Hamburg. Eine Hamburger Firma macht aus Malern oder Lehrern in drei Monaten IT-Spezialisten – und hat damit großen Erfolg.

In der Reihe „Entscheider treffen Haider“ ist die demografische Entwicklung, der Mangel an Fach- und überhaupt an Arbeitskräften immer öfter ein großes Thema. Der heutige Gast Dalia Das glaubt, dagegen ein Mittel gefunden zu haben. Die Unternehmerin lässt in ihrer Firma „Neue Fische – School and Pool for Digital Talents“ Quereinsteiger innerhalb weniger Monate zu IT-Experten ausbilden. Wie das geht, wie sie auf die Idee gekommen und ob das auch ein Modell für andere Branchen sein kann, sagt sie im Gespräch mit Abendblatt-Chef Lars Haider, das unter www.abendblatt.de/entscheider auch zu hören ist.

Das sagt Dalia Das über …

… den Namen ihres Unternehmens: „Der ist ganz bewusst gewählt. Ich wollte neue Fische für den leer gefischten Personalteich suchen, und ich fand, das passte auch zu einem Unternehmen, das seinen Sitz in Hamburg hat. Und ,School and Pool for Digital Talents‘ ist genau das, was wir sind.“

… die Idee, Menschen in kürzester Zeit zu IT-Kräften auszubilden: „Die Idee zu meinem Unternehmen kam mir vor knapp sieben Jahren in den USA, die, was Lösungen gegen den Fachkräftemangel angeht, etwas weiter sind als wir in Europa. Ich habe mich dort von den sogenannten Coding Bootcamps inspirieren lassen, die Leute suchen, die Lust haben, in einen IT-Beruf zu wechseln. Das hat mich fasziniert, und ich sah, dass wir in Deutschland allein angesichts der demografischen Entwicklung in diesem Bereich ein großes Thema bekommen würden. IT-Kräfte waren schon immer knapp und begehrt. Ich habe damals festgestellt, dass sich niemand hier so richtig um Quereinsteiger kümmert, und mir dann gedacht: Dann muss ich das wohl machen.“

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… die Auswahl der richtigen Leute und was danach kommt: „Wir suchen nach Menschen, die wirklich Lust auf IT und Technologie haben, das ist entscheidend. Für den Auswahlprozess, der mit einem Gespräch beginnt, nehmen wir uns Zeit. Wir schauen, ob der Kandidat vielleicht ein heimlicher Gamer ist, ob er in seiner Jugend Spaß gehabt hatte, etwas mit Computern zu machen, was einfach nur verschüttgegangen ist. Und wir stellen am Ende des Gesprächs eine kleine Hausaufgabe zu einem Thema. Das kann eine einfache Programmieraufgabe sein, die man dann mit Anleitung lösen soll. Wenn wir sehen, dass alles passt, kann man sich in drei oder sechs Monaten in einem unserer neun Kurse für einen Job im IT-Bereich ausbilden lassen. Im Anschluss daran, vernetzen wir die Menschen dann mit spannenden Unternehmen. 2022 sind etwa 90 Prozent unserer Absolventen in einen neuen Job gestartet. Die Nachfrage ist – wie unser Netzwerk mit Unternehmen, die Leute suchen – groß.“

… die Frage, woher Menschen für einen IT-Beruf kommen können: „Die Menschen, die zu uns kommen, sind Quereinsteiger aus unterschiedlichsten Branchen. Das sind Lehrer genauso wie Maler und Projektmanager oder Absolventen von spannenden, aber nicht direkt in den Beruf führenden Studiengängen. Es gibt auch den promovierten Mathematiker, der raus aus der Uni und rein in die Industrie will. Was mich besonders freut, ist, dass inzwischen 35 Prozent unsere Absolventen Frauen sind, das sind doppelt so viele, wie bisher in IT-Berufen arbeiten. Dabei hilft, dass unser Ausbildungsmodell kurz und knackig strukturiert ist, so etwas mögen Frauen.“

… Kritik an der Kürze der Ausbildung: „Am Anfang haben viele zu mir gesagt: Du spinnst, wie willst du sinnvoll Menschen in drei oder sechs Monaten zu ITlern ausbilden, das kann nicht funktionieren. Inzwischen haben wir gezeigt, dass es geht, und es muss ja auch gehen, weil die Zahl der Arbeitskräfte insgesamt gewaltig sinkt. Wir machen den Universitäten keine Konkurrenz, das wäre auch vermessen angesichts der Kürze unserer Ausbildungsangebote. Aber wir bereiten unsere Leute zielgerichtet vom ersten Tag an auf das vor, was später im Job von ihnen verlangt wird. Wir wissen genau, was die jeweiligen Aufgaben in dem entsprechenden Berufsfeld sein werden, und können sicherstellen, dass Firmen, die Absolventen von uns übernehmen, diese sofort produktiv einsetzen können. Und darauf kommt es an.“

… die Kosten: „Bei uns kostet die Teilnahme an einem Programm zwischen 8500 und 12.000 Euro. Als zertifizierter Bildungsträger akzeptieren wir auch Bildungsgutscheine. Die Preise richten sich auch nach dem Einstiegsgehalt, das man danach mit dem jeweiligen Job erzielen kann. Das kann auch schon mal bei 60.000 Euro im Jahr liegen. Immer mehr Unternehmen sind bereit, ihren Kandidaten eine Ausbildung zu finanzieren. Oder sie lassen bereits angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei uns fit für IT-Themen machen.“

… das schnelle Wachstum ihrer Firma: „Gestartet bin ich 2018 mit einem Coach, heute sind wir knapp 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburg, Köln, München, Frankfurt, Bochum und Berlin. Auch die Zahl der Leute, die wir ausbilden, ist rasant gewachsen, in diesem Jahr sollen es knapp 2000 sein. Zum Vergleich: Im Jahr der Unternehmensgründung waren 60, im zweiten Jahr 150. Und ich glaube, dass das Interesse an unseren Angeboten angesichts der demografischen Entwicklung weiter und stark zunehmen wird. So stark, dass wir sicherlich eines Tages europaweit auf einen Umsatz von 100 Millionen Euro pro Jahr kommen können.“

… den Standort Hamburg als Zentrale: „Ich wollte immer in Hamburg gründen, weil ich mich hier zu Hause fühle, obwohl ich im Ruhrgebiet aufgewachsen bin und in Amsterdam studiert habe. Außerdem: Wenn man ein Land wie Deutschland digitalisieren will, bringt es nichts, die entsprechenden Unternehmen dafür vor allem in Berlin zu gründen oder anzusiedeln.“

Entscheider treffen Haider

… den Standort Bochum: “Bochum ist ein ganz spannendes Pflaster, die Stadt und das Ruhrgebiet sind ein bisschen das heimliche Silicon Valley von Deutschland. Und da die gesamte Region massiv vom Strukturwandel betroffen ist, müssen vielen Menschen neue Perspektiven angeboten werden. Deshalb sind wir mit unseren Programmen dort genau richtig.“

… Schnellkurse für andere Branchen: „Ich glaube fest daran, dass kurze, aber intensive Quereinsteigerprogramme unser Fachkräftemangelthema zumindest ein bisschen lindern können, und zwar über alle Branchen hinweg. Die größte Veränderung müssen wir aber in einem anderen Punkt erzielen. Wenn Unternehmen merken, dass sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem bestimmten Bereich nicht mehr benötigen, sollten sie sich überlegen, wie sie sie für Berufe mit Zukunft umschulen können. Ich finde es gesellschaftlich fragwürdig, wenn man Leute rausgehen lässt, um dann ihre Stellen nachzubesetzen, ohne zu schauen, welches Potenzial man schon hat, auf das man aufbauen kann. Wieso soll etwa ein Buchhalter nicht irgendetwas mit IT machen können – wenn er will?“