Hamburg. Niedrige Zinsen, steigende Preise, schlechtere Vertragsdetails – Bestandskunden zahlen fast immer drauf. Was man dagegen tun kann.

Clever ist, wer untreu ist: Das gilt zumindest bei vielen Verträgen, die Verbraucher abschließen. In einer Gesellschaft, die von ständigem Wandel geprägt ist, neigen viele dazu, sich auf das Vertraute zu verlassen. Doch Hamburger, die sich nicht regelmäßig umsehen und vergleichen, werden bei Banken, Versicherungen und Versorgern benachteiligt. Die Hamburger Verbraucherzentrale rät, Verträge regelmäßig zu überprüfen. So lassen sich mehrere hundert Euro im Jahr sparen.

Kundentreue zahlt sich nicht aus. „Rein gesetzlich sind die Firmen in ihrer Vertragsgestaltung frei“, sagt Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Das nennt man Vertragsfreiheit.“

Versicherung: Bei Bestandskunden steigen die Prämien stärker

Bei den Versicherungen geht es vor allem um die Kfz-Versicherung. Hier ist die Wechselbereitschaft hoch. In der Praxis wechselt laut Umfrage der ADAC Autoversicherung jeder dritte Autofahrer die Kfz-Versicherung regelmäßig. Neukunden werden mit günstigen Tarifen gelockt. Im Gegenzug zahlen die Bestandskunden drauf, obwohl der Beitrag mit höherer Schadenfreiheitsklasse im Laufe der Zeit günstiger werden müsste.

Doch Bestandskunden sind mit steigenden Beiträgen konfrontiert. „Wir gehen davon aus, dass Versicherer die Preise bei Bestandskunden stärker erhöhen als bei Tarifen für Neukunden“, sagt Michael Roloff, Geschäftsführer Kfz-Versicherungen beim Vergleichsportal Check24.

Kfz-Versicherung: Wann der Wechsel jetzt noch möglich ist

Doch diese Erhöhungen sind nicht leicht zu erkennen. Ein Vergleich mit der Vorjahresrechnung genügt nicht. Selbst wenn der Versicherte ein Jahr schadenfrei geblieben ist, können andere Faktoren wie eine Änderung der Typklasse oder der Regionalklasse zu einem höheren Beitrag als im Vorjahr führen. Deshalb müssen Versicherer in der Beitragsrechnung einen Vergleichsbetrag aufführen. Fällt der niedriger aus als der Beitrag für das neue Jahr, besteht ein außerordentliches Kündigungsrecht. Diese Information wird in der Jahresrechnung meist etwas versteckt.

„Die Verbraucher haben dann einen Monat Zeit, sich einen neuen Anbieter zu suchen und den alten Vertrag zu kündigen“, sagt Sandra Klug, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox helfen dabei. „Vor allem diejenigen, die mehrere Jahre nicht oder noch nie ihren Versicherungstarif gewechselt haben, sparen durch einen Versicherungswechsel Hunderte Euro“, sagt Roloff.

Bei Sachversicherungen bis zu 90 Prozent sparen

Wem das zu viel Aufwand ist, sollte seinen Versicherer anrufen, am besten mit ein paar günstigeren Vergleichsangeboten in der Hinterhand. Wenn die Versicherung den Kunden nicht verlieren will, findet sie ganz schnell einen günstigeren Tarif. Diese Strategie funktioniert meist. „Die Benachteiligung der Bestandskunden funktioniert nur so gut, weil sich viele um ihre Versicherungsverträge jahrelang nicht kümmern“, sagt Klug. „Wir raten, sie regelmäßig zu überprüfen. Dabei geht es nicht nur um den Preis, sondern auch um Leistungen und die Deckungssumme, die sich im Laufe der Zeit verbessert haben können.“

Nach Einschätzung von Check24 betrifft das auch die private Haftpflichtversicherung, die Hausratversicherung, die Wohngebäudeversicherung und die Rechtsschutzversicherung. Bis zu 90 Prozent des Versicherungsbeitrages lassen sich so sparen, so Check24.

Versicherungen: Alte Verträge haben niedrige Deckungssummen

„Besonders ältere Haftpflichtversicherungen haben häufig eine zu geringe Deckungssumme und keine Forderungsausfalldeckung berücksichtigt. Neue Tarife bieten hingegen umfassenderen Schutz, mehr Zusatzleistungen und sind meist günstiger als ältere Verträge“, sagt eine Sprecherin von Check24. Bei der Wohngebäudeversicherung sei ein Wechsel aktuell besonders sinnvoll, da die Beiträge im kommenden Jahr um 7,5 Prozent steigen. Ein Vergleich der einzelnen Anbieter ist deswegen empfehlenswert.

Bei der Rechtsschutzversicherung müssen Verbraucher beachten, dass ein Großteil der Rechtsschutztarife eine Wartezeit von drei Monaten vorsehen, bevor der Versicherungsschutz greift. Bei einem Versicherungswechsel mit nahtlosem Übergang entfällt die Wartezeit, sofern das Risiko, wie zum Beispiel Verkehrsrechtsschutz, bei der Vorversicherung abgesichert war. Auch hier empfiehlt sich, die Preise der einzelnen Anbieter zu vergleichen. Kunden können so nach Angaben von Check24 bis zu 316 Euro im Jahr sparen.

Banken: Hohe Tagesgeldzinsen nur für Neukunden

Nirgendwo lässt sich die Benachteiligung der Bestandskunden aktuell deutlicher erkennen als bei den Banken. Es gibt immer wieder Werbeaktionen für Neukunden, bei denen ihnen besondere Vorteile, Prämien oder Nachlässe bei den Gebühren versprochen werden. Doch das herrscht auch in anderen Branchen vor. „Am offensichtlichsten ist die Benachteiligung bei den Tagesgeldkonten“, sagt Klug.

Hier bekommen Neukunden Zinsen von bis zu vier Prozent, während Bestandskunden mit deutlich niedrigeren Konditionen abgespeist werden. Beispiel Comdirect Bank: Die Neukunden erhalten vier Prozent, die treuen Altkunden nur 0,75 Prozent. Auch bei der Norisbank ist der Unterschied hoch: 3,85 Prozent für Neukunden, 1,25 Prozent für Bestandskunden. Meist werden die höheren Zinsen nur für einen bestimmten Zeitraum zugesichert, danach sinken sie auf das Niveau der Bestandskunden.

Versorger: Neukunden werden mit hohen Boni gelockt

Ein Beispiel dafür ist auch die ING, die Neukunden mit 3,50 Prozent belohnt. Der Zinssatz wird für sechs Monate gewährt, danach sinkt er auf 1,25 Prozent. Das ist auch das Zinsniveau, mit dem die Bestandskunden abgespeist werden.

Günstige Strom- oder Gastarife und dazu noch eine dreistellige Prämie für Neukunden: Das ist die Masche der Versorger, um neue Kunden zu gewinnen. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit wird es dann im nächsten Jahr teurer. Denn im zweiten Jahr fällt der Bonus weg, der im ersten Jahr den Tarif subventioniert. Meist sind das beim Strom 200 Euro. Wenn dann noch Arbeits- und Grundpreis für Strom oder Gas steigen, kann die Rechnung schnell höher ausfallen.

Strom und Gas: Nur jährlicher Wechsel bringt Ersparnis

Bei Strom und Gas hilft nur ein jährlicher Anbieterwechsel, wenn man immer von den günstigsten Tarifen profitieren will. Wem das zu viel Aufwand ist, der kann dafür einen Wechselservice wie Wechselpilot oder Switchup in Anspruch nehmen. Allerdings kassieren diese Dienstleister 20 bis 30 Prozent der Ersparnis, die der Kunde durch den Wechsel realisieren konnte.

„Am meisten ärgern sich die Kunden bei Telekommunikationsdienstleistungen über die Unterschiede zwischen Neu- und Bestandskunden, da haben wir zumindest die meisten Beschwerden“, sagt Julia Rehberg, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg.

Telefonanbieter: Schnellerer Tarif-Wechsel ist jetzt möglich

Besonders bei Mobilfunkverträgen werden Kunden mit stets steigendem Datenvolumen bei gleichzeitig niedrigen Preisen gelockt. Wer lange an seinem Vertrag festhält, zahlt drauf. Beispiel: Fünf Gigabyte im D-Netz kosten einen Bestandskunden beim Anbieter 1&1 rund 25 Euro im Monat. Ohne das Netz zu wechseln, kosten günstige Tarife mit diesem Leistungsvolumen aktuell nur noch knapp zehn Euro. Einsparung: 60 Prozent.

„Zumindest haben Kunden es jetzt leichter, schneller aus ihren alten Verträgen herauszukommen“, sagt Rehberg. „Es gibt bereits seit Dezember 2021 eine monatliche Kündigungsmöglichkeit bei automatisch verlängerten Verträgen.“ Außerdem muss der Anbieter einmal im Jahr den Kunden über den optimalen Tarif informieren. Als Vergleichsbasis dient der aktuelle Tarif. Häufig passen Anbieter die Konditionen an, ohne ihre Kunden zu informieren. Somit bleiben viele Verbraucher oft in teuren Tarifen, obwohl sie beim gleichen Anbieter einen günstigeren erhalten könnten. „Aber der Verbraucher muss eben selbst aktiv werden, wenn er etwas verändern möchte“, sagt Rehberg.

Telekom belohnt Kundentreue: „Loyalität muss sich auszahlen“

Die Telekom hat jetzt einen ersten Schritt gemacht, ihre Bestandskunden stärker in den Blick zu nehmen. „Loyalität muss sich auszahlen, das haben wir aus zahlreichen Kundengesprächen mitgenommen“, sagt Torsten Brodt, verantwortlich für Mobilfunk und Konvergenz bei der Telekom Deutschland.

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Wer einen Festnetz- und Internetanschluss bei der Telekom hat, kann bereits seit April 2023 besonders günstig in das Mobilfunknetz der Telekom starten. Je nach Vertragsdauer gibt es zwischen 100 bis 500 Euro, die auf einen neuen MagentaMobil Vertrag mit 24-monatiger Laufzeit angerechnet werden können. Wer sich allerdings bereits in der Vergangenheit mit seinem Mobilfunkvertrag an die Telekom gebunden hat, geht auch bei dieser Aktion leer aus. Nach wie vor gilt für Verbraucher: Untreue zahlt sich aus. Also häufiger mal den Anbieter wechseln. Die Unternehmen wollen es so.