch gleich Bäder, Küchen und das Dach mit erneuert, so Peter Kay, Vorstand der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter eG (bgfg) und VNW-Vorstand. Dann komme er insgesamt auf Kosten von rund 3200 Euro pro Quadratmeter oder 180.000 Euro für eine 60-Quadratmeter-Wohnung. Das sei für eine Genossenschaft, die seit mehr als 100 Jahren für günstiges Wohnen stehe und jeweils nur geringe Überschüsse erwirtschafte, nicht zu finanzieren.
„Woher soll das ganze Geld kommen, um die Wohngebäude klimaneutral zu machen?“
Dass in der Politik in dieser Situation dennoch über eine Deckelung der Mieten und eine Senkung der Modernisierungsumlage nachgedacht werde, sei hanebüchen, findet Andreas Breitner. „Das ist einfache Mathematik, das kann nicht funktionieren. Woher soll denn das ganze Geld kommen, das notwendig ist, um die Wohngebäude klimaneutral zu machen?“, fragte sich der VNW-Chef und warnte: „Die sozialen Vermieter werden so in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.“
bgfg-Vorstand Peter Kay untermauerte das mit Zahlen: Selbst die Überschüsse aus 30 Jahren würden nicht ausreichen, um auch nur 15 Prozent des Wohnungsbestandes zu sanieren, sagte er. Hinzu komme, dass es sich um nahezu vollständig vermietete Wohnungen handele, die man nicht mal eben monatelang umbauen und sanieren könne, da es keinen entsprechenden Ersatz gebe – schon gar nicht für die Haushalte in VNW-Wohnungen, die im Schnitt 1000 Euro weniger zur Verfügung hätten als der Hamburger Durchschnitt, so Kay. „Wir versorgen den kleinen Mann.“
Genossenschafts-Chef warnt: Es wird vor allem Menschen mit kleinem Geldbeutel treffen
Auch Marko Lohmann, Vorsitzender des VNW-Landesverbands Hamburg und Vorstand der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille, wies auf diesen sozialen Sprengstoff hin: „Die Leidtragenden einer unvernünftigen ‚Immer-mehr-Politik‘ und ‚Immer-früher-Politik’ werden jene Menschen sein, die es jetzt schon nicht besonders dicke haben.“ Während Gutverdiener sich über die steigenden Kosten möglicherweise nur ärgern würden, diese aber letztlich tragen könnten, müssten Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen dies mit einem sinkenden Lebensstandards bezahlen.
Breitner, Kay und Lohmann betonten, dass die Vermieter sich keineswegs den Klimaschutz-Verpflichtungen entziehen wollten. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrere Milliarden Euro in die energetische Sanierung unserer Wohngebäude investiert“, sagte Marco Lohmann. Dennoch forderte er ein „Umdenken“, damit das zur Verfügung stehenden Geld möglichst sinnvoll eingesetzt werden könne.
Genossenschaften wollen ihr Geld möglichst zielgerichtet für Klimaschutz einsetzen
Konkret beklagte er, dass nach wie vor die CO2-Bilanz eines jeden Gebäudes isoliert betrachtet werde und diese auf Teufel komm raus für viel Geld energetisch auf Vordermann gebracht werden müssten. Viel zielführender, aber derzeit noch untersagt sei der Quartiersansatz, bei dem der CO2-Ausstoß ganzer Quartiere betrachtet werde. Dabei investiere man dort, wo mit möglichst wenig Geld möglichst viel erreicht werden könne, um die Klimaschutzziele des gesamten Quartiers zu erreichen.
Als zweites Beispiel nannte er die Pflicht, im Falle einer Dachsanierung eine Photovoltaikanlage zu installieren. Das sei zwar grundsätzlich sinnvoll, aber da der ins Netz eingespeiste Strom nicht auf die CO2-Bilanz des Gebäudes angerechnet werde, nütze die Investition dem Vermieter in dieser Hinsicht nichts – also scheue er davor zurück und investiere lieber woanders. Lohmann forderte daher auch die Hamburger Politik auf, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass Investitionen möglichst zielgerichtet eingesetzt werden können.
Andreas Breitner: Dämmung kostet viel, bringt wenig und ist ökologisch fragwürdig
Andreas Breitner bezeichnete die Versorgung der Wohnungen mit regenerativ erzeugter Wärme und grüner Energie als „Schüssel“, um die Energiewende erfolgreich umzusetzen, während er immer mehr Dämmung eine Absage erteilte. Viele VNW-Unternehmen würden veraltete Heizungsanlagen nach dem neuesten Stand der Technik erneuern. „Eine zusätzliche Hausdämmung, die viel kostet, aber wenig bringt und deren Produktion erhebliche Kohlendioxidemissionen verursacht, wird es in größerem Umfang jedoch nicht mehr geben.“
- Immobilien Hamburg: Frei finanzierter Wohnungsbau bricht dramatisch ein
- Miete: Wie man in Hamburg an eine günstige Wohnung von Genossenschaften kommt
- Einfamilienhäuser ohne Baugenehmigung? Was Hamburger Senat plant
Die Pflicht zur energetischen Sanierung macht sich bereits zahlenmäßig beim VNW in Hamburg bemerkbar. Mit 8429 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr so viele modernisiert wie seit Jahren nicht – rund 700 mehr als 2022 und 2000 mehr als 2021. Die Zahl der fertiggestellten neuen Wohnungen, die etliche Jahre bei rund 2500 lag, sinkt hingegen seit 2021 und lag im vergangenen Jahr nur noch bei 1739. Das entspricht dem Trend in ganz Hamburg, wo 2023 nur noch 6000 Wohnungen fertig wurden – gut 50 Prozent weniger als im Vorjahr und weit unter dem Ziel des Senats
Wohnen in Hamburg: VNW-Unternehmen bauen wieder mehr – nur ein Sondereffekt
Etwas überraschend stieg die Zahl der Baubeginne bei VNW-Unternehmen um rund 25 Prozent auf 2002 Wohnungen. Das sei aber zu einem Drittel einem Sondereffekt geschuldet, so Peter Kay. Seine Genossenschaft habe in Rothenburgsort einige Hundert Wohnungen abgerissen und baue dort nun neu, was lange geplant gewesen sei. Ansonsten gelte das, was er und andere Genossenschafts-Vorstände schon Anfang des Jahres vorgerechnet hatten: Angesichts von Baukosten von 5800 Euro pro Quadratmeter werde man kaum noch Neubauprojekte starten – denn Mieten von 20 Euro und mehr pro Quadratmeter wolle und könne man den Mietern nicht zumuten.