Hamburg. Der Chef der Stadtreinigung, Rüdiger Siechau, spricht im Abendblatt über die Recylingsoffensive in der Stadt und neue Elektro-Müllwagen.
Nach den Weihnachtsfeiertagen sind die Mülltonnen in Hamburg traditionell etwas voller. Viele Geschenke-Verpackungen und die Reste der Familienfeiern sorgen dafür, dass dann rund zehn bis zwölf Prozent mehr Müll anfällt als an normalen Abholtagen. Auch in der Silvesternacht stand für die Stadtreinigung ein Großeinsatz an: Etwa 15 Tonnen an Böllermüll, Glasscherben, Flaschen und Kartons haben rund 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im vergangenen Jahr zusammengefegt.
Grundsätzlich sei der Trend jedoch genau umgekehrt, sagte Rüdiger Siechau, Geschäftsführer der Stadtreinigung, im Gespräch mit dem Abendblatt: Die Hamburgerinnen und Hamburger produzieren immer weniger klassischen Hausmüll, sammeln dafür aber mehr Wertstoffe. Seit 2010 ist die Menge, die die Stadtreinigung aus den grauen Hausmülltonnen einsammelt, um rund 100.000 Tonnen zurückgegangen: von 510.000 auf nur noch gut 415.000 Tonnen im Jahr 2022 – und das bei steigender Bevölkerungszahl.
Stadtreinigung: Hamburger produzieren ein Viertel weniger Hausmüll als noch 2010
Konkret bedeutet das: Während vor gut einem Jahrzehnt noch durchschnittlich mehr als 290 Kilogramm Müll pro Kopf anfielen, produzierten die rund 1,9 Millionen Einwohnerinnnen und Einwohner der Stadt vergangenes Jahr nur noch etwa 218 Kilogramm pro Kopf – ein Rückgang um mehr als 70 Kilo oder fast 25 Prozent.
Bundesweit steht Hamburg damit aber immer noch schlecht da: Laut dem Statistischen Bundesamt lag das durchschnittliche Hausmüll-Aufkommen pro Kopf im vergangenen Jahr bei 151 Kilogramm – wobei dieser Wert in den Stadtstaaten generell höher ist als in ländlichen Gebieten. Doch im Trend liegt die Hansestadt: Auch bundesweit ging das Müllaufkommen trotz wachsender Bevölkerung stark zurück.
Stadtreinigung sieht Trend zu mehr Recycling als großen Erfolg
Für die Stadtreinigung sei der Rückgang „ein großer Erfolg“, sagt Siechau. „Als öffentliches Unternehmen sind wir dem Gemeinwohl verpflichtet, und daher steht Müllvermeidung ganz oben auf unserer Agenda. Mit unserer Recyclingoffensive haben wir Hunderttausende Wertstofftonnen zu den Haushalten gebracht – das wirkt. Die Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass man mit Abfallvermeidung und Mülltrennung Gebühren sparen und darüber hinaus noch Umwelt und Klima schützen kann.“
Siechau spielt damit darauf an, dass die blaue Altpapiertonne gebührenfrei ist und die 80-Liter-Biotonne schon für 1,93 Euro im Monat 14-tägig geleert wird. Wer im Gegenzug eine um 20 oder 40 Liter kleinere Hausmülltonne nimmt, spart daher sogar etwas.
Diese Angebote, viele Kampagnen zur Mülltrennung und das zunehmende Umweltbewusstsein haben mit dazu beigetragen, dass das Aufkommen an Wertstoffen etwa in gleichem Maße zugenommen hat wie der Hausmüll weniger wurde: Wurden 2010 erst gut 100.000 Tonnen über die grüne, gelbe und blaue Tonne eingesammelt, waren es 2021 schon rund 180.000 Tonnen, bevor es 2022 zu einem vermutlich krisenbedingten Rückgang kam.
Stadtreinigung: Altpapier ist ein guter Indikator für die wirtschaftliche Lage im Land
„Die Altpapier-Sammlung ist ein guter Indikator für die wirtschaftliche Lage“, sagt Siechau. „Wenn die Wirtschaft brummt, entsorgen die Bürgerinnen und Bürger viel Papier und Pappe – und umgekehrt. Und 2022 war halt ein Krisenjahr, viele Menschen haben weniger konsumiert, daher ging das Altpapieraufkommen deutlich zurück.“ Von knapp 60.000 Tonnen fiel die Menge auf nur noch noch gut 54.000 Tonnen.
Das ist aber immer noch etwas mehr als 2010, als 51.000 Tonnen Altpapier gesammelt wurden. Ein Problem sei dabei, dass immer mehr Pappe und weniger Papier entsorgt werde, so Siechau: „Das ist für uns unerfreulich, weil sich Zeitungspapier hochwertig verwerten lässt, Kartons und Pappe dagegen weniger.“
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Stark angestiegen ist auch die Menge, die über die gelben Wertstofftonnen eingesammelt wird: von knapp 28.000 Tonnen in 2010 auf gut 43.000 in 2021, bevor sie im vergangenen Jahr leicht auf 42.000 Tonnen zurückging. Ein Grund für den Anstieg dürfte sein, dass seit einigen Jahren neben den Klassikern wie Joghurtbechern auch alles andere entsorgt werden darf, was mindestens zur Hälfte aus Kunststoff oder Metall besteht – da landen auch regelmäßig ganze Bobbycars in der Tonne.
Bioabfall-Menge fast verdreifacht – aber mehr Küchenabfälle wären schön
Der am stärksten zunehmende Wertstoff ist aber der Bioabfall. Sein Aufkommen hat sich in Hamburg seit 2010 von rund 28.000 auf knapp 80.000 Tonnen in 2021 fast verdreifacht – bevor es auch in 2022 leicht einbrach. „Wir hätten gern noch mehr Küchenabfälle, weil die im Vergleich zu Laub oder Grünschnitt sehr energiereich sind“, sagt Siechau. „Das hilft uns, weil wir vor der Kompostierung der Grünabfälle daraus Biogas gewinnen und dann als Bio-Methan ins öffentliche Gasnetz einspeisen. So können wir rechnerisch rund 20.000 Haushalte versorgen.“
Beim Thema Energieerzeugung will die Stadtreinigung 2024 einen großen Sprung nach vorne machen – mit der Inbetriebnahme der dampfbetriebenen „Absorptionswärmepumpen“ an der Müllverbrennungsanlage Borsigstraße (MVB): „Wir entziehen dem Abgasstrom der Müllverbrennung zusätzliche Wärme und können damit künftig rund 35.000 Hamburger Haushalte mehr mit klimaneutraler und auch versorgungssicherer Wärme versorgen – das entspricht der vierfachen Leistung der zur Zeit größten Windturbine der Welt“, sagt Siechau und betont stolz: „Und das ohne zusätzlichen Einsatz von Abfall als Brennstoff.“
Stadtreinigung investiert eine halbe Milliarde in fossilfreie Fahrzeuge
Große Fortschritte sind für 2024 auch bei der umweltfreundlichen Modernisierung der Fahrzeugflotte geplant. „Wir haben als Unternehmen das Ziel, bis 2035 klimaneutral zu wirtschaften. Dafür stellen wir unter anderem unseren gesamten Fuhrpark Schritt für Schritt auf fossilfreie Antriebe um“, sagt Siechau. „Allein dafür investieren wir rund eine halbe Milliarde Euro.“ Wobei rund die Hälfte dieser Ausgaben Mehrkosten für die teureren E-Fahrzeuge sind.
Ein Elektro-Müllauto ist bereits im Einsatz und wird unter Realbedingungen getestet – zur Zufriedenheit des Geschäftsführers: „Es schafft die 80 Kilometer täglich locker mit einer Batterieladung.“ Und trotz der großen Batterie kann das Fahrzeug wie seine Diesel-Kollegen elf Tonnen Müll aufnehmen.
Stadtreinigung: In Zukunft sollen nur noch E-Müllautos durch Hamburg rollen
Von den knapp 1100 Fahrzeugen der Stadtreinigung haben zwar bereits mehr als 200 einen Strom-, Wasserstoff- oder Hybridantrieb, doch dabei handelt es sich vor allem um Pkw und andere kleinere Fahrzeuge. Bei den rund 400 großen Müllautos und anderen Lkw besteht noch Nachholbedarf. 2024 sollen daher 30 E-Müllautos dazu kommen und ab 2025 dann nur noch diese Modelle angeschafft werden. Das charakteristische Röhren des Motors beim Anfahren, von dem viele Hamburger regelmäßig geweckt werden, fällt dann weg. Aber das ebenso vertraute Scheppern aus der drehenden Trommel bleibt.