Hamburg. Lärmschutzinitiative erinnert an das „Chaos“ während Europa-League-Finale 2010. Wie Bundesverkehrsministerium und Wirtschaftsbehörde reagieren.
Die frühen Nachtstunden des 13. Mai 2010 sind vielen Anwohnern des Flughafens Hamburg wohl nachhaltig im Bewusstsein geblieben. Am Vorabend hatte sich im Volksparkstadion Atlético Madrid mit 2:1 nach Verlängerung im Finale gegen den FC Fulham zum Gewinner der Europa League gekürt.
Normalerweise soll spätestens ab 0 bis 6 Uhr am Helmut-Schmidt-Flughafen Ruhe herrschen. Ab 1.30 Uhr hob in Fuhlsbüttel aber die erste Maschine ab, um die Fans wieder nach Hause zu fliegen. Bis zum Morgen folgten 74 weitere Flieger.
Flughafen Hamburg: Wird es Nachtflüge während der Fußball-EM 2024 geben?
„Das Chaos um das Europa-League-Finale 2010 ist uns noch gut in Erinnerung. Das darf es nie wieder geben!“, sagte Martin Mosel, der Vorsitzende des BIG Dachverbands der Bürgerinitiativen und Vereine für Fluglärm-, Klima- und Umweltschutz (BIG Fluglärm).
Der aktuelle Anlass zur Sorge: Vom 14. Juni bis zum 14. Juli wird Deutschland die Fußballeuropameisterschaft 2024 ausrichten. Und die Nachrichtenagentur AFP berichtete Mitte Januar, dass das Bundesverkehrsministerium die „Nachtflugverbote an Flughäfen in der Nähe der Stadien aussetzen“ wolle.
Forderte Bundesverkehrsministerium Nachtflüge? Ein Sprecher dementiert
Auf Anfrage unserer Redaktion dementierte das Bundesverkehrsministerium jedoch dieses Ansinnen. „Das Mobilitätskonzept des Bundes für die Uefa Euro 2024 sieht keine Aufhebung von Nachtflugverboten an deutschen Flughäfen vor, entsprechende Medienberichte treffen nicht zu“, sagte ein Sprecher.
Zudem gebe es in dieser Frage weder eine Zuständigkeit des Verkehrsministeriums noch des Bundes. Der Sprecher verwies darauf, dass die Luftfahrtbehörden der Bundesländer für die Betriebszeiten der Flughäfen zuständig seien. Das gelte auch bei Einzelfall-Anträgen für Ausnahmen.
In Hamburg finden fünf Spiele der Europameisterschaft 2024 statt
Für die Luftaufsicht zuständig in Hamburg ist die Wirtschaftsbehörde – und die antwortet auf Fragen zu dem Thema etwas ausweichend. Hauptverkehrsmittel für die Durchführung der Mobilität innerhalb Deutschlands während des Turniers sei die Bahn, hieß es. Die Vorrunden seien so geplant, dass es möglichst kurze Wege zwischen den Austragungsstätten gebe.
Im Volksparkstadion finden zunächst drei Vorrundenspiele statt, die um 15 Uhr angepfiffen werden. Das vierte Gruppenspiel Türkei gegen Tschechien wird wie ein Viertelfinale um 21 Uhr angepfiffen. Nachtflüge wären gegebenenfalls wohl nur für die beiden letzten Spiele für die Beförderung der Mannschaften in ihr Quartier notwendig. Allerdings wohnen die Tschechen, die in der Gruppenphase zweimal in Hamburg spielen, ohnehin im Hotel Treudelberg und die Türken in Barsinghausen – das Ziel ist wohl auch per Bus erreichbar.
Hamburg sieht „bisher keine absehbaren Erfordernisse für Nachtflüge“
Daher sagt Wirtschaftsbehörden-Sprecher Martin Helfrich: „Es bestehen also bisher keine absehbaren Erfordernisse für Nachtflüge. Insofern ist bislang auch nicht beabsichtigt, dass der Flugbetrieb rund um die Uhr laufen müsste. Eine pauschale Ausnahmeregelung ist daher bislang nicht vorgesehen.“
Der Flughafen Hamburg darf regulär zwischen 6 und 23 Uhr genutzt werden. Verspätete Flüge, deren Start oder Landung bis 23 Uhr geplant waren, dürfen bis Mitternacht durchgeführt werden, wenn unvermeidbare Gründe dafür vorliegen. Anträge auf Ausnahmegenehmigungen gebe es nach jetzigem Stand nicht, so Helfrich. Gäbe es solche Bedarfe, würden sie im Einzelfall auf dem üblichen Weg unter Einbeziehung der Fluglärmschutzbeauftragten, die in der Umweltbehörde verankert ist, entschieden.
Anträge für Start- und Landeslots können noch wochenlang beantragt werden
Allerdings sind Anträge für Start- und Landeslots auch in den nächsten Wochen noch möglich. Zwei Teams der Gruppenspiele in Hamburg müssen noch in Play-offs ermittelt werden. Auch die Gegner für das Viertelfinalspiel stehen naturgemäß erst nach der Gruppenphase Ende Juni fest – und damit auch ihre Reisewege.
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Die BIG Fluglärm lehnt Flüge von an- und abreisenden Fußballfans mitten in der Nacht ab. Auch Flüge von Mannschaften, Funktionären und Schiedsrichter nach 23 Uhr sollten streng geprüft werden. „Nächtlicher Fluglärm ist besonders gesundheitsschädlich“, sagt Mosel: „Die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Bürger unterliegen mit dem Nachtflugbetrieb bereits jetzt einem starken Druck und dürfen nicht gegen ein kurzfristiges Fußballspektakel weggewogen werden.“