Hamburg. Michael Berlemann über die Baustelle an den Elbbrücken, die Köhlbrandquerung – und ob man jetzt ein Haus kaufen sollte.
Seit dem Frühjahr 2022 leitet Michael Berlemann als wissenschaftlicher Direktor das Hamburger Wirtschaftsforschungsinstitut HWWI. Das Abendblatt sprach mit dem Ökonomen über die aktuelle Konjunktur im Allgemeinen und speziell über die Aussichten für den Bausektor. Insbesondere zum Elbtower hat Berlemann eine klare Meinung – aber er gibt auch einen Ratschlag für Privatpersonen, die aktuell mit dem Kauf einer Immobilie liebäugeln.
Kaum noch Wachstum, weiterhin zu hohe Inflationsraten – bereitet Ihnen der Blick auf die deutsche Wirtschaft Sorgen?
Michael Berlemann: Das ist aktuell tatsächlich eine schwierige Situation. Bei der Inflation stimmt zumindest die Richtung, wir sind aber noch ein Stück entfernt von der Inflations-Zielmarke der Europäischen Zentralbank in Höhe von zwei Prozent. Deshalb gehe ich davon aus, dass es noch einige Monate dauern wird, bis die EZB die Zinsen senken und die Konjunktur so neue Impulse bekommen wird.
HWWI-Direktor Michael Berlemann: „Kein Steuergeld für Rettung des Elbtowers“
Einige Experten rechnen mit einer Zinssenkung im Sommer …
Ich gehe davon aus, dass die EZB frühestens im September die Leitzinsen reduziert. Denn nichts wäre schlimmer als ein erneutes Aufflammen der Inflation. Die EZB dürfte zunächst abwarten, wie die Lohnabschlüsse in wichtigen Branchen ausfallen. Zu hohe Lohnabschlüsse könnten die Inflation erneut antreiben.
Die Zahl der Insolvenzen legt bundesweit aktuell kräftig zu, vor allem der Bausektor ist betroffen. Wie tiefgreifend wird die Krise den Bau verändern?
Aus meiner Sicht führen vor allem die hohen Finanzierungskosten zu den Problemen am Bau. Das könnte sich zumindest auf mittlere Sicht bei sinkenden Zinsen ändern. Dann wird man am Bau aber sicherlich noch nicht wieder auf dem Vorkrisen-Niveau landen. Man darf nicht vergessen, dass am Bau auch die öffentliche Hand sehr stark involviert ist. Und das Geld des Staates ist knapp, hier dürfte es zunächst kaum nachhaltige Impulse seitens der öffentlichen Hand geben.
Immer mehr Bauprojekte liegen wegen Finanzierungsproblemen auf Eis. In Hamburg ist der Elbtower das prominenteste Beispiel. Der Ruf aus der privaten Wirtschaft nach Hilfen der Stadt Hamburg wird lauter. Halten Sie ein finanzielles Engagement Hamburgs beim Elbtower für sinnvoll?
Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, den Elbtower mit Geld zu retten. Sicherlich kann die Politik vermittelnd tätig werden und Lösungen anschieben. Aber es sollte kein Steuergeld für die Rettung des Elbtowers fließen.
HWWI-Direktor: Stadt Hamburg sollte keine falschen Signale senden
Es gab auch die große staatliche Rettungsaktion für die Elbphilharmonie …
Die Stadt muss darauf achten, dass sie nicht die falschen Signale sendet. Investoren dürfen nicht glauben, bei jedem finanziellen Problem springt der Steuerzahler ein. Das wäre fatal.
Ein weiteres großes Bauvorhaben ist die neue Elbquerung. Sind Sie eher für einen neuen Tunnel oder eine Brücke?
Ich bin kein Bauingenieur, deshalb kann ich diesbezüglich keine fundierte Meinung äußern. Wichtig ist allerdings, dass der Hafen international nicht abgehängt wird. Denn er ist und bleibt das Herz unserer Wirtschaft. Hamburg muss sicherstellen, dass auch die größten Schiffe zukünftig den Hafen erreichen können. Es sollte aus meiner Sicht auf jeden Fall eine neue Querung geben, wie diese aber am Ende aussieht, das müssen die Fachleute entscheiden.
HWWI-Direktor: Immobilienzinsen sind historisch gesehen gar nicht hoch
Kommen wir vom öffentlichen zum privaten Baugeschehen. Die Preise für Bestandsimmobilien sinken wegen der kostspieligen Finanzierung. Neubauten werden immer teurer, finden kaum noch statt. Wohin entwickelt sich der Markt?
Die Zinsen sind historisch gesehen gar nicht so hoch. Wir haben allerdings viele Jahre mit extrem niedrigen Bauzinsen hinter uns. Daran haben sich die Marktteilnehmer gewöhnt und scheuen nun die im Vergleich zur jüngsten Vergangenheit gestiegenen Zinsen. Zudem haben die Immobilienpreise in den vergangenen zehn, 15 Jahren sehr stark zugelegt. Das heißt: Eine teurere Finanzierung trifft auf weiterhin hohe Preise. Diese sind in den vergangenen ein, zwei Jahren aber bereits zurückgegangen. Und bei den Zinsen haben wir zumindest der Höchststand hinter uns. Ich gehe davon aus, dass die Zinsen weiter sinken werden und sich der Markt dann wieder peu à peu normalisiert. Der Neubau ist allerdings sehr, sehr teuer geworden und das wird er wohl auch noch bleiben. Das liegt zum einen an der Inflation, die dazu geführt hat, dass die Kosten für Bau-Vorprodukte stark gestiegen sind. Aber auch die staatlichen Vorgaben im Sinne des Klimaschutzes machen das Bauen kostspieliger. Nur, zu diesen strengeren politischen Vorgaben gibt es mit Blick auf den Klimawandel keine Alternative.
Weitere Wirtschaftsthemen
- Otto Group bekommt eine Chefin – Michael Otto zieht sich zurück
- Nivea-Hersteller Beiersdorf: Nach Rekordjahr droht schwächeres Wachstum
- BWL-Studium – und was dann? Was Hamburger Konzerne erwarten
Ist aktuell ein guter Zeitpunkt, um in Hamburg eine Immobilie aus dem Bestand zur Eigennutzung zu kaufen?
Wer ausreichend Eigenkapital zur Verfügung hat, macht sicherlich beim richtigen Objekt in guter Lage keinen Fehler, jetzt zu kaufen.