Hamburg. Norbert Aust bleibt bis 2028 der wichtigste Repräsentant der Hamburger Wirtschaft. Er hat noch einiges vor, auch mit dem Präses-Zimmer.
Norbert Aust sitzt auf einem Stuhl im Präses-Zimmer der Handelskammer und lächelt, als die Frage zu seinem Alter kommt. Warum noch eine zweite, vierjährige Amtszeit als Präses? Mit 80 Jahren! Aust guckt wie immer ein wenig verschmitzt, redet mit Bedacht: „Kurze Antwort:“, sagt er und streut eine für seine Gesprächspartner wohlbekannte Aust-Pause ein. „Ich habe vor allem weiterhin große Lust, mich für die wichtigste Vertretung der Hamburger Wirtschaft zu engagieren. Es gibt noch große Pläne, wie wir die Stadt voranbringen können.“
Schließlich würden 180.000 Unternehmen, deren Interessen die Handelskammer vertritt, der Motor Hamburgs sein. Und diesen wolle er hochtourig am Laufen halten. Aust will verändern, bewegen – und doch steht er vor allem für Integrität und Vertrauen. Schließlich war er es mit seinen Kolleginnen und Kollegen, die im Frühjahr 2020 die turbulente Rebellen-Epoche mit von Egomanen geführten Grabenkämpfen in der altehrwürdigen Kammer beendete. „Wir haben damals bei null angefangen, mussten der Kammer zunächst wieder eine kräftige Stimme in der Stadt verleihen.“
Mit 80 Jahren erneut Präses? „Ich habe weiterhin große Lust“
Wache Augen, freundliches Wesen, genau überlegte Worte. Aust kann mit seiner ruhigen Art verbinden, eine nicht zu unterschätzende Gabe. Auch deshalb ist er kürzlich vom Plenum mit klarer Mehrheit im Amt bestätigt worden. Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gab keinen Gegenkandidaten, denn nicht erst seit der Ära Aust scheuen die Unternehmer in der Stadt das arbeitsintensive Ehrenamt.
Selbst wenn die großen Einzelerfolge der Handelskammer in seiner Amtszeit bisher ausgeblieben sind, Aust und sein Team haben in den vergangenen Jahren mit dazu beigetragen, dass Hamburgs Wirtschaft glimpflich durch die schwierigen Corona- und Inflationszeiten gekommen ist. Sie haben zudem eine ambitionierte Strategie 2040 formuliert und im Kleinen unter anderem Erleichterungen beim Anliegerparken für Gewerbetreibende durchgesetzt.
Norbert Aust bleibt mit 80 Jahren Präses der Hamburger Handelskammer
Doch im Großen und Ganzen war Aust in seiner ersten Amtszeit eher ein Krisenmanager, in den kommenden vier Jahren will er nun noch mehr gestalten. „Wir haben noch viel vor“, sagt der Mann, der einst gemeinsam mit Corny Littmann das Schmidt Theater groß machte und das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement weit über die Kultur hinaus verliehen bekam.
Was sind denn nun seine Top drei für die kommenden Jahre als Präses? Aust antwortet zunächst allgemein: „Wir werden mit dem neuen Plenum unsere Standortstrategie ,Hamburg 2040 – wie wollen wir künftig leben und wovon?‘ fortschreiben. Die großen Themen wie Klimawandel, Stadtentwicklung, Fachkräfte, Innovation, Hafen und Logistik werden weiterhin entscheidend bleiben. Schwerpunkte wie die neuen Herausforderungen in der Außenwirtschaft und künstliche Intelligenz kommen hinzu.“
Dann wird er konkreter. Zum einen nennt er das „Aufarbeiten der Corona-Zeit“ als Ziel. Schließlich würden noch immer, vor allem viele kleine Unternehmen unter den ökonomischen Folgen der Pandemie leiden. So sei es ein Erfolg, dass die Rückzahlung der staatlichen Hilfen ein wenig gestreckt werden konnte.
Den Bürokratieabbau in Hamburg will er voranbringen
Als zweites wichtiges Thema hat er die politische Stimmung im Land ausgemacht. Er weiß, dass den Kammer-Repräsentanten juristisch enge Grenzen gesetzt sind, wenn es um politische Äußerungen geht. Dennoch wird Aust deutlich, wenn er sagt: „Bei den anstehenden Wahlen dürfen die extremen Kräfte mit ihren populistischen Haltungen nicht stärker werden.“
Und als drittes Aufgabenfeld hat er den Bürokratieabbau ausgemacht, nicht wirklich ein neues Thema der Wirtschaft. Doch Aust bleibt beharrlich: „Wir müssen in der Stadt wieder zu einer Ermöglichungskultur kommen.“ Sein Credo: „Die herrschende Verbotskultur lähmt nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte Gesellschaft.“ Aust bemüht das Bild vom Riesen Gulliver, der von den Bewohnern der Fantasieinsel Liliput mit vielen Tausend Fäden am Boden gehalten wurde. Diese Fäden sind für ihn die Richtlinien und Paragrafen, mit denen die Entfaltung des freien Unternehmensgeistes in der Stadt behindert wird. Sie möchte er zerschnitten wissen.
Ins Präses-Zimmer der Handelskammer soll ein großes Hafenbild
Dass er und sein Team am Adolphsplatz diese Fäden nicht persönlich durchtrennen können, weiß Aust. Deshalb sieht er die Handelskammer auch eher als Mahner für Politik und Verwaltung – und nicht zuletzt als wichtige Serviceeinrichtung für Betriebe: „Wir wollen den Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite stehen, ihnen ein breit gefächertes Hilfsangebot bieten.“
Die Kammer als Dienstleister und Aust als deren ehrenamtlicher Präses, der auch heute noch mindestens dreimal in der Woche in das historische Gebäude hinter dem Rathaus kommt. „In der Anfangsphase war ich noch häufiger hier und hatte so viele Termine, dass sogar meine Frau leicht ironisch gesagt hat: So viel hast du noch nie gearbeitet.“ Doch mittlerweile halte ihm die hauptamtliche Geschäftsführung oft den Rücken frei.
Und dennoch kommen nicht wenige Stunden Arbeitszeit in der Woche zusammen, die man doch auch faulenzend am Strand verbringen könnte, oder? „Nur am Strand liegen? Das kann ich nicht!“ Allerdings schaut er heute doch genauer auf die Uhr, wenn es darum geht, Zeit für seine Frau, die sechs Kinder und vier Enkel zu reservieren.
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Ach, ja – und ein Herzensprojekt gibt es noch, das mit der Kammer im Allgemeinen und dem Präses-Zimmer im Besonderen zu tun hat. Aust möchte die riesige Seitenwand des Raumes neu gestalten. Dort, wo früher ein großer, unansehnlicher Teppich hing, lässt nun das grelle Weiß einer kahlen Wand den Betrachter die Augen zusammenkneifen. Dort soll nach seinen Plänen in Zukunft ein „großes, realistisches Hafenbild, eine Fotografie“ prangen. Eben ein Stück Hamburg, damit jeder weiß, worum es dem Präses Norbert Aust in seiner definitiv letzten Amtszeit geht. Denn wiedergewählt werden darf er in vier Jahren nach den Statuten nicht mehr.