Hamburg. Umweltsenator Kerstan will jetzt neue Regelungen für späte Starts und Landungen. Doch die Wirtschaftsbehörde sieht dafür keinen Anlass.

Weniger als zehn Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem Hauptbahnhof und Hamburg Airport. Ein so stadtnaher Flughafen hat Vorteile: Mit der S-Bahn-Linie 1 sind Passagiere in nicht einmal 30 Minuten am Terminal. Doch für die Anwohner ist der Flughafen Fuhlsbüttel vor allem mit Fluglärm verbunden.

Um diesen für Bürgerinnen und Bürger einzudämmen, gilt in Hamburg ein Nachtflugverbot zwischen 0 und 6 Uhr. Für die Zeit zwischen 23 und 0 Uhr greift bislang eine sogenannte Verspätungsregelung: Airlines müssen begründen, warum ein verspäteter Abflug oder eine verspätete Landung in der letzten Stunde des Tages unvermeidbar ist. Darüber hinaus müssen sie deutlich höhere Entgelte für verspätete Starts und Landungen in diesem Zeitraum an den Flughafen zahlen.

Flughafen Hamburg: Umweltbehörde stoppt Nachtfluggebühr nach Klage

Für die Prüfung der von den Airlines angegebenen Gründe für Verspätungen hat die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) bislang eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 500 Euro pro Fall erhoben. Stellte sie dabei fest, dass die Verspätung vermeidbar war, forderte sie insgesamt 750 Euro Ordnungsgebühren. Doch dafür fehlt nach Auffassung des Hamburger Verwaltungsgerichts die rechtliche Grundlage.

Die beiden Fluggesellschaften Condor und Lufthansa hatten gegen die Gebühr Klage eingereicht. Wie das Verwaltungsgericht der BUKEA nun in einem sogenannten Hinweisbeschluss mitteilte, ist sie wahrscheinlich rechtswidrig. Außerdem stellte das Gericht fest: Ein eingeschränkter Betrieb am Hamburger Flughafen ist rechtlich erst ab 0 Uhr abgesichert. Für die Verspätungsregelung ab 23 Uhr fehle also eine generelle Rechtssicherheit. Um zu vermeiden, dass die Stadt verurteilt wird, habe die BUKEA Condor und Lufthansa klaglos gestellt und werde die Prüfungsgebühr und Ordnungsgelder vorerst nicht einfordern, wie Umweltsenator Jens Kerstan am Mittwochmittag mitteilte.

Lärmschutz am Hamburg Airport: Braucht es eine neue Verspätungsregelung?

Dadurch fehle allerdings ein Druckmittel gegen Airlines, den Lärmschutz für Anwohnerinnen und Anwohner einzuhalten, so Kerstan. „Als lärmschutzverantwortliche Behörde werden wir daher ab sofort umso ambitionierter an einer Lösung arbeiten“, sagte der Umweltsenator. „Ein Großstadtflughafen hat nur dann eine Zukunft, wenn der Lärmschutz mitgedacht wird.“

Kerstans Ziel: Starts ab 23 Uhr sollen nur noch mit einer Ausnahmeregelung erlaubt sein – und auch gegen verspätete Landungen wolle er strenger vorgehen. Er wolle deshalb Gespräche mit der für den Flughafen zuständigen Behörde für Wirtschaft und Innovation (BWI) führen, um an einer neuen Verspätungsregelung zu arbeiten, kündigte der Umweltsenator an.

Flughafen Hamburg: Wirtschaftsbehörde hält am aktuellen Prozedere fest

Die Wirtschaftsbehörde hält jedoch am aktuellen Ablauf am Flughafen fest: „Die Betriebszeiten wie derzeit sind aus unserer Sicht angemessen“, sagte Behördensprecher Martin Helfrich dem Abendblatt. „Sie gewährleisten eine gute Erreichbarkeit bei gleichzeitigem Lärmschutz für Menschen im Flughafenumfeld.“

Aus Sicht der Wirtschaftsbehörde ist keine neue Regelung notwendig, zumal das Verwaltungsgericht einen Lösungsvorschlag bereit geliefert habe. Den könne die Umweltbehörde nutzen, um weiterhin Gebühren zu erheben. Denn die seien nach Ansicht der BWI durchaus „ein sinnvolles Instrument“.

Flughafen Hamburg: Mehr sehr späte Starts und Landungen

Offen ist, ob sie helfen, Starts und Landungen zwischen 23 und 24 Uhr zu vermeiden: Denn obwohl es am Hamburger Flughafen generell im Jahr 2023 mit rund 120.000 Starts und Landungen weniger Flugverkehr gegeben hatte als im Vor-Pandemie-Jahr 2019 (etwa 155.000 Flugbewegungen), gab es mehr verspätete Nachtflüge: 2019 waren es 678 gewesen, 2023 zählte die BUKEA 809 verspätete Nachtflüge.

Auch Bürgerinitiativen halten die derzeitige Verspätungsregelung für unzureichend. Der Wegfall der Gebühren sei ein „fatales Signal“, sagte René Schwartz von der Bürgerinitiative für die Reduzierung der Belastungen des Luftverkehrs (BAW HH/SH). Er fordert eine Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 6 Uhr für Werktage und zwischen 22 Uhr und 8 Uhr an Sonn- und Feiertagen. Flüge ab und nach Hamburg-Fuhlsbüttel sollen in dieser Zeit nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich sein.

Flughafen Hamburg: Initiativen fordern absolute Ruhe ab 22 Uhr

„Hier muss nachgebessert werden“, so Schwartz. „16 Stunden Betriebszeit pro Tag sind mehr als genug, um das Verbindungsbedürfnis der Bevölkerung zu bedienen.“

Laut Martin Mosel, Vorsitzender des BIG Dachverbands der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz e.V. (BIG-Fluglärm Hamburg), ist generell zweifelhaft, ob Gebühren und hohe Entgelte für Starts und Landungen bei Nacht ausreichen, um Nachtflüge und den damit verbundenen Lärm einzudämmen. Airlines würden die fälligen Gebühren einkalkulieren.

Weitere Wirtschaftsthemen

Denn nicht nur die Prüfungsgebühren der BUKEA in Höhe von 500 Euro waren bislang für verspätete Starts und Landungen fällig. Weiterhin bestehen bleiben die höheren Entgelte, die Airlines bei Nacht zahlen müssen: Laut Angaben des Hamburg Airports liegen die Zuschläge für Flüge nach 22 Uhr zwischen 1500 und knapp 3000 Euro je Flug – bei einem gängigen Flugzeugtyp wie dem Airbus 320. „Bei einem größeren Flugzeugtyp wie Boeing 777 sind diese Werte entsprechend höher“, so eine Flughafensprecherin.