Hamburg. Wie kann die Konjunktur wieder anziehen? Beim Treffen von UV Nord, Industrieverband und Bundesbank gab es umstrittene Vorschläge.

In einem insgesamt schwächelnden wirtschaftlichen Umfeld steht Hamburg noch vergleichsweise gut da. Um 0,1 Prozent (real) dürfte die Wirtschaftsleistung in der Hansestadt 2023 schrumpfen, gab Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) kürzlich bekannt –verglichen mit einem Rückgang von 0,4 Prozent bundesweit. Für 2024 erwartet der Senat dann ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,1 Prozent, während es bundesweit nur 1,3 Prozent sein sollen.

Immerhin. Aber für wirklich gute Laune in der Wirtschaft sorgen diese Aussichten noch nicht – das wurde bei der Jahresveranstaltung „Konjunkturperspektiven 2024“ von UV Nord, der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein, dem Industrieverband Hamburg (IVH) und der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein deutlich. „Wir schrumpfen“, stellte UV-Nord-Präsident Philipp Murmann am Freitag in Räumen der Bundesbank zur Begrüßung fest.

Hamburger Unternehmen beklagen „Bevormundung seitens der Politik“

Doch statt Hemmnisse und Bürokratie für die Unternehmen abzubauen, diskutiere das Land über die Vier-Tage-Woche und die Work-Life-Balance, so Murmann. Zwar gebe es erste Anzeichen, dass der Abschwung im kommenden Jahr abklingen werde. „Dies darf aber nicht zu einem weiteren Wegschauen oder einer Bevormundung seitens der Politik führen.“ Die Wirtschaftspolitik müsse die Standortqualität verbessern.

„Wir stolpern durch das Jahr 2023“, stellte Professor Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW), fest. Für 2024 rechne er aber mit einer moderaten Erholung – darin seien sich ausnahmsweise mal alle Wirtschaftsforschungsinstitute einig. Die Kaufkraft kehre langsam zurück, mit ihr werde der Konsum als ein Konjunkturmotor anspringen.

Später in Rente? Warum ein Ökonom das für unausweichlich hält

Die politische Unsicherheit bleibe dagegen hoch, sagte Kooths. Die Industrie leide unter der Exportflaute, der Wohnungsbau sei in Schockstarre verfallen. Die oft bemühte Floskel von der „Deindustrialisierung“ sehe er dagegen differenziert: Bei der Industrieproduktion sei Deutschland zwar zurückgefallen – bei der Bruttowertschöpfung dagegen Spitze in Europa. Dass das Land weniger produziere, dafür aber werthaltigere Güter, könne auch ein positives Zeichen sein.

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Für Heiterkeit sorgte Kooths mit seiner Analyse zum Arbeitsmarkt. Dieser sei trotz der Krise stabil. Die Zahl der Beschäftigten steige aber nur auf Basis von Zuwanderung, während die deutsche Erwerbsbevölkerung bereits abnehme. Gegensteuern könne man nur, indem die Menschen wieder mehr arbeiteten oder eben später in Rente gingen. Da eine Kürzung der Renten ebenso wenig durchsetzbar sei wie eine Erhöhung der Beiträge, bleibe nur die Erhöhung des Rentenbeitrittsalters, so Kooths. Das sei „keine Raketenwissenschaft, sondern Volksschule Sauerland“, zitierte er den früheren SPD-Chef Franz Müntefering – dafür gab es Applaus.

Industrieverbands-Chef: „Braucht jetzt dringend einen Ruck im Land“

Auch Johannes Hoffmann, Leiter der Abteilung Internationale und europäische Wirtschaft der Deutschen Bundesbank, hatte die Lacher einmal auf seiner Seite. Er verteidigte die straffe Geldpolitik der EZB und äußerte die Hoffnung, dass die mehrfach erhöhten Zinsen nun stabil bleiben werden: „Wenn alles so weitergeht, wie wir es erwarten, wird es keine weitere Zinserhöhung geben“, sagte er. Den Anschlusssatz „Wenn nicht, dann ...“, ging im Gelächter unter.

Der IVH-Vorsitzende Matthias Boxberger beklagte „falsche Prioritäten, Gezänk, Entscheidungsschwäche und handwerkliche Mängel der Bundespolitik“, daher komme Deutschland anders als seine Nachbarn nicht wieder auf die Wachstumsspur. „Die Folgen spüren wir auch in Hamburg: Auftragsrückgang und Investitionszurückhaltung in industriellen Kernbranchen“, so Boxberger. Es brauche jetzt dringend einen Ruck im Land für wirtschaftliche Vitalität.