Hamburg. Philipp Schröder will mit 1Komma5° rund 1,5 Millionen Häuser in Deutschland klimafreundlich machen. Er hat bei Elon Musk gelernt.

In der Schule und an der Uni war er ein Außenseiter – und gerade deswegen wurde Philipp Schröder Deutschland-Chef von Tesla und lernte von Elon Musk, was man als Unternehmenschef machen sollte und was lieber nicht. Jetzt hat der Hamburger mit 1Komma5° ein Unternehmen aufgebaut, das innerhalb von zweieinhalb Jahren von null auf einen Umsatz von 500 Millionen Euro gewachsen ist und das bis 2030 rund 1,5 Millionen Kunden mit erneuerbaren Energien versorgen will. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der Gründer über Dämmung und Wärmepumpen, die Macht der Öl- und Gaslobby und seine ungewöhnliche Karriere. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider

Das sagt Philipp Schröder (40) über …

… das erstaunliche Wachstum seiner Firma, die erst 2021 gegründet wurde: „Aktuell haben wir 1800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 68 Standorten in sechs Ländern, wobei Deutschland nach wie vor unser Kernmarkt ist, mit 50 Prozent unserer Geschäftsaktivität. Dazu kommen Spanien, Finnland, Schweden, Dänemark und Australien. Wir waren von Anfang an profitabel, haben 2022 ein Umsatzwachstum von 1000 Prozent erreicht und rechnen für 2023 mit Erlösen von fast 500 Millionen Euro. Wir sind ziemlich zügig unterwegs.“

… seine Eltern, die sich neu erfunden haben: „Mein Vater war Investmentbanker, hat dann aber eines Tages entschieden, aus diesem Geschäft auszusteigen und Demeter-Landwirt zu werden. Wir sind deshalb mit der Familie aus Hamburg erst ins Alte Land und dann ins Wendland gegangen, wo meine Mutter als Landärztin gearbeitet hat. Als Kinder wussten meine Geschwister und ich nicht, wie toll das ist, erst heute weiß ich, wie gut es uns damals gegangen ist. Weil meine Mutter auch mal als Lehrerin gearbeitet hat und mein Vater auch Imker wurde, haben mir meine Eltern mehrmals vorgelebt, dass man sich auch mal gepflegt neu erfinden und umdenken kann. In einer gewissen Weise lebe ich mit meinem Unternehmen das nach, was meine Eltern vorgelebt haben.“

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… ein Leben als Außenseiter: „Ich bin in jeglicher Hinsicht ein Außenseiter. In der Schule war ich das Biobauern-Kind vom Aussteiger-Hof, da habe ich schon das Gefühl gehabt, dass ich anders bin. Nach der Schule war ich in Israel, anstatt in Deutschland zur Bundeswehr zu gehen oder Zivildienst zu machen, das war auch etwas Besonderes. Und im anschließenden Studium bin ich auch nie vollständig angekommen. Ich habe dort nicht meinen Weg gefunden, weder in die Gruppen und deren Dynamik hinein noch in eine typische akademische Erfolgsgeschichte, und ich habe oft anders gedacht als andere. Ich bin allein schon deshalb ein Außenseiter, weil ich mein Studium nicht abgeschlossen und danach keine typische Karriere gemacht habe. Ich habe immer selbst neue Unternehmen gestartet, weiß gar nicht, wie es ist, als Angestellter etwa in einem Konzern zu arbeiten.“

… die große Macht der Öl- und Gas-Lobby, die die Energiewende in Deutschland gebremst hat: „Deutschland ist definitiv stärker als viele andere Länder von den großen Ölfirmen beeinflusst worden. Man darf nicht unterschätzen, wie gut die Öl- und Gas-Lobby gearbeitet hat, wie sehr sie ihre Interessen politisch durchsetzen konnte. Eine Volkswirtschaft wie Deutschland hat eine größere Bedeutung für Öl- und Gas-Konzerne, und deshalb haben die viel dafür getan, dass wir Teil des Geschäftsmodells geblieben sind. Nach wie vor gehen jedes Jahr Milliarden Euro für fossile Energien aus Deutschland an Staaten, die strukturell gegen uns und die Demokratie arbeiten. Davon müssen wir uns dringend befreien, und dabei hilft jedes Gebäude, dass man klimaneutral umbaut.“

… Dämmung von Häusern, die in Deutschland überschätzt wird: „Wir glauben, dass die Elektrifizierung schneller erfolgen muss als die Dämmung. Ein ungedämmtes Haus, das ich mit Solar- oder Windstrom heize, ist mir aus CO₂-Sicht deutlich lieber als ein Haus, das gedämmt ist, aber mit fossilen Energien versorgt wird. In Deutschland wird aus meiner Sicht viel zu viel über Dämmung gesprochen, dabei ist die bei der Energiewende überhaupt nicht entscheidend. Die Dämmvorschriften in Deutschland kommen daher, dass die Politik falsche Annahmen getroffen hat, wie viel CO₂-Gehalt der Strom hat und wie viel eine Kilowattstunde kostet. Die Politik befürchtet offenbar, dass die Heizkosten zu hoch werden, wenn man etwa von einer Gasheizung auf eine Wärmepumpe umstellt, und fordert deshalb Dämmmaßnahmen ein. Tatsächlich ist eine Wärmepumpe aber viel effektiver als eine Gasheizung, etwa um den Faktor drei oder vier. Eine Beispielrechnung: Wer pro Jahr 21.000 kWh Gas zu einem Preis von elf Cent/kWh verbraucht, zahlt dafür 2310 Euro. Bei der Wärmepumpe werden für die gleiche Heizleistung 7000 kWh Strom gebraucht. Selbst wenn dieser Strom 35 Cent/kWh kostet – und das kostet Strom mit unseren Technologien bei Weitem nicht –, ist der Preis mit 2450 Euro nahezu gleich. Das heißt, der Grund für die von der Politik empfohlene Dämmung entfällt.“

… das „Endspiel“, von dem er im Zusammenhang mit der Energiewende gern spricht: „Wir müssen die Energiewende jetzt endlich hinbekommen, das meine ich, wenn ich von einem Endspiel spreche. Deshalb müssen wir Produkte entwickeln, die selbst ein Klimawandel-Leugner nehmen würde, weil sie besser und im Idealfall günstiger sind. Wenn wir das hinbekommen, gibt es die Chance, dass wir die Energiewende schaffen. Die Zeit dafür ist endgültig da, wir müssen nur aufpassen, dass wir nicht in irgendwelche Verbots- oder Anordnungslogiken gelangen.“

… fehlende Handwerker, die die Energiewende bremsen: „Eine Erkenntnis beim Aufbau von 1Komma5° war, dass das Nadelöhr immer die Handwerker sind. Deshalb haben wir uns bei der Gründung der Firma entschieden, alles aus einer Hand anzubieten und eigene Handwerker zu beschäftigen. Allein in Hamburg werden das Anfang 2024 rund 200 Menschen sein. Wir haben in den vergangenen Jahren verschiedene Handwerksbetriebe aus den Regionen aufgekauft, in denen wir aktiv sind, und werden das auch weiter tun. Die Eigentümer werden wiederum beteiligt an unserer Firmengruppe, weswegen sie ein großes Interesse am Erfolg haben. Das funktioniert wirklich gut. Zudem stellen wir selbst immer mehr Handwerker ein.“

… Fördertöpfe der Bundesregierung für die Energiewende: „Wir sind froh, dass die Fördertöpfe der Bundesregierung erst einmal leer sind. Die ständigen Ankündigungen, was Förderungen für dies oder jenes betrifft, haben uns mehr geschadet als genutzt. Und: Die Produkte, die wir anbieten, sind gut genug und brauchen diese Förderung nicht. Die Preise für Solaranlagen und Wärmespeicher sind deutlich zurückgegangen, und es gibt inzwischen eine Überproduktion. Vom ersten Kontakt bis zur Inbetriebnahme unserer Energiesysteme vergehen nur zwischen acht und maximal 16 Wochen. Wir garantieren unseren Kunden, wenn sie eine Photovoltaik-Anlage haben, einen Strompreis von fünf Cent/kWh und, wenn sie mit unserer Hilfe Strom dynamisch an den Börsen einkaufen, einen Preis von 15 Cent/kWh.“

… die nächsten Ziele: „Wir wollen möglichst schnell mit 1Komma5° an die Börse gehen und bis 2030 rund 1,5 Millionen Gebäude dekarbonisieren. Wenn wir die Leistung dann auf unserer Energieplattform zusammenschalten, die wir Heartbeat nennen, wird sie der Kapazität von 22 Atomkraftwerken entsprechen. Das heißt, am Ende werden wir auch ein wichtiger Energieversorger in Deutschland sein.“

… persönliche Pläne: „Ich habe schon mehrere Unternehmen gegründet und sie dann wieder verlassen. Das ist jetzt anders, weil wir nicht eine Firma, sondern ein komplettes Öko-System aufbauen. Deshalb glaube ich, dass 1Komma5° für mich ein Lebenswerk sein wird.“

Entscheider treffen Haider

… die Zeit als Deutschland-Chef von Tesla: „Ich bin 2013 auch Deutschland-Chef von Tesla geworden, weil die damals Leute gesucht haben, die nicht aus der Automobilbranche kommen, die Außenseiter sind und keine Angst vor großen Herausforderungen haben. Tesla hat immer nach den getriebenen Nicht-Etablierten gesucht, das hatte System.“

… die Frage, wie Elon Musk tatsächlich ist: „Ich habe von ihm sehr viel über klare Pläne und die Kompromisslosigkeit von Zielen gelernt. Soll heißen: Es bringt nichts, ein Unternehmen auf Ziele auszurichten, die zu kurz gesprungen sind. Aber ich habe bei Tesla auch gelernt, dass ich lieber ein Umfeld um mich herum haben möchte, das verbindlicher und menschlicher ist. Elon Musk ist einfach nicht von dieser Welt, und so ist es mir nie gelungen, zu ihm eine emotionale Bindung aufzubauen.“