Hamburg. Start-up Sea Me entwickelt dafür zusammen mit der TU Harburg Plastikflasche. Partner in der Beautybranche wie im Handel stehen bereit.
Egal ob Duschgel, Handcreme oder Bodylotion: Ist die Packung leer, kommt sie in den allermeisten Fällen in den Müll. Wenn sich die Idee des Hamburger Start-ups Sea Me durchsetzt, wird das bald nicht mehr so sein. Das Unternehmen arbeitet unter dem Titel „Zerooo“ an einem Mehrwegsystem für Kosmetik und Drogerieartikel in Plastikflaschen.
Nun wurde ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg in den Handel geschafft. Nach 2,5-jähriger Entwicklungszeit in Kooperation mit der Technischen Universität Hamburg in Harburg und zehn Markenpartnern habe man das passende Behältnis dafür gefunden. „Dabei handelt es sich um die erste Monomaterial-Mehrweg-Pfandflasche aus Kunststoff für diese Waren“, sagte André Lang-Herfurth, Mitgründer des Zerooo-Systems und Marketing- und Vertriebsdirektor der Sea Me GmbH.
Drogerie: Hamburger wollen bald Mehrwegsystem für Kosmetik starten
Die Marke Sea Me ist schon seit Ende 2020 mit den eigenen Produkten in Geschäften vertreten. In Corona-Zeiten waren Desinfektionsgel und Seife gefragt, später kamen Spülmittel, Hand- und Bodylotion, Aftersun- und Reinigungsgel sowie Entspannungsbad hinzu. Diese Flüssigkeiten werden in Glasflaschen verkauft.
Die Preisrange dafür liegt im oberen Segment. Im Onlineshop werden zwischen 5,99 Euro für das Spülmittel und 14,49 Euro für den Badezusatz verlangt. Zusätzlich werden 50 Cent Pfand erhoben. Mittlerweile stehen sie bei 900 Händlern in Deutschland und Österreich in den Regalen, darunter sind alle Filialen der Drogerieketten Müller und Budni, aber auch Edeka- und Rewe-Märkte. Die mitmachenden Händler nehmen die leeren Behälter wieder zurück, entweder an der Kasse oder an Leergutautomaten.
Die Mehrweg-Plastikflasche soll 300 Milliliter fassen
Im Badezimmer möchten viele Menschen allerdings keine Glasflaschen haben. Denn fallen sie runter, können sie kaputt gehen und in zig Scherben zerspringen. Wenn man dann barfuß unterwegs ist, steigt das Verletzungsrisiko rasant an.
Es ist neben den stark gestiegenen Preisen für die Glasherstellung einer der Gründe, warum sich Sea Me an die Entwicklung einer Plastikflasche gemacht hat. Heraus gekommen ist eine 300 Milliliter fassende Flasche aus PET, also Polyethylenterephthalat. Diese soll mindestens zehnmal wiederbefüllt werden, bevor sie sortenrein recycelt wird. So kann viel Müll vermieden werden.
Hamburger Start-up Sea Me erhielt das Extrasiegel „Mehrweg“ für die Umwelt
Die bisher verwendeten Glasflaschen sollen sogar bis zu 30-mal wiederbefüllt werden. Als Sea-Me-Gründer Lars Buck sein Konzept entwarf, sah er sich von der Deutschen Umwelthilfe und dem Arbeitskreis Mehrweg dem Verdacht ausgesetzt, nur Greenwashing betreiben zu wollen. Mittlerweile arbeitet man mit beiden Organisationen zusammen und hat als erstes Non-Food-Produkt das Extrasiegel „Mehrweg“ für die Umwelt erhalten.
Die Plastikmehrwegflasche soll in drei transparenten Versionen angeboten werden. Die erste ist klar-durchsichtig, die zweite mattiert, und die dritte hat einen bräunlichen Schimmer. Die Flasche soll für viele Produktkategorien geeignet sein: Shampoos, Seifen, Lotionen, Gele und Öle könne sie beinhalten. Das Gewinde ist normiert, sodass es mit verschiedenen, standardisierten Verschlusslösungen kompatibel sei – so können sich die Marken durch verschiedene Farben voneinander absetzen.
Laut Sea Me werden Einwegverpackungen in Zukunft deutlich teurer
Die Verschlüsse aus Polypropylen (PP) können nach einmaliger Nutzung an der Reinigungsstraße abgeschraubt und zu 100 Prozent, ohne Sortieraufwand recycelt werden. Ihren eigenen Stil sollen die Marken zudem durch die Farbe des Füllguts und der Gestaltung der Etiketten umsetzen können.
- Kosmetik aus dem Glas: Hamburger Start-up Sea me revolutioniert den Markt
- Supermarkt Hamburg: Edeka schließt seinen einzigen Bio-Markt in Hamburg
- Budni Hamburg: Drogeriekette erweitert Service mit neuen Paketboxen
Das Unternehmen erwartet, dass die Preise von Einwegverpackungen in den nächsten Jahren durch zukünftige Gesetze und den Klimawandel hervorgerufene größere Instabilität von Lieferketten weiter steigen werden. Die Industrie habe sich zudem in den vergangenen fünf Jahren mehr Gedanken über Umweltschutz gemacht. Man stößt also auf eine größere Bereitschaft, sich des Themas anzunehmen. „Gleichzeitig wird die Skalierung von Zerooo die Mehrweggebinde in wenigen Jahren günstiger machen als Einweglösungen“, sagte Lang-Herfurth und spricht „von einer Revolution im Verpackungsmarkt für Kosmetik“.
Barbor, Bode Chemie, Weleda, Edeka und Budni gehören zu den Partnern
Die ersten Partner hat das Unternehmen bereits gewonnen. Die Luxushautpflegemarke Barbor gehört ebenso zu sechs Markenpartnern wie das bekannte Naturkosmetiklabel Weleda und der Hamburger Sterilium-Hersteller Bode Chemie. Auf der Handelsseite arbeite man mit Edeka, Rewe, Budni und Müller zusammen. Die Drogeriekette mit Sitz in Ulm verkauft ihre Eigenmarke Aveo bereits in den Glasflaschen, die Sea Me für die eigenen Seifen und Co. verwendet.
„Wir reden jetzt mit den Marken und den Handelspartnern, die mitentwickelt haben, wer und wann damit in den Handel kommt“, sagte Lang-Herfurth: „Im zweiten Quartal 2024 sollen sie feststehen und das Mehrwegsystem für Kosmetik und Drogerieartikel auf das nächste Level heben.“ Nämlich von der Glas- auf die Plastikvariante.
Auch die eigene Produktrange von Sea Me dürfte bald in den Mehrwegplastikflaschen angeboten werden. So könnten die Preise sinken, weil die Plastikvariante in der Herstellung günstiger als die Glasvariante ist. Von der Glasversion sind rund drei Jahre nach dem Start etwa 300.000 Flaschen im Umlauf, der Großteil davon stammt von Sea-Me-Produkten.
Drogerie: Bundesweit 20.000 Rücknahmestellen sind das Ziel
Zwar habe man als Folge des Krieges in der Ukraine und der gestiegenen Inflation eine gewisse Kaufzurückhaltung gemerkt, weil die Menschen weniger Geld zur Verfügung hätten, sagte Lang-Herfurth. Der Absatz der Massenprodukte wie Seife, Hand- und Bodylotion liefe aber super. Profitabel sei das Unternehmen allerdings noch nicht.
Damit die leeren Plastikflaschen künftig auch den Weg zurückfinden, müssen künftig möglichst viele Geschäfte mitmachen und sie annehmen. Ziel des Unternehmens ist es, Ende nächsten Jahres 20.000 Rücknahmestellen in Deutschland zu haben.