Hamburg. Studie zeigt hohen Anteil der Immobilien mit schlechter Energieeffizienz. Wie es im Umland aussieht und was die Sanierung kostet.
Auf Hamburgs Besitzer von Einfamilienhäusern kommen in den nächsten Jahren hohe Kosten für die Sanierung ihrer Immobilien zu. Denn gemessen an der Energieeffizienzklasse ist fast jedes zweite Haus in Hamburg ein Sanierungsfall. Es fällt in die drei schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H. Zu den Einfamilienhäusern werden auch Doppel- und Reihenhäuser gezählt. Der genaue Anteil liegt bei 49,2 Prozent.
Damit schneidet Hamburg nur geringfügig besser als im Bundesdurchschnitt (50,4 Prozent) ab. Energetisch gut bis sehr gut ist in Hamburg nur rund jedes fünfte Einfamilienhaus (19,1 Prozent). So hoch ist der Anteil der Häuser, die über die Energieeffizienzklassen A+, A, B und C verfügen. Das geht aus Daten hervor, die das Immobilienquartal Immowelt exklusiv für das Abendblatt aus allen Verkaufsangeboten von Bestandshäusern und -wohnungen im vergangenen Jahr aufbereitet hat. In den Energieausweisen der Gebäude sind die Energieeffizienzklassen ausgewiesen.
Immobilien in Hamburg sanieren: Heizung kostet rund 3000 Euro im Jahr
Für die Masse der Immobilien gilt: „Bei deutschen Wohnimmobilien herrscht ein enormer energetischer Sanierungsbedarf“, sagt Immowelt-Geschäftsführer Felix Kusch. „Die mitunter hohen Kosten für eine energetische Sanierung schrecken jedoch viele Immobilienbesitzer ab und der zwischenzeitliche Stopp mehrerer Förderprogramme im Zuge der Haushaltskrise hat für zusätzliche Verunsicherung gesorgt.“
Die drei schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H führen zu einem Energiebedarf zwischen mindestens 160 und mehr als 250 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr. Schnell werden so rund 30.000 kWh Gas im Jahr verbraucht. Das sind rund 3000 Euro Energiekosten.
Immobilien: Fast alle Häuser vor 1990 haben Sanierungsbedarf
Zählt man in Hamburg noch die Häuser hinzu, die in die Effizienzklassen D und E fallen, steigt der Anteil der sanierungsfälligen Objekte auf 77,8 Prozent. Zwar ist der Modernisierungsbedarf dieser Häuser, die zwischen 100 uns 160 kWh pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr verbrauchen, nicht so hoch. Aber auch hier stehen Hausbesitzer vor Investitionen.
„Betroffen sind in im Prinzip alle Immobilien, die vor 1990 errichtet wurden“, sagt Andreas Beck, Immobilien- und Kapitalmarktexperte sowie Gründer der Index Capital. Denn ohne zwischenzeitliche Investitionen entsprechen diese Objekte nicht mehr den heutigen energetischen Erfordernissen. „Wer kauft und einzieht, muss wahrscheinlich noch mindestens 100.000 Euro investieren“, sagt Beck. Doch bei den Preisen, die jetzt noch für ein Einfamilienhaus in Hamburg verlangt werden, können sich das die wenigsten leisten, und auch die Banken werden vorsichtiger bei der Finanzierung. „Von 20 Antragstellern, die einen Kredit über 400.000 Euro oder mehr beantragen, bekommt einer ihn bewilligt“, sagt ein Hamburger Makler.
Immobilien: Immer mehr ältere Häuser kommen auf den Markt
Beck sieht aber noch ein demografisches Problem. „Ab 2025 werden viele dieser Häuser auf den Markt kommen, und es ist offen, ob sich dafür genügend Käufer finden.“ Die Babyboomer geben die Objekte auf oder versterben, ihre Kinder sind aber in der Regel bereits mit Wohnraum ausreichend versorgt. „Mitunter wohnt nur noch eine Person in einem Haus“, sagt Beck.
In den neun ausgewählten Umlandkreisen haben sechs einen bessern Durchschnittswert als Hamburg. So entfallen im Kreis Segeberg 41,4 Prozent der Einfamilienhäuser in die drei schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H. Im Kreis Herzogtum-Lauenburg liegt die Quote bei 43,9 Prozent und im Kreis Stormarn bei 45,2 Prozent. Die Häuser im Landkreis Lüneburg erreichen sogar nur einen Wert von 39,4 Prozent für die drei schlechtesten Energieklassen.
Drei Kreise im Umland schneiden noch schlechter als Hamburg ab
Schlechter als Hamburg bei der Energieeffizienz schneiden die Kreise Steinburg (63,1 Prozent für die drei schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H), Stade (52,8 Prozent) und Heidekreis (52,3 Prozent) ab.
Bundesweit gesehen fallen die Ergebnisse in ländlichen Regionen durchaus noch schlechter aus. Vor allem in strukturschwachen ländlichen Regionen gibt es viele Immobilien, die dringend energetisch saniert werden müssen, heißt es in der Untersuchung von Immowelt. Den höchsten Anteil an Wohnimmobilien mit einer Energieeffizienzklasse schlechter als E weisen der rheinland-pfälzische Landkreis Vulkaneifel sowie der Landkreis Kronach im Norden Bayerns mit jeweils 76,1 Prozent auf.
Immobilienverkauf: Statt Lage zählt das Baujahr der Heizung und die Energieeffizienzklasse
Für Immobilienbesitzer werden die schlechten Energieeffizienzwerte zunehmend zum Problem, vor allem wenn sie ihre Immobilie verlaufen wollen. Viele hoffen auch darauf, dass das Desinteresse potenzieller Käufer an den Objekten nur vorübergehend ist. „Die Entwicklung mit den fallenden Preisen und die Wichtigkeit der Energieeffizienz für die Käufer ist längst noch nicht bei allen Verkäufern angekommen“, sagt Anika Schönfeldt-Schulz, Vorsitzende des Vorstandes des Immobilienverbandes IVD Region Nord.
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Schon bei der Besichtigung der Immobilie werden viele Dinge, die bisher im Vordergrund standen, zweitrangig: Schön angelegter Garten, helle, gut geschnittene Räume, gute Lage. Statt über die netten Nachbarn von nebenan zu plaudern, müssen die Verkäufer liefern: Energieausweis, Verbrauchsdaten und Baujahr der Heizung.
Immobilienverkauf: Preise von 3300 Euro pro Quadratmeter wollen nur wenige Verkäufer akzeptieren
„Während der energetische Zustand einer Immobilie vor zwei Jahren eine untergeordnete Rolle gespielt hat, ist er aufgrund der explodierenden Nebenkosten heute das Hauptthema“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsführer Wohnen von Grossmann & Berger. Er schätzt den Quadratmeterpreis solcher Immobilien in Hamburg für dieses Jahr nur noch auf 3300 Euro je Quadratmeter Wohnfläche.
Doch solche Preise wollen nur wenige Verkäufer akzeptieren. Da sich aber auch kein Käufer findet, nehmen sie die Immobilien wieder vom Markt. Schönfeldt-Schulz befürchtet, dass ein Teil der unsanierten Einfamilienhäuser gar nicht mehr von Privatleuten erworben wird. „Das ist dann eher etwas für professionelle Aufkäufer, die die Objekte sanieren und dann wieder verkaufen“, erwartet die Maklerin. Wegen der hohen Zinsen und der gestiegenen Handwerker- und Materialkosten ist die Zeit dafür aber noch nicht reif.
80 Prozent aller Gebäude müssen noch einmal saniert werden
Die Werthaltigkeit vieler Immobilien kann nur noch mit einer energetischen Sanierung erreicht werden. Das Beratungsunternehmen EY schätzt, dass bundesweit 80 Prozent aller Gebäude noch einmal saniert werden müssen, um die ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen. Für die Hamburger Immobilienbesitzer hat die Stadtentwicklungsbehörde mit einem Gutachten die Kosten schon beziffert: 33 Milliarden Euro. EY kommt für die gesamte Bundesrepublik auf einen Wert von drei Billionen Euro – konservativ gerechnet. Diese Hypothek lastet künftig auf den Immobilienpreisen.
Nach der Studie von EY sind heute Kosten von 800 bis 1500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche für neue Fenster, Dächer, Fassadendämmung und eventuell eine neue Heizung üblich. Für ein Haus mit 120 Quadratmeter Wohnfläche sind das Investitionen von bis zu 180.000 Euro.
Immobilien: Eigentumswohnungen haben eine bessere Energieeffizienz
Wesentlich besser schneiden in Hamburg Eigentumswohnungen bei der Energieeffizienz ab. Hier liegt der Anteil der Wohnungen mit den drei schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H bei 19,1 Prozent. Unabhängig von der Bausubstanz verbessern innenliegende Wohnungen ohne Außenwände die Energieeffizienz des Gebäudes. Auf Grund der starken Neubautätigkeit in Hamburg im Geschosswohnungsbau liegt der Anteil in den vier besten Effizienzklassen A+, A, B und C bei rund 30 Prozent.
Noch stärker wirkt sich diese Neubautätigkeit offenbar in einigen Umlandkreisen aus. Denn die Kreise Pinneberg, Stormarn, Segeberg, Herzogtum Lauenburg und Harburg kommen auf Werte von mehr als 30 Prozent für die vier besten Effizienzklassen. Spitzenreiter ist der Landkreis Lüneburg mit 47,7 Prozent.
Maklerin Schönfeldt-Schulz erwartet, dass Eigentumswohnungen im Vergleich zu Einfamilienhäusern an Bedeutung gewinnen, wenn der Immobilienmarkt wieder anspringt. „Auch wenn in diese Wohnungen noch investiert werden muss, es sind deutlich kleinere Posten als beim Haus, wo ich allein für Dach, Heizung und Fenster zuständig bin.“