Eimsbüttel. Seit 20 Jahren steht das Ingenieurbüro T. Wackermann für Expertise beim Brandschutz. Was in Hamburg gut klappt – und was weniger.
In Deutschland gibt es ein Datum, das den Brandschutz für immer verändert hat: Am 11. April 1996 schweißten zwei Arbeiter im Flughafen Düsseldorf an einer Dehnungsfuge oberhalb eines Blumenladens in der Ankunftsebene. Die vorgeschriebene Brandsicherheitswache der Flughafenfeuerwache war nicht vor Ort, sie war nicht einmal über die Schweißarbeiten informiert worden. Die Arbeiten endeten in einem Inferno, das 17 Menschen das Leben kostete – auch weil Brandschutztüren fehlten.
„Das war ein einschneidendes Ereignis“, sagt Tim Wackermann, der sich acht Jahre nach dem vermeidbaren Desaster als Brandschutzgutachter im Alten Land selbstständig gemacht hatte. „Die gesetzlichen Bauvorschriften haben sich nach dem Vorfall in Düsseldorf nur marginal verändert, ihre Interpretation jedoch grundlegend.“ Ein weites Feld für professionelle Brandschutzexperten tat sich auf: Ein Jahr nach Gründung des Ingenieurbüros stieß der Ingenieur Tim Barghusen zum Büro dazu, das dann den Sitz nach Hamburg verlagerte.
Hamburger Brandschutzexperten zählen heute zu den Marktführern in der Hansestadt
Heute zählt das Eimsbüttler Unternehmen 22 Beschäftigten, Tobias Felske komplettiert das Führungsteam. „Wir dürfen uns wohl als Marktführer in Hamburg bezeichnen, was Fachplanung und Beratung angeht“, erklärt Firmengründer Wackermann. An 7000 Projekten hat das Büro bereits mitgewirkt, wobei der Fokus auf Norddeutschland liegt. „In Hamburg kennen wir bald jedes Haus.“
Und jede Behörde. Aufgrund der Struktur als Stadtstaat ist die Situation in der Hansestadt speziell, Hamburg ist Bundesland und Stadt zugleich. Damit funkt auch der Brandschutz im Spannungsfeld vieler Behörden. „Man trifft auf typische Hamburger Eigenheiten“, sagt Barghusen. Dazu zähle etwa, dass die Überprüfung des Brandschutzes bei der Baugenehmigungsbehörde liegt. Was gut gemeint ist, bringt oft Verzögerungen in den Verfahren mit sich.
Manche Baugenehmigungsverfahren ziehen sich wie Kaugummi hin
Nötig werden Abstimmungen zwischen Bezirksämtern, der Obersten Bauaufsicht und der Feuerwehr, die eine beratende Funktion hat. In anderen Metropolen würde man sich hierfür an einen anerkannten Prüfingenieur oder einen Prüfsachverständigen wenden können.
„Hamburg ist komplex. Baugenehmigungsverfahren können in der Hansestadt gut und gerne ein Jahr oder länger dauern“, meint Wackermann. Diese Kaugummiprojekte würden auch für die Gutachter angesichts eines pauschalen Honorars irgendwann unwirtschaftlich. „Da würden wir uns schon wünschen, dass manche Prozesse schneller und transparenter ablaufen.“
In Anbetracht der Folgen einer möglichen Fehlentscheidung neigen die Beteiligten dazu, sich doppelt abzusichern. „Manchmal sind wir erstaunt, wie unkompliziert früher Genehmigungen erteilt wurden. Dieses Vorgehen ist aber aus guten Gründen passé“, sagt Wackermann.
Bradhschutz in Hamburg: Oftmals scheitern Nachverdichtungen an den Auflagen
Es ging von einem Extrem ins andere. „Heute erfolgt jede Prüfung nach strengster Auslegung der Vorschriften durch die Behörden – ein Umstand, bei dem wir uns eine stärkere schutzzielorientierte Betrachtung des Brandschutzes wünschen würden.“
Mitunter scheitern selbst viele politisch gewünschte Nachverdichtungen oder Aufstockungen an den geltenden Auflagen. „Entscheidend ist die Planung der Rettungswege und der Einsatz von Drehleitern der Feuerwehr“, führt Felske aus. „Doch die Anforderungen lassen sich manchmal nicht umsetzen, weil andere behördliche Maßnahmen diese behindern, etwa wenn im Rahmen der Verkehrsberuhigung Bäume gepflanzt oder Zufahrten gesperrt werden“, sagt Felske.
Ingenieurbüro T. Wackermann wünscht sich mehr Augenmaß
Wackermann stellt fest: „Einige Projekte kommen in Hamburg nicht voran, weil nicht alle Beteiligten an einem Strang ziehen.“ Zudem endet der Bestandsschutz von alten Gebäuden, wenn Umbauten geplant sind - dann greift sofort das schärfere aktuelle Recht. Wer Büros in Wohnungen umwandeln will, scheitert mitunter am Brandschutz.
Die Macher des Ingenieurbüros T. Wackermann wünschen sich mehr Augenmaß: „Unzählige Gebäude in Hamburg würden nach heutigen Standards keine Baugenehmigung mehr erhalten“, sagt Barghusen und verweist auf Altbauten aus der Gründerzeit mit Holzdecken und ohne zweiten Rettungsweg. Derweil nehmen die heutigen Bestimmungen überhand. „An einem größeren Wohnprojekt arbeiten heute schnell 20 Planer“, ergänzt Felske.
Musterbeispiel für wenig Bürokratie: die Alsterschwimmhalle
In Hamburg konnte das Ingenieurbüro zahlreiche Großprojekte begleiten. Nicht nur in der Planungsphase, sondern auch während der Realisierung stellten sich viele Vorhaben als anspruchsvoll heraus. In guter Erinnerung behalten die Ingenieure die kürzlich renovierte und wiedereröffnete Alsterschwimmhalle. „Hier verlief die Kooperation mit dem Bezirksamt Nord außerordentlich gut, was sicherlich zu den Gründen zählt, weshalb die Schwimmoper termingerecht und innerhalb des Kostenrahmens vollendet werden konnte“, führt Wackermann aus.
Derzeit begleitet die Firma Projekte wie Krankenhäuser, Industrie- und Gewerbebauten, Schulen, Wohnungsneubauten sowie Wohn- und Pflegeheime bis hin zu Bundesbauten. Eher skeptisch betrachtet Wackermann den aktuellen Trend zu Holzhäusern. „Ich bin hier vorsichtig, da die brandtechnische Forschung bei Holzbauten in vielen Bereichen noch am Anfang steht. Bauprodukte und Bauarten sind klar geregelt, doch für den Holzbau sind diese Bestimmungen noch nicht vollständig definiert.“
Beim Holzbau sind die Experten noch vorsichtig
Nachhaltigkeit gehe seiner Sicht nach weit über den Holzbau hinaus. Wichtig sei auch, dass sich Gebäude leicht an ändernde Nutzungsanforderungen anpassen lassen – Abriss und Neubau sollten vermieden werden.
Als Sachverständige für Neubauvorhaben sieht das Büro nun einen Silberstreif am Horizont der darbenden Baubranche. „Der Bau von Bürogebäuden, Hotels und Gewerbeanlagen hat einen Dämpfer erhalten, aber der Schulbau ist im Aufwind, und manche Projekte gewinnen wieder an Fahrt“, so Wackermann. Das sei für die Branche auch bitter nötig, weil die Auftragsbücher vieler Bauunternehmen längst leer seien. „Es geht darum, diese Lücke schnell zu schließen. Hier sind die Behörden gefragt, stagnierende Genehmigungen zu beschleunigen.“ Sein eigenes Unternehmen trifft die derzeitige Lage jedoch nicht hart: „Wir sind ständig auf der Suche nach guten Mitarbeitern.“
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Wackermann sieht in der Entbürokratisierung Chancen für die gesamte Branche: „Wir würden uns freuen, wenn nicht alle, bisweilen ungerechtfertigte Anforderungen aufrechterhalten bleiben“, argumentiert er. Die Aussage trifft auch auf die laufende Planung eines Großelektrolyseurs zur Herstellung von grünem Wasserstoff im Hamburger Hafen zu. Dieses Prestigeobjekt der Energiewende hängt seit einem Jahr in der Abstimmung der Behörden. „Neuartige Vorhaben, die politisch gewünscht sind, benötigen eine enge Abstimmung – allerdings ohne Kompromisse bei der Sicherheit.“