Hamburg. Es ist eine anstrengende Arbeit, die den Beschäftigten einiges abverlangt. Das Abendblatt schaute bei Landwirt Felix Löscher vorbei. Der Report.
Bei Alex Mitrea sieht es ganz einfach aus: Mit dem Zeige- und dem Mittelfinger gräbt der Erntehelfer jeweils rechts und links vom Schaft des weißen Spargels eine Kuhle, sticht dann von schräg oben das Spargelmesser in den Damm und trennt mit der Klinge in einem gekonnten Schwenk die Stange von der Wurzel. Dann wischt er mit einer Maurerkelle, genannt „Patze“, die angehäufte Erde zurück in den Spargeldamm. Nach weniger als fünf Sekunden ist der 33-Jährige an der nächsten Stange angelangt, die aus dem Damm ragt – oder sich durch Risse in der Erde bemerkbar macht.
Spargelzeit in Hamburg – so landet das Gemüse vom Feld im Verkaufsstand
„Ein guter Erntehelfer sticht 15 bis 25 Kilo pro Stunde“, sagt Felix Löscher, für den Mitrea bereits mehr als zehn Jahre arbeitet. Seit 40 Jahren baut der Familienbetrieb Löscher Erdbeeren und Spargel an. Felix Löscher hat den Hof im Jahr 2018 gemeinsam mit seinem Bruder Florian vom Vater übernommen. Aktuell bewirtschaften sie insgesamt etwa 220 Hektar Land. Das geht aber nicht ohne Hilfe.
Fürs Spargelstechen beschäftigt Löscher etwa 80 Erntehelfer und -helferinnen. Die meisten Menschen kommen aus Rumänien und wohnen in Unterkünften direkt auf dem Hof. Morgens um 6 Uhr geht es los aufs Spargelfeld, bis zu zehn Stunden stechen sie dort an Erntetagen. Löschers Beschäftigte bekommen bei dem 41-Jährigen den Mindestlohn. Außerdem zahlt sich Geschwindigkeit aus: „Wer 110 Prozent des durchschnittlichen Pensums gestochen hat, bekommt 50 Cent Zuschlag pro Stunde“, sagt Löscher.
Erntehelfer in Hamburg: Wer viel Spargel sticht, bekommt einen Bonus
Alex Mitrea ist im Begriff, sich diesen zu erarbeiten. Die frisch gestochenen Spargelstangen legt der Erntehelfer in eine grüne Plastikkiste, die links neben ihm auf einer sogenannten Spargelspinne mitfährt. Und schon hat Mitrea den nächsten Spargelkopf ausgegraben. Die Spinne rollt dabei im Schritttempo mit ihm über den etwa 700 Meter langen Spargeldamm. Der 33-jährige Rumäne kann sie mit einem Griff auf Schulterhöhe starten und anhalten.
Nicht nur für den Transport des geernteten Spargels ist die Spargelspinne nützlich, sondern auch, um die Plastikfolie, die über dem Damm ausgebreitet ist, zu drehen: Eine dunkle – meist schwarze oder grüne – Seite soll dafür sorgen, dass die Erde bei Sonnenschein warm wird und bleibt. Liegt die weiße Seite oben, kann zu starke Sonneneinstrahlung abgemildert werden. Das Wachstum des Gemüses kann die Folie so hemmen.
Spargel gedeiht am besten bei einer Bodentemperatur von 13 Grad Celsius
„Auf jedem Feld haben wir ein Thermometer im Boden“, sagt Felix Löscher. Mithilfe einer App auf seinem Smartphone kann er dann prüfen, wie warm es auf den unterschiedlichen Äckern tief im Boden, im Spargeldamm und über der Erde ist. „Am besten gedeiht Spargel bei einer Bodentemperatur von rund 17 Grad Celsius in 40 Zentimetern Tiefe“, so Löscher. Die Dammtemperatur sollte für den Spargel und dessen Ernte 25 Grad Celsius bestenfalls nicht überschreiten.
Und auch für die Erntehelfer sind gemäßigte Temperaturen angenehmer. Denn die Spargelernte ist ohnehin ein Knochenjob. Schon nach zehn Minuten Spargelstechen macht sich der Rücken bemerkbar. An diesem Tag Ende April herrscht angenehmes Erntewetter: 19 Grad Celsius und ein Sonne-Wolken-Mix, kein Regen. Gut so, denn die heiße Phase für den Spargelverkauf steht bevor.
Grüner Spargel macht 15 Prozent des Umsatzes aus
Die vielen Feiertage im Mai und milde Temperaturen laden zu Familientreffen und zum gemeinsamen Essen ein – da soll in vielen deutschen Haushalten Spargel auf dem Teller landen. Felix Löscher selbst mag am liebsten in Butter gebratene Spargelköpfe mit Kartoffeln, Fleisch und Sauce Hollandaise – einen der Klassiker. 1,4 Kilogramm Spargel hat ein Mensch aus Deutschland im Jahr 2023 durchschnittlich gegessen, wie die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) mitteilt. Dabei ist der klassische weiße Spargel am gefragtesten. Grüner Spargel macht bei Löscher etwa 15 Prozent des Umsatzes aus.
Zwischen Ernte und Verkauf stehen dem Gemüse aber noch weitere Stationen bevor: Zunächst fahren die Erntehelfer die Spargelkisten vom Feld auf den Hof in eine Sortierhalle. Die Kisten werden erst einmal gewogen und genau ausgelesen, wie viele Kilogramm von welchem Feld geerntet wurden. Dann wird der Spargel von Erde und Schmutz befreit: Dafür rollen die grünen Plastikkisten durch eine Waschstraße.
Spargel – von der Waschstraße in die Kühlung und zur Sortiermaschine
Ein paar Meter weiter schiebt ein Mitarbeiter die Stangen in die sogenannte Spargeldusche, wo sie auf unter zwei Grad Celsius heruntergekühlt werden. „Das ist wichtig, um die Frische und Qualität des Gemüses zu erhalten“, sagt Felix Löscher, „und, damit der Spargel keine Verfärbungen bekommt.“ Bis zu drei Stunden werden sie dort zwischengelagert, ehe es in die Sortiermaschine geht: Ein Mitarbeiter legt die Spargelstangen von der Kiste auf ein Fließband.
Stange für Stange geht es erst den Spargel-Enden an den Kragen, dann liest ein Sensor weitere Eigenschaften des Gemüses aus. Je nach Länge, Dicke, Farbe, Krümmung und Struktur des Spargelkopfes werden die Stangen einer Klassifizierung zugeordnet. Die edelsten Stangen, Güteklasse 1, landen in einer anderen Kiste als etwa der gemeine Haushaltsspargel. „Am Ende schmeckt aber alles gleich“, sagt Felix Löscher und lacht.
800 Kilo Spargel können in der Maschine pro Stunde sortiert werden. Eine andere Mitarbeiterin bringt von dort die Kisten entweder direkt ins Kühlhaus oder zu einer Bündelmaschine, wo die Spargelstangen in 500-Gramm-Portionen für Supermärkte gebunden werden.
15 bis 20 Prozent des Spargels werden direkt geschält
„Außerdem verkaufen wir 15 bis 20 Prozent unseres Spargels geschält“, sagt Felix Löscher. Das passiert aber nicht per Hand, sondern in einer Schälmaschine: Mit einem Greifarm wird die Spargelstange am Kopf in die Maschine eingehängt. Im nächsten Schritt trennen dann mehrere Klingen hintereinander jeweils in unterschiedlichen Winkeln die Schale von den weißen Stangen.
Das geputzte, sortierte und gegebenenfalls geschälte Gemüse lagert anschließend so lange wieder bei etwa zwei Grad Celsius im Kühlhaus, bis es zu Verkaufsständen, Supermärkten oder ins Hofcafé transportiert wird. Löscher hat 35 Verkaufsstände in Hamburg und Umgebung – auch Supermärkte wie Edeka oder Rewe kaufen seinen Spargel. Im Hofcafé, das seine Schwester und sein Schwager betreiben, gibt es von Dienstag bis Sonntag Spargel in allen Variationen sowie weitere Produkte vom Hof.
Steigende Preise und die Zukunft des Gemüses – „Müssen Lust auf Spargel machen“
Während die Betriebs- und Lohnkosten kontinuierlich steigen, konnte Löscher im Vergleich zum vergangenen Jahr seine Spargel- und Erdbeerpreise halten. „Wir versuchen, effektiver zu arbeiten und die Erntehelfer so einzusetzen, dass wir die Ernteleistung optimieren können“, sagt Löscher. Konkret heißt das: Statt täglich zu ernten, wechselt Löscher häufig auf einen Zwei-Tages-Rhythmus.
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„Die Produktionsfläche für Spargel hat in Deutschland in diesem Jahr weiter abgenommen“, sagt Claudio Gläßer von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Entgegen dieses Trends konnte der Hof Löscher seine Anbauflächen im Vergleich zum Vorjahr halten. Trotzdem weiß Löscher, dass es nicht einfacher wird mit der Vermarktung von Spargel.
„Wir müssen der jüngeren Generation Lust auf Spargel machen“, sagt der 41-Jährige. Die grüne Variante komme recht gut bei jungen Menschen an, beim weißen Spargel bemerke er hingegen keinen „Hype“ unter jungen Leuten. Löscher blickt trotzdem positiv in die Zukunft: „Wir sehen uns als Spargel- und Erdbeerhof – und Erdbeeren sind in jeder Generation beliebt.“