Hamburg. 6500 Menschen demonstrieren in Hamburg für mehr Geld im öffentlichen Dienst. Kundenzentrum Eimsbüttel öffnet wegen Warnstreiks nicht.
Natürlich hätten sie gern direkt vor dem Rathaus demonstriert. Doch weil dort schon der Weihnachtsmarkt aufgebaut wird, musste die Abschlusskundgebung zum Warnstreik im öffentlichen Dienst auf der Ecke Mönckebergstraße/Bergstraße stattfinden. Trotzdem dürfte bei der Verstärker- und Lautsprecherkapazität, die die Gewerkschaft Ver.di aufgeboten hatte, der Klang der Musik und der Reden auch im Rathaus noch gut hörbar gewesen sein.
Mehr als 6500 Beschäftigte, von denen manche aus Bremen angereist waren, forderten lautstark mehr Geld für das Personal des öffentlichen Dienstes der Länder. Nicht zuletzt geht es dabei um eine „Stadtstaatenzulage“ von 300 Euro. Denn die Mieten in Hamburg lägen um 44 Prozent über dem Bundesdurchschnitt und in Berlin sogar um 58 Prozent darüber, sagte Christine Behle, stellvertretende Ver.di-Bundesvorsitzende, auf der Kundgebung in der Hansestadt.
Zudem werden nach Angaben der Gewerkschaft viele kommunale Aufgaben in den Stadtstaaten von Landesbeschäftigten übernommen – allerdings werden sie dafür vielfach schlechter bezahlt als die Beschäftigten bei Kommunen in den Flächenländern. „Nur zehn Kilometer von hier kann man die gleiche Arbeit für deutlich mehr Kohle und zu besseren Bedingungen machen“, sagte Nick Strauss, der im Geschäftsführenden Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für den Bereich Finanzen verantwortlich ist.
Streik in Hamburg: „Wir haben die Schnauze voll davon, dass man den öffentlichen Dienst ausbluten lässt“
Unter den Teilnehmern der Kundgebung waren Lehrkräfte, Erzieher aus Kitas und Schulen, Angestellte aus Senats- und Bezirksverwaltungen und aus diversen Ämtern, Feuerwehrleute und Angestellte der Polizei. Für die Bürgerinnen und Bürger in Hamburg brachte der Tarifkonflikt am Mittwoch spürbare Einschränkungen mit sich. So teilte die Wissenschaftsbehörde auf Abendblatt-Anfrage mit, dass das Kundenzentrum Eimsbüttel (Grindelberg 62–66) ganztägig geschlossen bleiben muss.
An den anderen Kundenzentren (Hamburg Service vor Ort) gebe es dagegen bisher keine nennenswerten Auswirkungen, hieß es von der Wissenschaftsbehörde am Mittwochmittag. Auch bei den Zulassungsstellen des Landesbetriebs Verkehr (LBV), den Schleusen im Hafen und der Nachmittagsbetreuung an Schulen könnte es zu Einschränkungen kommen, hieß es im Vorfeld des Streiks.
„Wir stehen hier, weil wir die Schnauze voll davon haben, dass man den öffentlichen Dienst ausbluten lässt“, so Behle. Sie wies darauf hin, dass in diesem Sektor schon jetzt 300.000 Stellen unbesetzt sind. „Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Limit unter ständig schlechter werdenden Bedingungen – und es wird noch schlimmer werden, wenn wir jetzt nicht gegensteuern.“ Es entschieden sich aber immer weniger junge Menschen für eine Laufbahn im öffentlichen Dienst. Damit, sagte Behle, „ist unsere Forderung mehr als berechtigt.“
Ver.di verlangt 10,5 Prozent mehr Geld, wenigstens aber 500 Euro zusätzlich im Monat. Die Gegenseite, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), deren Verhandlungsführer Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) ist, hat in den bisherigen zwei Verhandlungsrunden noch kein Angebot vorgelegt.
Streik in Hamburg: Arbeitgeber fordern „gemeinsames Verständnis für die gegenwärtige Lage“
„Wir sind nicht mehr bereit, Fehlentscheidungen und strukturelle Probleme der Arbeitgeberseite auszubaden“, sagte Behle. „Wir werden nicht mit unseren Gehältern den bröckelnden Putz in den Schulen bezahlen.“ Das Argument der Arbeitgeberseite, man könne sich derartige Mehraufwendungen für das Personal nicht leisten, ließ Tanja Chawla, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Hamburg, nicht gelten. „Für die Bundeswehr ist Geld ohne Ende da“, sagte sie.
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„Wenn die Arbeitgeber argumentieren, die Inflationsrate gehe doch runter, dann sagen wir: Aber unsere Mieten gehen nicht runter und die Lebensmittelpreise auch nicht“, so Chawla. Mit den Tarifverhandlungen leiste man zudem einen Beitrag dazu, den „Rechtsruck“ in Deutschland aufzuhalten.
„Die Beschäftigten verdienen eine Anpassung ihrer Löhne, aber die Länder müssen auch handlungsfähig bleiben“, hatte Dressel zu dem Tarifkonflikt gesagt. „Um zu einer guten Lösung am Verhandlungstisch zu kommen, brauchen wir alle die nötige Sensibilität, Fingerspitzengefühl und ein gemeinsames Verständnis für die gegenwärtige Lage.“
Streik in Hamburg: Kritik wegen fehlenden Angeboten der Arbeitgeber
Dem hält Christine Behle entgegen: „Die Länderhaushalte sind immer noch gut ausgestattet und auch für die kommenden Jahre werden steigende Steuereinnahmen prognostiziert.“ Vor diesem Hintergrund sei völlig unverständlich, warum es noch immer kein Angebot der Arbeitgeberseite gebe – außer 12,25 Euro Zuschuss zum Deutschlandticket. „Meinen die das ernst?“, fragte Behle, „wollen die uns verarschen?“ Schließlich streike Ver.di nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen, „sondern auch für einen funktionierenden Staat – dafür, dass die Länder tatsächlich auch praktisch handlungsfähig bleiben.“
Am Donnerstag will Verdi mit einer zweitägigen Warnstreikaktion im Gesundheitswesen beginnen. Diese betrifft vor allem die Universitätskliniken unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen, in denen der Ländertarifvertrag gilt. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 7. und 8. Dezember in Potsdam geplant.